Frage: ASS 100 trotz Blutungen?

Sehr geehrter Herr Dr. Bluni, nach 2 FG (8. und 6. SSW) bin ich nun in der 16. SSW. Bei mir wurde eine compound heterozygote MTHFR Mutation festgestellt, woraufhin ich 5 mg Folsäure und ASS 100 verschrieben bekommen habe. Allerdings habe ich seit der 6. SSW immer wieder Blutungen mit dunklem und manchmal auch hellem Blut, nie sonderlich stark (Tröpfchen bis zu 2 ml), die nach Liegeruhe auch meist nach wenigen Stunden wieder aufhören. Ich werde seitdem sehr engmaschig von meinem FA untersucht, die Ursache dafür konnte bislang nicht geklärt werden, auch nicht nach einem stationären Aufenthalt, allerdings wurde dabei eine Oligohydramnie diagnostiziert. Gegen die Blutungen wurden mir 15 mmol Mg2+, 3 x tägl. Utrogest und Liegeruhe verordnet. Ich bin seitdem auch krank geschrieben. Meine Fragen nun: welche Ursachen kann es für die Blutungen geben und welche Massnahmen kann man noch treffen? Was kann ich gegen die Oligohydramnie tun außer viel trinken und Ruhe? Sollte ich das ASS100 absetzen, solange die Blutungen andauern? (Habe ich bereits gemacht) Vielen Dank

Mitglied inaktiv - 02.05.2011, 18:13



Antwort auf: ASS 100 trotz Blutungen?

Hallo, 1. sicher können solche Blutungen immer auch ein Warnzeichen und ein Hinweis für Fehlgeburtsbestrebungen sein. Aber nicht zwangsläufig wird eine solche Blutung zwangsläufig in einer Fehlgeburt enden. Dieses hängt immer auch von der Stärke der Blutung ab. Die Ursache der Blutung ist nicht immer eindeutig. Es können hormonelle Gründe oder plötzliche Blutungen zwischen der Eihaut und der Gebärmutter die Ursache sein. Es kann aber auch nur vom Muttermund her bluten. Andererseits gibt es kindliche Ursachen, wie eine nicht reguläre Entwicklung auf Grund genetischer Störungen, die dann häufig in einer Fehlgeburt enden können. In der 16.SSW kann es auch mal eine zu tief sitzende Plazenta sein. Und sofern Sie ASS nehmen, kann dadurch eine Blutung begünstigt werden. 2.Wenn die Schwangerschaft vital ist, wird der Frau bei Blutungen in der frühen Schwangerschaft bis etwa zum Ende des vierten Monats empfohlen, sich körperlich zu schonen, auf Sport und Verkehr zu verzichten und ggf. prophylaktisch Magnesium einzunehmen. 3. da ab der 12.SSW die Hormonproduktion von der Plazenta übernommen wird, erübrigt sich eine Gabe eines Gelbkörperhormons, wie Utrogest! 4. eine Mutation im MTHFR - Gen ( Methylentetrahydrofolat-Reduktase ) kommt in homozygoter Form bei rund 11 % der Bevölkerung vor und führt in der Regel zu einer Homocysteinämie (erhöhter Spiegel an Homocystein), die als Risikofaktor für venöse Thrombosen, Schlaganfälle und koronare Herzerkrankungen und gehäufte Fehlgeburten angesehen wird. Dieses muss bei der heterozygoten Form nicht der Fall sein; hier ist das Thrombose/Fehlgeburtsrisiko dann erhöht, wenn der Homocysteinspiegel erhöht ist. Im Zusammenhang mit einem erhöhten Homocysteinspiegel wird eine größere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Neuralrohrdefektes genannt. Frauen, die ein erhöhtes Risiko für ein Kind mit einem Neuralrohrdefekt tragen, sollten bereits präkonzeptionell (vor Eintreten der Schwangerschaft ) bis zum Ende des I. Trimenons Folsäure in einer Dosierung von 5 mg pro Tag erhalten. Es wäre dann auch vor Ort zu besprechen, ob man diese Störung, die individuell eben unterschiedlich ausgeprägt sein kann, so einschätzt, dass man in einer Schwangerschaft auch Maßnahmen zur Verdünnung des Blutes ergreift. Hier ist es dann sehr ratsam entweder über den Frauenarzt /Frauenärztin mit einem Speziallaboratorium, das sich in der Diagnostik der Thrombophilien gut auskennt, oder über eine entsprechend erfahrene, klinische Einrichtung abzuklären, ob eine solche Schwangere schon von Beginn der Schwangerschaft an neben Kompressionsstrümpfen auch ein Mittel zur Blutverdünnung benötigt. Die prophylaktische Verabreichung niedermolekulare Heparine in der Schwangerschaft kann schon als recht sicher bezeichnet werden. Mögliche Nebenwirkungen unter einer solchen Therapie treten selten auf, sollten aber bedacht werden: es kann zum Abfall der Blutplättchen kommen oder Blutungen hinter dem Mutterkuchen, beim Kind sind keine negativen Folgen zu erwarten. 5. Niedermolekulare Heparine kommen zum Einsatz, wenn bestimmte Konstellationen von Gerinnungsstörungen und/oder eine Vorgeschichte mit einem thromboembolischen Ereignis vorliegen. Dazu gibt es konkrete Risikokonstellationen und sich daraus ableitende Empfehlungen. 6. Wann ist eine Heparingabe indiziert? Sofern bei einer Frau „nur“ eine homozygote MTHFR-Mutation vorliegt, aber keine zusätzlichen Risikofaktoren, wie Adipositas, Präeklampsie, Infektion, Trauma oder Bettlägerigkeit hinzukommt, hat sie nach den aktuellen S3-Leitlinien ein niedriges Risiko und es würde keine Blutverdünnung mit Heparin indiziert sein. Gibt es dazu eine Vorgeschichte mit wiederholten Fehlgeburten, läge ein mittleres Risiko vor. Im Fall eines mittleren Risikos wird nach Leitlinien sofort bei nachgewiesener Schwangerschaft und mindestens bis 6 Wochen nach der Geburt eine Heparinisierung empfohlen. 7. eine Empfehlung zur parallelen oder alleinigen ASS-Therapie gibt es nicht. Nur bei zusätzlichen arteriellen Risikofaktoren wie erhöhtem Lp(a), Hyperlipidämie, arteriellem Hypertonus, Diabetes, etc. kann dieses gelegentlich empfohlen werden. Hierzu ist dann sinnvollerweise immer eine Abstimmung mit einer Gerinnungsambulanz anzuraten. 8. das Fruchtwasser weist in Relation zum fetalen Volumen bei 24 Schwangerschaftswochen sein maximales Volumen auf. Dieses bleibt bis 37 Schwangerschaftswochen in etwa konstant. Die Fruchtwassermenge nimmt danach nimmt fortlaufend bis zum Termin ab, und zwar um ca. 33% pro Woche. Diese Volumenreduktion geht dann auch mit einer Abnahme der Kindsbewegungen einher. Darüber hinaus lässt sich eine verminderte Menge an Fruchtwasser (Oligohydramnion) im letzten Schwangerschaftsdrittel in 3-5% aller Schwangerschaften nachweisen. Deshalb kann sich häufig schon mit einer ausreichenden Trinkmenge der Frau die Fruchtwassermenge verbessern, sofern es für die verringerte Fruchtwassermenge keine anderen Ursachen gibt. Deshalb muss ein Oligohydramnion nicht gleich auf eine Störung des Kindes hindeuten. Es bedeutet jedoch, dass der Befund sonographisch kontrolliert wird. Und bei Unklarheiten oder anderen Hinweiszeichen, sollten dann je nach Bedarf neben einer verminderten Funktionsleistung des Mutterkuchens auch Entwicklungsstörungen, Fehlbildungen oder genetische Störungen ausgeschlossen werden. Dazu gehört dann auch die Doppleruntersuchung per Ultraschall, um eine Minderfunktion der Plazenta auszuschließen. Im zweiten Drittel findet sich ein Oligohydramnion nur in 0,2% der Schwangerschaften. In diesen Fällen findet man in 5-10% Chromosomenstörungen und in den überwiegenden Fällen Nierenanlagestörungen. Insofern sollten Sie immer die individuelle Einschätzung Ihrer Ärztin/Arzt abwarten und dann schauen, was die ggf. durchgeführte, spezielle Ultraschalluntersuchung erbringt. VB Quellen: Geisen U, Abou-Mandour N, Schambeck Ch, Zilly M, Keller F. Pilotstudie und EthiG-Studie zur Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft. Vascular care 2001; 1: 12–9. Hirsh, Jack, Bates, Shannon M., Greer, Ian A., Pabinger, Ingrid, Sofaer, Shoshanna, Venous Thromboembolism, Thrombophilia, Antithrombotic Therapy, and Pregnancy, American College of Chest Physicians, Evidence-Based Clinical Practice Guidelines, (8th Edition), Chest 2008;133;844S-886S Frauenarzt, 51 (2010) Nr 6, „Thromboembolieprophylaxe in Schwangerschaft und Wochenbett“, A.G. Puhl, K. Heidner, C. Skala, H. Schinzel, S. 570-583 http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/003-001_S3_AWMF-Leitlinie_Prophylaxe_der_venoesen_Thromboembolie__VTE__Kurz_04-2009_12-2013.pdf (AWMF-S3-Leitlinie „Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE)“, Version vom 18. März 2009 mit eingearbeitetem Addendum vom 08. Mai 2010, letzter Abruf:21.12.2010) Sotiriadis, Alexandros; Papatheodorou, Stefania; Makrydimas, George, Threatened miscarriage: evaluation and management, BMJ 2004; 329 : 152

von Dr. med. Vincenzo Bluni am 02.05.2011