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Dialekt

Thema: Dialekt

Hallo zusammen, mein Mann und ich sprechen Dialekt. Ich wollte gerne, dass mein Kind ebenfalls Dialekt lernt und wir sprechen mit ihr Dialekt. Allerdings lesen wir sehr viel und fast alle Bücher sind Hochdeutsch, ebenso Hörspiele und Lieder. Im Umfeld wird auch sehr überwiegend Hochdeutsch gesprochen. Nun ist meine Tochter 5 Jahre alt und spricht Hochdeutsch mit ein wenig Dialekt-Beimengungen. Außerdem ist sie anderen Menschen (auch Kindern) gegenüber sehr schüchtern und ich habe gelesen, dass dies auch dadurch kommen könnte, dass in der Familie Dialekt gesprochen wird. Meine Fragen: Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? Kann ich meinem Kind noch Dialektsprechen beibringen und wie? Und was kann ich tun, dass sie anderen gegenüber nicht so schüchtern ist? Vielen Dank für Eure Gedanken.

von marienkäfer15 am 22.01.2021, 00:57



Antwort auf Beitrag von marienkäfer15

Hallo, das ist mal eine interessante Frage! Was die Schüchternheit angeht - wenn sie selber den Dialekt kaum spricht (nur mit wenigen Beimengungen), ist der Dialekt eher weniger die "Ursache" - sowas ist eher Veranlagung. Es gibt bestimmt viele Leute, die Euch da einen guten Rat geben können, wie ihr sie da unterstützen könnt - ich selber habe zwei Jungs, die sind alles, aber bestimmt nicht schüchtern (obwohl sie z. B. in der Drittsprache eher "schwach" sind, haben sie kein Problem, in dieser zu sprechen und lassen sich problemlos korrigieren...) - also dazu kann ich aus eigener Erfahrung leider nichts beitragen. Was den Dialekt angeht - ich denke, ihr macht das genau richtig - ihr sprecht mit ihr so und nur so kann sie es lernen. Ich finde auch gut, dass ihr Bücher in "Hochdeutsch" vorlest, so lernt sie von klein auf, dass es verschiedene Varietäten gibt und diese in verschiedenen Situationen ihren Platz haben. Ich würde nicht weiter darauf drängen, dass sie anders spricht - lasst ihr die Wahl, zu sprechen, wie sie sich am wohlsten fühlt. Sprache ist immer in Bewegung, so wie wir Sprecher uns immer weiterentwickeln - jede Generation ist anders, braucht auch neue Wörter, andere braucht sie nicht mehr so viel...und auch die Grammatik passt sich den veränderten Gegebenheiten nach und nach an. Und genau wie sich "Hochdeutsch" - trotz der schriftlich fixierten Regeln und Wörterbücher - mit jeder Generation ein bisschen verändert (und die Verlage wieder eine überarbeitete Grammatik herausbringen), so tun das auch Dialekte, nur viel dynamischer. Es stimmt, dass viele auch den Dialekt ganz "ablegen", aber ich würde solche Veränderungen nicht zu verbissen als "Verlust" betrachten, sondern als Folge von mehr Mobilität und mehr Kontakt mit anderen Sprechern. Wichtig ist, dass ihr es so weitergebt, dass sie Euch und die Grosseltern versteht und so auch jederzeit die Chance hat, sich mit ihren Dialekt-wurzeln positiv auseinanderzusetzen. Also auch im Bezug auf ihr Selbstbewusstsein: Ihr schämt Euch nicht für den Dialekt und zeigt ihr jeden Tag, dass er wertvoll ist und schön, indem ihr so sprecht - das ist richtig. Aber ihr wertet auch die Art, wie sie spricht, nicht - das ist genauso wichtig für die Entwicklung einer positiven Beziehung. Sie muss ja auch in ihrer Generation kommunizieren - mit Altersgenossen - und da muss sie ein stück weit ihren eigenen Weg finden - im Austausch mit den anderen Kindern. Ansonsten - je nachdem, welchen Dialekt ihr sprecht - gibt es ja durchaus auch Literatur in Dialekt geschrieben, also Bayrisch auf jeden Fall. Da kann man ja auch mal ein bisschen recherchieren. Oder z. b. bei Jim Knopf von der Augsburger Puppenkiste - da wird die Suchmeldung auch in verschiedenen Dialekten verlesen (neben Englisch und Deutsch, wenn ich nicht irre). Alles Gute! K

von Kacenka am 22.01.2021, 09:15



Antwort auf Beitrag von marienkäfer15

Hej! ich kann mich Kacenka nur anschließen - sprecht Ihr weiter Dialekt und überlaßt dem Kind, was antwortet,w ie es antwortet. Nichts anderes können wir ja auch mit unseren Nicht-Umgebungssprachen, udn auch wir sind dan noftdie einzigen, die im Ausland für unsere Sprache zuständig und verantwortlich sind, also möglichst viel Dialekt sprechen, wann immer es geht. Zur Schüchternheit.: Ich glaube auch eher,d aß dies eine Veranlagung ist - ich hatte eine äußerst schüchterne Tochter (anfangs hat die nicht mal mit wiederkehrenden Nachbarn gesprochen, so daß ich die Empfehlung bekam, doch Dänisch zu reden, das Kind könne ja nicht sprechen - irgendwann platzte bei Tochter der Knoten und sie riß die Nachbarin in einem Wasserfall von Worten mit,die war total fertig, als sie dann zu mir meinte: sie spricht ja doch --- ja klar, aber sie sucht sich selbst aus., mit wem und wann) Ebenso Musikschule - nicht mal ihren Namen hat sie gesagt, dabei war die Pädagogin dort äußerst einfühlsam und lieb. Aber sie beobachtete sehr genau, zuhause wurde alles genau gezeigt und nachgemacht. Berühmt ihr Ausspruch, als sie etwas älter war und im KIKA eine Sendung zum Thema Schüchternheit sah (nicht von mir lanciert ), wo die Kinder am Schluß aufgefordert wurden, bei Fragen anzurufen: "Würde ich ja gern, aber ich bn zu schüchtern." Heute ist sie eine junge Frau, die sich absolut durchgesetzt hat und durchsetzen kann und die auch schon in der Schule ihren Platz gefunden hat. Mach Dir keinen Kopf und gib Deinem Kind Zeit. Menschen sind verschieden, nicht alle sind Draufgänger und manchmal ist es sehr gut, ein Mensch zu sein, der vielleicht nicht unbedingt schüchtern, aber eben nachdenklich und abwartend reagiert und die Situation erstmal einschätzt und bewertet für sich und dann sich eine Vorgehensweise erstmal zurechtlegt statt spontan und unreflektiert losrennt und losredet. So eine habe ich auch - und glaube mir, die machte mir mehr Kopfschmerzen! Viel Glück weiterhin - und bleibt am Ball! Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 22.01.2021, 10:20



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Sehr spannende angelegenheit. Es gibt so viele theorien darüber, wann ein dialekt aufhört dialekt zu sein, wie es sprachwissenschafter gibt. Was man weiss ist: sprache(n) = identität(en). Ich persönlich lebe eine dyglossie plus fremdsprache = umgebungssprache, wenn ich unterwegs bin, und ich brauche beide, je nach bereich, situation, oder dem gegenüber, mit dem ich mich unterhalte. Also genau so wie der zweisprachige spracherweb in arealen organisiert ist, verhält es sich mit dem dialekt. Ich habe im dialekt wunderbare, ganz alte wörter, die ich im berufsalltag nicht verwenden würde, jedoch sehr gerne in der küche oder beim erzählen. Er ist das sahneschnittchen. Man kann ohne leben, aber es ist schöner mit. Mein kind spricht auch dialekt und hochsprache und switcht. Es kommt ihm im studium und beim jobben zugute, weil der dialekt je nach branche halt manchmal ein türöffner ist. Mach einfach weiter! Intuituitiv und wie euch der schnabel gewachsen ist. Ein dialekt ist ein spezielles geschenk. Viel spass!

von kunstflair am 22.01.2021, 20:27



Antwort auf Beitrag von marienkäfer15

Noch eine Idee, könnt ihr nicht auch die Hochdeutschen Bücher einfach im Dialekt lesen? Wir kamen, als die Kinder kleiner waren, kaum an deutsche Bücher, ich habe einfach alle Bücher in der Landessprache beim Vorlesen ins Deutsche simultan übersetzt. Bei einigen kam meine Tochter erst mit 7 oder 8 Jahren dahinter, dass die Bücher ja gar nicht auf Deutsch geschrieben waren. Das könnte ich jetzt bei ihren Teenagerlektüren nicht mehr so ohne weiteres, aber bei den (Klein)kindbüchern ist das doch kein Problem.

von Korya am 23.01.2021, 10:16



Antwort auf Beitrag von marienkäfer15

Ich bin (wie ihr?) auch mit Dialekt aufgewachsen. Meine Eltern plus Umgebung haben in Dialekt mit mir gesprochen, Bücher und Co wurden in Hochdeutsch vorgelesen. Das ist auch wichtig. Im Prinzip ist ein Dialekt wie eine zweite Sprache, da hast du hier die Experten sitzen (zumindest auf Erfahrungsbasis). Dass euer Kind jetzt Hochdeutsch mit Dialekt-Einschlag und nicht vollständig Dialekt spricht, liegt am Umfeld, das ihr nur geringfügig beeinflussen könnt. An eurer Stelle würde ich es genau so wie bisher handhaben. Zuhause sprecht ihr weiter Dialekt und sie kann sich aussuchen wie sie antworten möchte. Ich switche selbst je nach Situation zwischen breitem Dialekt und Hochdeutsch, letzteres habe ich mir erst viel später im Leben angeeignet. Das funktioniert anders herum sicher genauso, die "Anlagen" dazu (sie hat es von klein auf gehört und benutzt die Aussprache teilweise ohnehin) habt ihr bereits bestmöglich mitgegeben. Ob jemand schüchtern ist oder nicht, ist eine weitgehend angeborene Charaktereigenschaft. Wobei man da trennen sollte, ob sie schüchtern im Sinne von ängstlich ist (das kann sie über die Zeit ablegen) oder introvertiert. Ist sie introvertiert, ist das Beste was du tun kannst, sie nicht (!) verändern zu wollen und ihr das Gefühl zu geben, etwas wäre falsch mit ihr. Introvertierte können genauso selbstbewusst werden wie Extrovertierte, dazu müssen sie aber lernen sich selbst zu akzeptieren. Und darin könnt ihr sie tatsächlich unterstützen.

von Ruto am 25.01.2021, 11:53



Antwort auf Beitrag von Ruto

Wir sprechen auch Dialekt. Sohn 1 spricht auch Dialekt. Sohn 2 (17) hat ganz lange Hochdeutsch gesprochen. Das kommt vielleicht davon dass er zwei Jahre in einen Sprachheilkindergarten und 4 Jahre in ein Förderzentrum zur Schule ging. Wir sprachen einfach weiterhin dialekt. Seit 2 Jahren folgt er einem Streamer mit unserem Dialekt auf Youtube. Und seitdem spricht er Dialekt. Yeah...

von Bosna am 31.01.2021, 12:35