Sehr geehrter Herr Dr. Bluni,
nach der ersten unauffälligen Schwangerschaft bin ich bei der Geburt stark gerissen "DR3". Seitdem habe ich ständig Zwischenblutungen z.B. beim Sex. Inzwischen hatte ich zwei Fehlgeburten. Ab ca. 7 Woche fingen Blutungen an und in der 12. - 13. Woche bekam ich Wehen und einen Blutsturz. Das Ergebnis vom Nackenscreening war in Ordnung, also das Baby gesund.
Meine Mutter hatte auch nach der ersten Schwangerschaft eine Muttermundschwäche und bekam bei den nachfolgenden Schwangerschaften eine Cerclage. Jetzt bin ich wieder schwanger und habe Angst, dass das wieder passiert. Ist es sinnvoll bei so einer Vorgeschichte eine Cerclage zu legen?
Mit freundlichen Grüßen
Anja
Mitglied inaktiv - 19.01.2011, 21:33
Antwort auf:
Liegt evt. Gebäurmutterschwäche vor und ist eine Cerclage erforderlich?
Liebe Anja,
1. nein, das ist es nicht grundsätzlich
2. zur Frage einer prophylaktischen Cerclage/Muttermundverschluss gibt es mittlerweile in der Fachwelt eine relativ einhellige Meinung:
Dank immer kritischerer Indikationsstellung ist die Cerclagefrequenz innerhalb weniger Jahre von fast 10 % auf 1-2% gesunken. Therapeutisch sind nur echte isthmocervicale Insuffizienzen (Gebärmutterhalsschwächen) eine Indikation.
Prophylaktische Cerclagen aus anamnestischer Indikation oder bei Mehrlingsschwangerschaften sind schon deshalb sehr kritisch zu betrachten, weil sie nicht zu einer Tragzeitverlängerung führen.
Jedoch finden wir in der letzten Zeit einen gewissen Sinneswandel in der Fachwelt vor. Wenn auch die rein prophylaktische Cerclage und/oder Muttermundverschluss bis dato als sehr kritisch betrachtet wird, sehen renommierte Fachvertreter dieses differenzierter bei Frauen mit einer Vorgeschichte mit Frühgeburt.
Eine Zervixinsuffizienz (Gebärmutterhals-Schwäche) im klassischen Sinn ist ein sehr seltener Befund. Bei unsicherer Entscheidungsgrundlage zeigen Studienergebnisse keine eindeutigen Vorteile einer Cerclage gegenüber abwartendem Verhalten. Ob Schwangere mit ultrasonographischer Verkürzung des Gebärmutterhalses oder einer Öffnung des inneren Muttermundes von einer Cerclage profitieren,
lässt sich noch nicht abschließen beurteilen.
Als einzige Ausnahme verbleiben noch Schwangere mit mehrfachen Frühgeburten in der Anamnese. Bei der Diagnose einer Gebärmutterhalsschwäche ist neben der transvaginalen Sonographie mit ihrer Verkürzung und Eröffnung der Zervix unbedingt immer auch die Konsistenz der Portio durch Vaginalpalpation zu beurteilen.
Notfallcerclagen bei Cervixinsuffizienz mit Fruchtblasenprolaps sind nur bis zur 32. SSW indiziert. Gleichwohl ist das Komplikationsrisiko einer Cerclageoperation gering und besteht praktisch nur in minimalen Verlängerungen der Eröffnungsphase sowie einer leicht höheren Inzidenz von Zervixrissen. Frauenarzt 40, 5 (1999) 659
Insofern ist hier im individuellen Fall sicher das immer ausführliche Gespräch mit Ihrer Frauenärztin/Frauenarzt und der Frauenklinik (am besten ein Perinatalzentrum) im Vorfeld sinnvoll, inwiefern eine Cerclage zur Prophylaxe einer vorzeitigen Muttermundseröffnung im individuellen Fall geboten ist unter Abwägung des Für und Wider.
Dieses gilt auch für die Fragestellung, inwiefern eine prophylaktische Cerclage/Muttermundverschluss nach einer Infektion mit Fehlgeburt anzuraten ist.
VB
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 19.01.2011