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Mehrsprachigkeit bei geistiger Behinderung

Thema: Mehrsprachigkeit bei geistiger Behinderung

Ich hatte letzte eine Diskussion mit einer Bekannten, deren Sohn ein Down-Syndrom hat. Sie meinte, sie wolle ihren Sohn nicht mit Zweisprachigkeit überfordern, weil er ja eh geistige Probleme habe. Ich denke, auch solche Kinder können 2 Sprachen lernen, fremdsprachige Kinder mit geistiger Behinderung lernen ja auch ihre Landessprache.. Eine Bekannte, Lehrerin für geistig behinderte Kinder, erzählte von einem Kind das auch zweisprachig aufwächst und französisch deutlich besser könne als sie. Sicherlich lernen Menschen mit geistigen Behinderungen auch die Muttersprache häufig nur auf einem geringerem Niveau, aber wieso sollen sie nicht noch die 2. Sprache mitgeliefert bekommen. Das ältere Kind der Bekannten ist auch zweisprachig, dann lernt das jüngere Kind halt 2 Sprachen auf geringerem Niveau, oder wie sehr ihr das, hat jemand damit eigene Erfahrungen gemacht. Ich will diese Bekannte jetzt nicht "überreden" mit ihrem kranken Kind in ihrer Muttersprache (rumänisch) zu sprechen, aber es interessiert mich einfach und vielleicht kann ich ihr ja Argumente dafür nennen, mit dem Großen spricht sie ja auch rumänisch. Mit dem Kleinen spricht sie aber aus Angst vor Überforderung nur deutsch. Bitte einfach mal um eure Meinungen.

von efuma am 30.11.2010, 11:53



Antwort auf Beitrag von efuma

Ich wuerde es wahrscheinlich von der Schwere der Behinderung abhaengig machen, die auch bei DS sehr unterschiedlich sein kann und ob mein Bauchgefuehl mir sagt, dass es fuer das Kind ein Problem sein koennte oder nicht. Generell wuerde ich jedoch versuchen, das Kind nicht von der Mehrsprachigkeit zuhause auszuschliessen, denn das koennte ganz eigene Probleme generieren.

von Pamo am 30.11.2010, 16:28



Antwort auf Beitrag von Pamo

Hej! Direkt Erfahrung habe ich damit nicht, aber neben den Anmerkungen meiner Vorshreoberin kann ich nur das Beispiel der zu früh geborenen und daurch allgemein in der Entwcklung verlangsamten Zwillinge anführen, deren Mutter sie auch nicht zweisprachig aufwachsen lasste. Die Frau wollte aber nicht die Umgebungssprache mit ihren Kindern sprechen, gerade diese Kinder brauchten ja noch soviel Liebe und Zuwendu,g und die kam bei ihr eben nur in ihrer Muttersprache richtig rüber. Die Kinder haben deutlich langsamer gelernt und aufgeholt --- aber das hätten sie auch sonst getan, sie waren eben sehr früh geboren und dazu Zwillinge, jetzt sind sie zweisprachig, altersgerecht, so weit ich weiß. Vieles geht, was die sog. Fachleute bezweifeln. Kinder mit DownSyndrom können sehr viel lernen - wieso nicht auch 2 Muttersprachen? Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 30.11.2010, 17:42



Antwort auf Beitrag von efuma

Hallo und Hoi, unser Sohn (6 Jahre) ist Autist und hinkt mit seiner Entwicklung 'normalen' Kindern leider in vieler Hinsicht hinterher. Es ist eben so, daß man, wenn ein Kind Defizite hat, Prioritäten setzt. Ich kenne mich jetzt mit dem Down-Syndrom nicht wirklich aus (obwohl mehrere betroffene Kinder im gleichen Schwimmkurs wie mein Sohn sind). Aber WIR waren halt froh, daß unser Sohn mit 2 1/2 Jahren endlich ANFING, zu sprechen. Dies so schlecht, daß wir schnell beschlossen haben, statt drei nur noch eine Sprache (seine damalige Umgebungssprache) mit ihm zu sprechen. Diese spricht er nun perfekt, englisch (vom Vater) und deutsch (von mir) eher holperig. Es fängt ihm aber nun an, Spaß zu machen, die anderen Sprachen zu sprechen. Das fördern wir natürlich auch, aber es gibt eben Dinge, die wichtiger sind. Seine Motorik z.B., seine Probleme damit, einfache Dinge zu begreifen. Wenn man ein (geistig) behindertes Kind hat, freut man sich über jeden kleinen Fortschritt, den es macht. Dinge, die für 'normale' Kinder nichts besonderes sind. Fahrradfahren, sich selbst an- und ausziehen, irgendwie ein wenig selbständig sein. Da treten Dinge wie mehrsprachige Erziehung, sofern nicht unbedingt notwendig, einfach in den Hintergrund. Du hast nicht geschrieben, wie alt der Sohn Deiner Bekannten ist, aber ich bin sicher, daß auch er irgendwann mal rumänische Wörter aufschnappen wird. Ach ja, ich mag es übrigens gar nicht, wenn man geistig behinderte Kinder/Menschen oder Kinder/Menschen mit irgendwelchem Syndrom als 'krank' bezeichnet. Mein Sohn ist Autist, aber kerngesund! Sie sind nicht krank, sondern nur anders. Wunderschön... anders! LG Kerstin

von jake94 am 30.11.2010, 18:29



Antwort auf Beitrag von jake94

Was die Bezeichnung der Menschen betrifft, gebe ich dir völlig recht, ich habe auch lange überlegt, wie ich den Sohn (jetzt knapp 2) meiner Bekannten bezeichnen soll, im Allgemeinen verwenden wir hier im Umfeld den Begriff "Menschen mit Handicaps", ich finde, das bezeichnet aber auch schon wieder, dass diese Menschen anders sind und z.T. auch eingeschränkt. Aber den Begriff "anders" finde ich gut, werde ich so übernehmen, und selbstverständlich ist es nicht negativ gemeint, ich denke, dass hast du auch so verstanden. Aber die Beispiele hier zeigen, dass auch von Kindern, die sich deutlich langsamer entwickeln, mehrere Sprachen gelernt werden können, mehr wollte ich eigentlich gar nicht wissen. Vielen Dank für eure Meinungen und Tipps, mal sehen, wie sich die Sache dort entwickelt, insgesamt macht der Sohn meiner Bekannten einen recht regen Eindruck und ist nur wenig in der Entwicklung zurück, da habe ich durchaus schon härtere Fälle gesehen. An alle, die jetzt in wärmeren Gefilden und nicht im saukalten Deutschland sitzen, ich beneide euch, aber der Winter hier hat auch seine schönen Seiten.

von efuma am 01.12.2010, 11:21



Antwort auf Beitrag von efuma

Hallo nochmal, nein, ich hatte das auch nicht negativ aufgefasst . Außer 'anders' könntest Du auch das Wort 'besonders' benutzen. Finde ich persönlich auch sehr schön. LG Kerstin

von jake94 am 01.12.2010, 16:41



Antwort auf Beitrag von jake94

Ja, da ist auch schön, im Englischen stösst man auch immer wieder auf den Begriff 'Special needs', ich würde das irgendwie übersetzen mit 'besondere Notwendigkeiten', irgendwie faellt mir da kein schönes deutsches Wort ein (waer vielleicht mal was für die englischsprachigen hier), jedenfall klingt das in meinen Ohren ganz schön.

von efuma am 01.12.2010, 21:13



Antwort auf Beitrag von efuma

Needs = Bedürfnisse. Habe heute meinen Klugscheißer-Tag . LG Kerstin

von jake94 am 01.12.2010, 21:38



Antwort auf Beitrag von jake94

Ja, manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, klingt doch aber nett, besondere Bedürfnisse..

von efuma am 02.12.2010, 10:27



Antwort auf Beitrag von efuma

Hi Efuma, ich habe einen Bekannten, mittlerweile Mitte 40, mit Down-Syndrom und perfekt zweisprachig ist.Seine Eltern waren über 40 als er geboren wurden und sprachen als "Gastarbeiter" in D nur wenig deutsch. Sie haben einfach in ihrer Muttersprache mit ihm gesprochen und deutsch hat er als Umgebungssprache gelernt. Er kann perfekt trennen, mit wem er welche Sprache spricht. Ich denke, da gilt das Gleiche wie bei allen zweisprachigen Kindern, im Rahmen ihrer sprachlichen Entwicklung hat jedes Kind sein individuelles Lerntempo, meist unabhängig von der zweiten Sprache. Und bei Kindern mit Eltern aus unterschiedlichen Sprachräumen, finde ich es immer schade, wenn man ihnen durch Einsprachigkeit die Beziehung zu einem Teil der Familie, Herkunft und Kultur erschwert. Und gerade besondere Kinder, brauchen so viel Halt wie möglich, die Sprache ist dafür sehr wichtig.

von Amayala am 02.12.2010, 22:15