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Wie schlafen Kinder in anderen Kulturen?

Thema: Wie schlafen Kinder in anderen Kulturen?

Hallo! Mich interessiert, wie Kinder in anderen Kulturen schlafen. Das Thema Schlafen ist ja für viele von uns ein Problem. Ich denke, dass wir aus Europa von anderen Kulturen lernen könnten. Meine Fragen richten sich also an alle von euch, die aus einer anderen Kultur bzw. einem anderen Land stammen: Haben Kinder dort eigene Kinderzimmer? Ist es das Ziel der Eltern, dass sie möglichst bald lernen, im eigenen Zimmer zu schlafen? Wie bringen die Eltern die Kinder zum Einschlafen? Schlafen sie alleine oder bei den Eltern? Was machen sie, wenn die Babys nachts schreien? Ist das Thema Schlafen für die Mütter dort überhaupt ein Problem? Es wäre sehr interessant, wenn ihr dazu schreiben würdet aus welchem Land ihr stammt. Ich freue mich auf viele anregende Beiträge, Babsi

von Babsi83W am 21.04.2020, 13:59



Antwort auf Beitrag von Babsi83W

Wie ich es in China erlebt habe, trägt bzw. schaukelt man die Babys in den Schlaf. Ohnehin werden Babys viel herumgetragen. Das machen aber oft nicht die Mütter, sondern Großmütter oder Nannys. In wohlhabenden Familien schläft das Baby mit der Nanny im Zimmer, oft bis zur Einschulung. Jedes Kind hat in den reichen Familien oft eine eigene Nanny. Stillen machen entweder die ganz armen oder die modernen Frauen. Nach einem halben Jahr arbeiten diese aber wieder Vollzeit. Dann wird abgestimmt und die Oma/Nanny kümmert sich.

von Astrid18 am 21.04.2020, 17:00



Antwort auf Beitrag von Astrid18

Danke Astrid! Das ist ja interessant. Ich habe nur schon viel über das Bildungssystem in China gehört. Da soll der Leistungsdruck für die Schüler schon sehr groß sein. Es dürfte aber, nach dem was du geschrieben hast, ein Bewusstsein dafür da sein, dass Kinder nicht unbedingt allein schlafen wollen. In welcher Stadt in China hast du denn gewohnt? Das würde mich noch interessieren. Liebe Grüße, Babsi

von Babsi83W am 21.04.2020, 21:58



Antwort auf Beitrag von Babsi83W

Hallo, Deine Fragen lassen die Erwartung durchschimmern, dass andere "Kulturen" ein Geheimrezept hätten, das unserer irgendwie verloren gegangen ist. Ich glaube diese Erwartungshaltung muss enttäuscht werden, sobald man ins Detail schaut, denn auch in den entlegensten Ländern wird es immer AUCH davon abhängen, wo die Familien leben (Land? Stadt?) und welche Stellung die Frau hat (Hausfrau und Mutter oder CEO einer Firma?) Siehe das Chinaposting (mal abgesehen davon, dass China riiiiesig ist und Dutzende Kulturen in sich vereint): die Bauersfrau irgendwo in der nordöstlichen Pampa wird ganz anders verfahren als die Geschäftsfrau aus Shanghai. Aber zur eigentlichen Frage: ich lebe seit knapp 30 Jahren im Ausland, und ein Geheimrezept fürs Schlafen habe ich keins gefunden. In England, wo meine beiden Großen geboren sind, hielten es die Weißen so gemischt wie alle Europäer. Unter den Briten mit indischen und pakistanischen Wurzeln, also wenigstens bei uns in Mittelengland (Birmingham) hatten die allermeisten Familienbetten. Und auch bei größeren Kindern war es normal, dass sie zusammen schliefen. Das brachte wohl in der Tat ein insgesamt unkomplizierteres Einschlafen auch ganz ohne Rituale. Aber die Kindstodzahlen bei indischstämmigen Familien war erschreckend hoch - ich hab die Zahlen nicht mehr im Kopf, aber ich war ernsthaft erschrocken als ich mal drüber stolperte. (Wir haben uns übrigens für uns, auch durch die Erfahrung mit indischstämmigen Freunden und Kollegen, und trotz der Kindstodzahlen, für das Familienbett entschieden). Von dort sind wir nach Korea gezogen, wo unsere Jüngste geboren ist. In Korea sind Kinder das ein und alles sind und von vorne bis hinten verwöhnt werden, wenigstens solange sie klein sind. Die richtige Entwicklung des Kindes ist ein extrem wichtiges Thema, und jede Mutter setzt sich (viel intensiver als in Deutschland) damit schon lange vor der Schwangerschaft auseinander, beliest sich wo sie nur kann, und wird zudem von gutmeinender Verwandtschaft und Freunden mit Ratschlägen und Anweisungen überschüttet. Was also da wirklich noch "Kultur" ist und was angelernte Handhabung und Wissen aus der modernen Fachliteratur, ist schwierig zu sagen, vermutlich ein Mix aus beidem. Die allergrößte Mehrzahl der Koreaner wohnen in relativ kleinen Wohnungen in der Stadt (nur Arme wohnen in Häusern). Schon wegen der Enge ist eine Trennung manchmal schwierig, zudem gehen sie wirklich liebevoll mit ihren Kindern um. Die meisten unserer Freunde hatten ein Elternschlafzimmer und ein Gäste-/Kinderzimmer. Die Babies schliefen bei den Eltern. Traditionellerweise verbringt man in Korea viel Zeit auf dem Boden (Schlafen, Essen, Lesen). Einige unserer Freunde hatten westliche Betten, und insofern auch ein Babybett / Wiege dazu. Wir haben aber auch Freunde, die keine Betten besitzen, da schlafen dann alle zusammen auf dem Boden. Und auch Familien mit Bett schlafen im Hochsommer (wegen der Hitze) und im Winter (wegen der Kälte - es gibt Heizteppiche auf denen die ganze Familie schläft) zusammen auf dem Boden. Die Handhabung des Babies ist Sache der ganzen Familie. Insbesondere direkt nach der Geburt wird einem alles abgenommen, denn es wird davon ausgegangen, dass die Mutter den ersten Monat zu schwach ist, sich um das Kind zu kümmern. Ich fand gewöhnungsbedürftig dass man das Neugeborene anfangs nur sporadisch bei sich haben darf und war froh, rasch wieder nach Hause zu dürfen und mich selbst um sie zu kümmern. Aber eigentlich gehen die meisten nach einer Woche im Krankenhaus erst einmal für 4-6 Wochen in eine Art Mutterkurhaus, in dem einem wirklich alles abgenommen wird und man keinen Finger zu krümmen braucht. Nach einem Jahr gehen die Mütter wieder arbeiten, und stillen ihre Kinder ab (ich kannte keine, die nicht ein Jahr gestillt hat, und es gibt auch in jedem Supermarkt Stillzimmer). Etwa um den Zeitpunkt herum kommen sie dann auch ins eigene Zimmer, aber dürfen nach wie vor ins elterliche Bett, wenn sie wollen - wenigstens bei unseren Bekannten. Meine Schwester wohnt in China (Süden), ihre beiden sind dort geboren. In ihrer Stadt stillt KEINER und ihre Bekannten sind alle nach zwei Wochen wieder arbeiten gegangen. Jede Familie, auch die Ärmeren, haben eine Nanny, die sich um alles kümmert, oft Kinderbetreuung, Köchin und Haushaltshilfe in einem. Von der werden sie ins Bett gebracht, und sie ist natürlich auch schuld wenn sie nicht ruhig sind. Inzwischen leben wir in Japan, ehrlich gesagt keine Ahnung wie es hier läuft - es waren nur alle Kollegen überrascht, dass unsere Jüngste, damals 1.5 Jahre alt, mich noch küssen und umarmen darf: dafür sei doch langsam zu alt? Als ich ihnen erzählte, dass selbst meine Große, bald 12, mich noch umarmt und mir einen Kuss auf die Wange drückt, sind sie echt vom Glauben abgefallen Ich nehme also an, dass grundsätzlich recht früh Abstand gehalten wird. Andererseits schliefen früher auch die Japaner traditionellerweise auf dem Boden, vermutlich waren damals die Babies mit in den Frauenräumen? Ich werde bei Gelegenheit mal fragen, wie es hier heute so gehandhabt wird - allerdings sind die Kinder meiner Kolleginnen alle schon erwachsen, und 2020 wird vieles anders laufen als in den späten 90ern oder noch früher...

von Korya am 26.04.2020, 17:55



Antwort auf Beitrag von Korya

Ich glaube ja, dass (Ein) Schlafprobleme oft mit dem Stress der Mutter zu tun haben. Bin ich Nanny und werde dafür bezahlt, das Kindchen zum schlafen zu bringen, dann trage ich es halt herum bis es schläft. Da muss ich aber auch selbst nicht dem Göttergatten das Abendbrot richten oder unterhalten, noch an sonstiges denken. Meine Nanny hat sogar geputzt und gekocht. Das müssen die chinesischen Nannys eigentlich nicht, dafür ist eine andere Haushaltshilfe da. Die westliche Frau will aber alles selbst machen und dabei noch unter enormen Leistungsdruck (das Kind soll sich gefälligst selbst abstillen, sonst erleidet es einen Schaden etc). Wie soll man da ein Kind ruhig bekommen?

von Astrid18 am 27.04.2020, 16:45



Antwort auf Beitrag von Babsi83W

Aus Lateinamerika kenne ich es so, dass sich die gesamte Großfamilie um die Babys. von Anfang an. Irgendjemand, ob oma, onkel, Cousin, Geschwister, die Nachbarn, trägt das Kind eben rum, wenn es nörgelig ist. Das Kind wird ständig herum gereicht, gestillt wurde irgendwie zwischendurch. Aber auch meistens nur bis ca. 1 Jahr, wenn überhaupt. man war froh, wenn das Kind feste Nahrung nahm. Flasche wurde unterschiedlich gehandhabt. Wurde grundsätzlich sehr gern gegeben, aber milchpulver war oft mangelware. Teils kam dann anderes Zeug rein, kuh oder ziegenmilch, angedickt. Oft übernahm auch die Oma oder Tante den Großteil der Erziehung und die teils noch sehr jungen Mütter genossen weiter ihre Jugend. Die Kinder schliefen anfangs tagsüber auf Familienmitgliedern, nachts im oder am Bett der Mütter. Wenn Kinderzimmer vorhanden waren, kamen sie mit 3 oder 4 Jahren dort in ein Bett. Es gab frühzeitig töpfchentraining, weil wegwerfwindeln entweder teuer waren oder stoffwindeln anstrengend. Grundsätzlich waren die Kleinkinder Prinz und Prinzessin, andererseits mussten sie, je älter sie wurden, auch besser hören. Ohrfeigen oder ein Schlag mit dem Schuh sind nicht ungewöhnlich. Die Jungs wurden auch später noch verwöhnt und betüdelt, die Mädchen relativ zeitig dazu erzogen, sich nützlich zu machen.

von Schnegge89 am 02.05.2020, 18:53