Aufenthalt in den Bergen in der Schwangerschaft

Dr. med. Vincenzo Bluni Frage an Dr. med. Vincenzo Bluni Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Frage: Aufenthalt in den Bergen in der Schwangerschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Bluni, ich habe eine Frage zum Thema Aufenthalt in den Bergen in der Schwangerschaft. Mein Mann und ich haben einen Hüttenurlaub auf 1.892 m Höhe gebucht (Zeitraum: knapp zwei Wochen lang, SSW 23 und 24). Zum Buchungszeitpunkt war die Schwangerschaft noch nicht eingetreten. Mir ist bekannt, dass Aufenthalte bis 2.500 m Höhe in Ordnung sind, Bergwandern jedoch nur bis 2000 m Höhe empfohlen wird. Ich frage mich nun, ob ein Zeitraum von 12 Tagen quasi konstant auf dieser Höhe dennoch schädlich sein könnte. Soweit ich weiss ist das Problem, dass die Blutversorgung des Babys durch die veränderten Druckverhältnisse u. U. nicht mehr optimal gewährleistet sein könnte. Welche Folgen könnte so etwas schlimmstenfalls haben und würde es hierdurch schon in der Schwangerschaft zu Problemen kommen oder sich möglicherweise erst nach der Geburt zeigen? Ich meine damit: gibt es spürbare Anzeichen/Warnzeichen für die Schwangere, damit die "Reisehöhe" ggf. verlassen werden kann? Ich war zu Beginn der Schwangerschaft auch schon einmal ca. zweieinhalb Tage lang auf ca. 2.200 m Höhe (allerdings ohne körperl. Betätigung) und bin bei dieser Gelegenheit kurzfristig auch einmal auf ca. 3.000 - 3.500 Höhenmetern gewesen (bei einer Passüberquerung, Aufenthalt nicht länger als max. 1,5-2 Std., dies liess sich damals leider nicht vermeiden). Auch damals habe ich mir im Nachhinein Sorgen gemacht. Ich bin an sich eine sehr vorsichtige Schwangere und glücklicherweise komplett beschwerdefrei. Herzlichen Dank für Ihre Einschätzung im Voraus und für Ihr stets offenes Ohr für alle "problemgeplagten" Schwangeren in diesem Forum!

von evh am 28.06.2011, 07:23



Antwort auf: Aufenthalt in den Bergen in der Schwangerschaft

Hallo, wie für die meisten Sportarten gilt auch für das Bergwandern: fordern Sie Ihrem Körper und Kreislauf nicht zu viel ab, meiden Sie Extremsituationen. Achten Sie besonders auf Ihren Kreislauf. Die Herzfrequenz sollte nicht dauerhaft über 140 Schlägen pro Minute liegen. Sofern eine schwangere Frau schon vor der Schwangerschaft Leistungssport betrieben hat, können diese Geübten, wie auch Bergaktive solche Pulsspitzen nach Ansicht der Experten gut verkraften. Die körperliche Belastung am Berg sollte, wenn möglich immer im so genannten aeroben Bereich bleiben. Hier gilt die Faustregel: Lässt sich weiter sprechen, ohne aus der Puste zu kommen? Wenn die Schwangere nicht akklimatisiert ist, sollte Sie Höhen von über 2.500 Metern über dem Meeresspiegel meiden. Ebenso gemieden werden sollten Aufstiege mit Höhenunterschieden und rasche Aufstiege mit über 3.000 Metern über dem Meeresspiegel. Hauptargument ist einfach die hier deutlich größere Kreislaufbelastung, bei der sich die Sauerstoffversorgung des Kindes bereits ohne größere körperliche Aktivität verringert. Der Medizinausschuss der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA) rät in seiner Empfehlung dazu, sich vor Betätigungen auf einer Höhe über 2500 Metern über dem Meeresspiegel drei bis vier Tage zu akklimatisieren. Sofern stärkere körperliche Aktivität geplant ist, werden sogar bis zu bis zu zwei Wochen Akklimatisierung empfohlen. Für welche Schwangere ist der Berg tabu? - zu hohem Blutdruck oder Herz-Kreislauf- oder Lungen-Erkrankungen - diagnostizierter Präeklampsie („Gestose“), - Plazentaunterfunktion, - Wachstumsverzögerungen des Kindes - erhöhtem Fehlgeburtsrisiko, - Vorgeschichte mit wiederholten Frühgeburten oder aktuellen Frühgeburtsbestrebungen - Blutarmut - bei anderen besonderen Schwangerschaftsrisiken Beachtet werden sollte in jedem Fall, dass auch bei Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen, es am Berg immer ein höheres Sturzrisiko mit all sich daraus ergebenden Konsequenzen, wie Zerrungen, Knochenbrüchen bis hin zu dem Risiko der Fehlgeburt oder Plazentaablösung gibt. Denn auch bei noch so großer Erfahrung lassen sich Stürze nicht immer vermeiden. Darüber hinaus sollte daran gedacht werden, dass je nach Bergregion/Wintersportort die medizinische Hilfe häufig nicht oder eben erst nach längerer Zeit zur Verfügung steht und dann auch nicht unbedingt deutsche, österreichische oder schweizerische Standards vorhanden sein werden. VB Quellen: http://www.alpenverein-offenburg.de/files/upload/ ad_2009_01_04.pdf (Roos, Martin, „Wissen, Risiken, Empfehlungen: Schwanger am Berg?“, Die Alpen 1-2009, 22-25, letzter Abruf: 29.12.2010) http://www.high-mountains.de/Alpinmedizin/Nr12.pdf (Jean, D.; Leal, C.; Meijer, H., Medizinische Aspekte beim Aufenthalt von Frauen in großer Höhe, EMPFEHLUNGEN DER MEDIZINISCHEN KOMMISSION DER INTERNATIONAL MOUNTAINEERING AND CLIMBING FEDERATION (UIAA) Nr. 12, Stand:2008, letzter Abruf: 29.12.2010) Jean, Dominique et al., Medical recommendations for women going to altitude, High Altitude Medicine & Biology 2005, Band 6, S. 22–31 Kelly, Amanda, Practical exercise advice during pregnancy, The Physician and Sportsmedicine 2005, Band 33 (Ausg. 6) Mieske, Kelly; Flaherty, Gerard; O’Brien, Timothy, Journeys to High Altitude—Risks and Recommendations for Travelers with Preexisting Medical Conditions, Journal of Travel Medicine 2010; Volume 17 (Issue 1): 48–62 Niermeyer S. The pregnant altitude visitor. Adv Exp Med Biol 1999; 474: 65–77.

von Dr. med. Vincenzo Bluni am 28.06.2011