Sehr geehrter Herr Dr. Busse,
mein Sohn ist 9 Jahre alt und geht in die 4. Klasse.
Ich bin mit ihm bei Therapeuten, seit er 3 1/2 Jahre alt ist - also seit fast 6 Jahren.
Die ganze Zeit hieß es AHDS weshalb er Medikinet bekommt. Wir waren dieses Jahr 2 Monate in Reha, auch wegen depressiver Episoden und Todessehnsucht seinerseits.
Letzte Woche wurde von einem Sonderpädagogen (der auf Hochbegabung speziealisiert ist) der HAWIK IV-Test gemacht. Ergebnis (in 2 von 4 Bereichen hat er sich mehr oder weniger verweigert): Gesamt-IQ von 127, im Breich Sprachverständis sogar ein IQ von 146. Für den "Tester" gilt mein Sohn als hochbegabt, da er mehr Potential sieht.
Heute hatte ich ein Gespräch mit seiner Lehrerin. Sie ist total genervt von seinem Verhalten:
Er steht mitten im Unterricht auf und läuft rum, stört andere z.B. beim Vortragen eines Gedichts, sucht ständig das Gespräch mit ihr, braucht sehr viel ihrer Aufmerksamkeit und Unterstützung usw.
Seine Leistungen in Deutsch sind eher mittelmäßig, da er sehr oberflächlich arbeitet, nicht genau liest, sich bei Aufsätzen zu kurz hält.
Schwierigere Aufgaben möchte sie ihm nicht geben, da sie noch mehr "Belagerung" von ihm befürchtet. Seine Klassenkameraden lehnen ihn ab, weshalb Gruppenarbeit nicht möglich ist.
Der "Tester" hatte mir empfohlen, ihn für den Hochbegabtenzug am Gymnasium anzumelden. Wäre ich Ende des letzten Schuljahres zu ihm gekommen, hätte er einen Sprung von Klasse 3 auf Klasse 5 vorgeschlagen.
Ich bin total verwirrt, da die Aussagen so stark differieren. Wie sind diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen zu erklären?
Wer kann mir am besten weiterhelfen?
Für mich paßt sein Verhalten nicht zu dem Testergebnis.
Oder kann wirklich Unterforderung dafür verantwortlich sein...?
Für Ihre Meinung vielen Dank vorab.
Gruß,
Kerstin
von
Desdi
am 11.10.2010, 20:00
Antwort auf:
Hochbegabung und total verunsichert :-(
Liebe D.,
es kann durchaus sein, dass hochbegabte Kinder aus "Unterforderung" so reagieren wie Ihr Sohn und Sie sollten das sehr ernst nehmen. Im Zweifelsfall sollte er von einem Kinder- und Jugendpsychiater ausführlich getestet werden.
Alles Gute!
von
Dr. med. Andreas Busse
am 12.10.2010
Antwort auf:
Hochbegabung und total verunsichert :-(
Liebe Kerstin!
Ich selbst habe (noch) keine Erfahrung mit einem hoch begabten Kind, aber mein Mann war eines und bitte lasse Dich zumindest nicht von der Tatsache täuschen, dass er sich in der Schule nicht gerade danach "verhält". Die Tatsache, dass er den anderen voraus ist, lässt ihm die Schule als langweilig und überflüssig erscheinen, weshalb er "stört". Er ist unterfordert, aber eben doch ein Kind.
Hochbegabung heißt nicht gleich, dass er sich auch "erwachsener" verhalten "muss".
Mein Mann selbst hält übringens nichts von diesen "Sonderklassen" für Hochbegabte. Was er unter anderem dringend gebraucht hätte, wäre das Verständnis seiner Eltern gewesen und das Erkennen und Respektieren seiner Hochbegabung durch die beiden.
Ach ja, mein Mann ist übringens ein Mathe-Ass und hatte in der Schule trotzdem "nur" eine 4!
Wie sich das genau erklärt, kann ich hier nicht kurz in Worte fassen, aber es ist bekannt, dass gerade Hochbegabte in der Schule oft sehr schlecht sind.
Nur ein paar kurze Gedanken zum Thema, die Dich vielleicht in die richtige Richtung bringen und wissen lassen, wie Du suchen und vorgehen solltest.
Gerne kannst Du mir eine PN schicken...
Viele Grüße
Andrea
von
aspira
am 11.10.2010, 21:07
Antwort auf:
Hochbegabung und total verunsichert :-(
Hallo Kerstin,
ich kann Deine Verunsicherung ganz gut verstehen und nachvollziehen. Meine Tochter ist ebenfalls - nachgewiesen - hochbegabt. Sie ist jetzt mit 5 Jahren eingeschult worden und bislang läuft alles ganz ordentlich. Bis auf die Tatsache, dass sie selbst äußert, dass es "langweilig" in der Schule sei. Klar, sie möchte Lesen, Schreiben und Rechnen und z. B. nicht erst ewig Buchstaben schreiben, die sie schon kennt. Das aber nur am Rande.
Was ich sagen möchte...
Gerade bei Hochbegabung darf man niemals vergessen, dass die Kinder letztlich immer Kinder sind und mit ihren Empfindungen - in Eurem Fall - auf dem Stand eines 9-Jährigen sind. Außerdem wichtig: Hochbegabung heißt nicht zwangsläufig, dass das Kind in allen Bereichen hochbegabt ist. Es gibt Tendenzen. Für die Eltern, die ihr Kind am besten kennen, werden diese Bereiche oft schon recht bald sichtbar.
Erschreckend finde ich, dass Ihr offenbar ein hochbegabtes Kind habt, dass bisher - wie leider so oft - mit ADHS "abgestempelt" wurde.
Ich wünsche Euch, dass Ihr Euren Weg findet....
Alles Gute und liebe Grüße,
Mamae2004+2010
von
Mamae2004+2010
am 11.10.2010, 21:21