Frage: Dokumentationspflicht

Hallo Frau Bader, vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Frage zur Dokumentationspflicht in der Schwangerenvorsorge vom Freitag. Ihre Antwort wirft einige neue Fragen bei mir auf. Ich beziehe mich mit meiner Frage vor allem auf diesen Satz aus der Mutterschaftsrichtlinie: „Kardiotokographische Untersuchungen (CTG) (Kardiotokographische Untersuchungen können in der Schwangerenvorsorge nicht routinemäßig durchgeführt werden. Sie sind nur nach Maßgabe des Indikationskatalo-ges nach Anlage 2 der Richtlinien angezeigt)“ Dies trifft auf mich ganz klar zu, es besteht keine Indikation, sondern handelt sich um reine Routine. Bedeutet dass also, dass meine Gynäkologin sich wirklich durch meine Bestätigung absichern muss, wenn sie mich meinem Wunsch entsprechend, so behandelt, wie es die Mutterschaftsrichtlinie (und auch die CTG-Leitlinie der DGGG) vorsieht. Wenn dies so ist, werde ich das natürlich unterschreiben, ich will der Ärztin ja nicht schaden. Würde die Ärztin die Routine-CTGs durchführen, was ja explizit nicht vorgesehen ist, würde sie keine Bestätigung von mir wollen. Bedeutet das dann im Umkehrschluss, dass meine Hebamme, die von sich aus entsprechend der Richtlinie behandelt und keine schriftliche Bestätigung dafür möchte, ein rechtliches Risiko eingeht und ihr Vorgehen in diesem Fall ändern sollte? Was ist dann der juristische Sinn der Richtlinie und der Leitlinie, wenn man sich absichern muss, wenn man sich an sie hält, aber keine schriftliche Absicherung nötig ist, wenn man dagegen verstößt? In den Antworten auf meine letzte Frage, kam das Gesetzt, das ab 2021 unbegründete pränatale Ultraschalls verbietet, zur Sprache. Es wurde behauptet, dass dieses Gesetz auch auf CTGs anzuwenden wäre. Ändert dieses Gesetz dann wenigstens etwas an der juristischen Situation, sobald es in Kraft tritt? Bitte entschuldigen Sie die vielen Fragen, aber wenn ich ihre Antwort tatsächlich richtig verstanden habe, macht mich die rechtliche Situation fassungslos, weil das bedeutet, dass es rechtlich sicherer ist Medizin auf Grund von Angst vor juristischen Konsequenzen und nicht auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zu machen, schrecklich. Viele Grüße Maikäfer5

von Maikäfer5 am 09.12.2019, 12:46



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Hallo, eine Dokumentationspflicht spielt nur sekundär eine Rolle. Für den Fall, dass es, kausal wegen der fehlenden Untersuchung, zu einer Behinderung (oder schlimmeren) kommt und Sie die Ärztin verklagen (wegen Fehlern), kann diese sich exculpieren (also beweisen, dass sie keine Schuld trifft), wenn sie dokumentiert hat, dass sie Sie zu der Untersuchnung aufgefordert hat u Sie diese abgelehnt haben. Ihre Entscheidung, Ihr Risiko (wenn es denn hier eins gibt, was ich nicht beurteilen kann). Liebe Grüße NB

von Nicola Bader, Rechtsanwältin am 09.12.2019



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Anderer Fall, aber evtl zeigt es dir wie gefährlich es für alle Beteiligten in dem Falle ist. Und warum ich persönlich deine Ärztin verstehe, die Hebamme dagegen nicht. Meine Hebamme hat mir von einer Kollegin erzählt welche nach der Geburt eine Mutter und deren Kind betreute. Beide sind direkt nach der U3 nach Hause. Am nächsten Tag bemerkte die betreuende Hebamme das das Kind minimale Anzeichen von Gelbsucht zeigte bzw die Vermutung ging in die Richtung. Sie sagte der Mutter das diese bitte unbedingt zum Kinderarzt sollte. Tat die Mutter auch, sagte dort aber nichts davon das evtl Gelbsucht vorliegen könnte sondern erzählte dort nur Kind trinkt schlecht usw. Arzt sah auch keine Gelbsucht, er gab eben nur Tipps wegen Trinken. Tage später kam das Kind dann in die Notaufnahme mit bleibenden Schäden. Jetzt sollte man meinen der Arzt wäre Schuld. Aber nein, der war raus, angeklagt und verurteilt wurde die Hebamme. Weil diese es versäumt hatte der Mutter ein entsprechendes Schriftstück mitzugeben. Den sie hatte die erste Vermutung gestellt das eine Gelbsucht droht. Muss man nicht verstehen, zeigt dir aber warum deine Ärztin sich absichern will.

von Felica am 09.12.2019, 13:19



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Hallo Frau Bader, könnten Sie mir bitte irgendeine genaue Regelung oder ein Urteil etc. nennen, wenn dieser Dokumentationswahn (entschuldigen Sie den Ausdruck aber so empfinde ich es) wirklich sinnvoll ist. Ich würde dies dann nämlich gerne meiner Hebamme zeigen, damit sie sich das anschauen und überlegen kann, ob das für sie auch von Bedeutung ist. Danke Maikäfer 5

von Maikäfer5 am 09.12.2019, 13:55



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Es gibt ein Hebammengesetz, in dessen Rahmen auch die Dokumentationspflicht geregelt ist. Ebenso wie im Ärztegesetz für Ärzte. Ganz kurz und knapp gesagt: was nicht dokumentiert wurde, hat nicht stattgefunden. Also auch Aufklärung über bestimmte Maßnahmen oder die Ablehnung einer Maßnahme durch den Patienten. Das dient nicht nur dem Arzt zur Absicherung - es soll im Zweifel eben auch dem Patienten dienen.

von cube am 09.12.2019, 14:05



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Zitat: "Bitte entschuldigen Sie die vielen Fragen, aber wenn ich ihre Antwort tatsächlich richtig verstanden habe, macht mich die rechtliche Situation fassungslos, weil das bedeutet, dass es rechtlich sicherer ist Medizin auf Grund von Angst vor juristischen Konsequenzen und nicht auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zu machen, schrecklich." Das ist doch nicht zu trennen, denn der Arzt ist sicher vor juristischen Konsequenzen, wenn er die Behandlung auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse macht. Er muß es nur im Zweifel auch nachweisen können.

von Strudelteigteilchen am 09.12.2019, 14:48



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Die Richtlinien beschreiben, auf was du wann Anspruch hast - nicht, was zwingen durchgeführt werden muss. Heißt: du hast bei unauffälligem Verlauf/Untersuchungen keinen Anspruch darauf, das ein CTG geschrieben und von der Kasse bezahlt wird!. Und was meinst du mit "auf Medizin zu verzichten wegen rechtlicher Konsequenzen"? Es geht doch um Konsequenzen, die du in Kauf nehmen willst. Du siehts keine Notwendigkeit für ein CTG - die einzige Konsequenz für dich wäre doch, dass du nicht die Ärztin verantwortlich machen kannst, wenn irgendetwas deswegen nicht rechtzeitig erkannt wird. Ich glaube, du steigerst dich da in etwas rein. Bei dir liest sich das so, als wenn du meinst, du würdest dich strafbar machen, wenn du der Ärztin bestätigst, auf ein CTG zu verzichten. Aber vielleicht versuchst du es mal so zu sehen: Deine Ärztin ist eben der fachlichen Meinung, das ein CTG sinnvoll ist, um den unauffälligen Verlauf der Schwangerschaft zu bestätigen. Oder weil sie die Erfahrung gemacht hat, das durch das CTG Dinge auffallen, die sonst nur schwer/gar nicht oder zu spät erkannt werden. Auf dieser Basis rät sie dir nun zu einem CTG, du lehnst das ab. Und sie möchte sich nun für den Fall absichern, dass eben doch nicht alles ok ist. Was bitte ist daran so schlimm? Wenn du doch der Überzeugung bist, das du es nicht brauchst - völlig ok - dann bestätige ihr doch einfach, wovon du überzeugt bist. Ich sehe ehrlich nicht die große juristische Tragweite und Problematik, die du da rein fabrizierst.

von cube am 09.12.2019, 15:15



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Hallo Frau Bader, danke für die Antwort. Ich glaube ich verstehe langsam, was Sie mir sagen wollen. Ich kann mir zwar immer noch nicht vorstellen, dass meiner Ärztin in dieser konkreten Situation irgendwelche Konsequenzen drohen könnten und halte das alles für vollkommen übertrieben. Aber wenn es ihr so wichtig und sie dann beruhigt ist, unterschreibe ich das dann eben beim nächsten Termin. Viele Grüße Maikafäer5

von Maikäfer5 am 09.12.2019, 15:32



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Mein Gott. Hier starb erst ein Baby im Bauch. Die Mutter war vom Fach und wusste es besser. Ein Glück unterschrieb sie, denn dadurch sind die Ärzte im Klinikum raus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Mütter und wohl auch gegen das Geburtshaus.

von HeyDu! am 09.12.2019, 15:37



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Hi, es gibt schließlich solche Urteile, die auch deine Ärztin kennen wird: https://be.invalue.de/d/publikationen/vwheute/2018/05/07/baby-hirnschaden-nach-behandlungsfehler-hohes-schmerzensgeld.html Deren Sorge kann ich verstehen.

von drosera am 09.12.2019, 18:50



Antwort auf: Dokumentationspflicht

Hallo Maikäfer, ich wüsste eine Adresse, die sich möglicherweise Deiner Frage intensiver annehmen könnte. Vielleicht möchtest Du Dich mal an Irene Behrmann von greenbirth wenden (bitte googlen). Für sie ist diese Diskussion und auch die Tatsache, dass es Frauen gibt, die sich hier Gedanken machen, durchaus interessant. Viele Grüße Sileick

von Schniesenase am 09.12.2019, 20:12



Antwort auf: Dokumentationspflicht

@ Felica Ich verstehe was du meinst, traue mir aber ohne genaue Kenntnis des Falles keine Aussage darüber zu. Aber Generell hast du Recht, auch ich lese immer wieder von Urteilen, die mich an den Rand der Verzweiflung treiben und mir vollkommen unerklärlich sind. @Cube Da hast du mich in ein paar Punkten leider falsch verstanden. Zum einen konnte ich außer dass es Routine ist auch auf Nachfragen keine evidenzbasierte Erklärung, weshalb es bei mir persönlich sinnvoll sein soll, bekommen. Es ist also keine „fachliche Meinung“ meiner Gynäkologin wie du es nennst. Wäre die Empfehlung auf Grund einer fachlichen Meinung ausgesprochen, hätte ich das Ganze durchführen lassen, es geht ja schließlich um mein Baby. Zum Anderen sprach ich davon, dass ich es schlimm finde, wenn man medizinische Entscheidungen auf Grund von forensischen und nicht von wissenschaftlichen Überlegungen trifft und nicht davon „auf Medizin zu verzichten“. Generell auf Medizin verzichten zu wollen, kann ich genauso wenig nachvollziehen wie du. Angst davor mich mit einer Unterschrift strafbar zu machen, habe ich keineswegs. Ich unterschreibe nur nichts, dessen Sinn ich nicht verstehe, deshalb habe ich bei Frau Bader nachgefragt, ob sie darin einen Sinn sieht. Du hast allerdings vollkommen Recht damit, dass ich hier eine deutlich größere Problematik und Tragweite sehe, als einige Mitschreiberinnen. Interessiert es dich wirklich genau, warum ich das sehe, dann kann ich dir die wissenschaftliche Grundlage dazu nennen. Das ist mir allerdings zu viel Aufwand, um es nur "aus Spaß an der Freude" aufzuschreiben. Wenn es dich interessiert, schreibe mir einfach. @ Hey Du Dazu kann ich nichts sagen, da ich den konkreten Fall nicht kenne. Du kannst aus der Ferne genauso wenig beurteilen, ob sich diese Situation und die Nutzen-Risiko-Abwägung der Patientin mit meiner vergleichen lassen. Verschone mich also bitte mit derart unreflektierten, pauschalisierenden Aussagen, diese sorgen einfach nur für Verunsicherung bei Schwangeren und helfen in keiner Weise weiter. Ich wünsche jeder Schwangeren, dass sie ihre Schwangerschaft möglichst entspannt genießen kann und die beste, auf sie persönlich abgestimmte Vorsorge erhält. @Strudelteigteilchen Oh doch, so traurig es ist, das kann man in manchen Fällen, tatsächlich sehr gut voneinander trennen. @drosera Dieses Urteil bezieht sich auf eine ganz andere Ausgangssituation als bei mir und lässt sich mit meiner Situation nicht vergleichen. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, dass du Recht hast und meine Gynäkologin auch so etwas im Hinterkopf hat, wenn sie Routine-CTGs durchführt. Man denkt natürlich spontan, dass sich ein Arzt durch mehr Diagnostik besser absichert. Das Gegenteil ist hier aber der Fall. Es ist belegt, dass es mehr Klagen und Schuldsprüche den Geburtshelfern gegenüber gibt, wenn diese mehr CTGs schreiben (Sartwelle 2015 J Matern Fetal Neonatal Med). Daher verstehe ich persönlich diese Praxis vieler Gynäkologen nicht aber das ist deren Entscheidung und nicht meine. @Schniesenase Danke für den Tipp, daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Allerdings kann ich nicht alles, was greenbirth publiziert, nachvollziehen. Unabhängig davon, habe ich den Eindruck, dass meine Frage hier tatsächlich nicht so gut hin gehört wie ich dachte oder so genau beantwortet werden kann, wie ich mir das wünsche. So ganz verstanden habe ich es nämlich immer noch nicht. Bzw. bin einfach fassungslos, dass wir eine derartige juristische Situation haben. Das finde ich persönlich sehr bedenklich (vor allem für die Patienten) auch wenn einige hier finden, dass ich vollkommen übertreibe. Ich glaube du bist die Einzige, die wirklich verstanden hat, worum es mir hier geht.

von Maikäfer5 am 10.12.2019, 13:28



Antwort auf: Dokumentationspflicht

An dich habe ich gerade gedacht wie ich beim Zahnarzt war. An WE ist eine Krone bei mir abgegangen. Das 3te Mal. Zahnarzt hat dieses mal auch Röntgen lassen, um zu schauen ob da irgendwas gebrochen ist, aufgrund dessen sie nicht hält. Arzthelferin fragte dann wegen der Indikation. Darauf meinte ich scherzhaft, die KK will auch alles wissen. Mein Arzt daraufhin, nicht die KK in dem Falle. Sondern weil theoretisch könnte ich ja auf die Idee kommen ihn wegen unnötigen Röntgen zu verklagen. Unterschreiben musste ich nichts, aber du siehst, auch da ging es um Absicherung für den Fall das was kommt.

von Felica am 10.12.2019, 14:31