Rechtsgrundlage für Verweigerung von Wehenhemmern?

 Nicola Bader Frage an Nicola Bader Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht

Frage: Rechtsgrundlage für Verweigerung von Wehenhemmern?

Sehr geehrte Frau Bader, Herr Dr. Bluni meinte, Sie könnten mir evtl. etwas zur Bewertung der Situation sagen, wie ich sie erlebt habe. Mir ist die Rechtsgrundlage völlig unklar, auf der sich die Ärzte bewegen. Letztlich wurde eine alternativlose Behandlung für ein vom Tod bedrohtes Ungeborenes verweigert. In der 22. SSW wurde ich mit massiven Unterleibsschmerzen und -krämpfen als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert. Sowohl für die Ärzte als auch für uns als Eltern stellte sich die Situation als drohende Frühgeburt dar. Der Notarzt ließ die Sanitäter mir zuhaus ein Spray geben, das wehenhemmend war. Es brachte zumindest so weit Besserung, dass ich vom Boden auf die Trage mit Unterstützung aufstehen konnte. Im Krankenhaus bat ich aus Angst um den Fötus um mehr Wehenhemmer. Der Arzt meinte daraufhin, Wehenhemmer würden sie in der 22. SSW nicht geben, da das Baby nicht lebensfähig sei. Für mich in dem Moment völlig unlogisch, denn ein lebensfähiges Baby bräuchte man nicht im Bauch zu halten. Der zweite Arzt meinte, man könne ja nicht wochenlang Wehenhemmer geben. Für mich ebenfalls unverständlich, da für mich ja erst mal nur die Situation unterbrochen werden sollte und ich nie auf die Idee gekommen wäre, dass das wochenlang anhalten würde. So oder so hätte ich es selbstverständlich zuerst mit Wehenhemmern versucht, eine Fehlgeburt aufzuhalten. Ich war völlig verängstigt und geschockt, bat meinen Mann, einen Anwalt einzuschalten, war in Panik, den bis dahin völlig gesunden Fötus zu verlieren. Was das Krankenhauspersonal dazu bewog, alles zu versuchen, mich zu beschwichtigen und die Einschaltung eines Anwalts zu unterbinden. Nachdem die akute Situation abgeklungen war, versuchte die dritte Ärztin mir das so zu erklären: 1. Würde bei Föten, die von manchen Kliniken in diesem Alter gerettet würden, (bzw. als Frühgeburt überlebten) das Alter bzw. der ET falsch berechnet worden sein, die Föten in Wirklichkeit schon älter gewesen seien. Was mir die Frage aufwirft, wenn nun mein Baby von Anfang an zu jung geschätzt wurde, hätte es deswegen sterben müssen?? Man kann sich ja auch in die andere Richtung irren! 2. Würden solche Föten, die man in dieser Woche retten würde, ja wahrscheinlich behindert sein. Diese Aussage stößt mich am meisten vor den Kopf. Meines Wissens existiert in Deutschland keine Gesetzeslage zur Verhinderung behinderten Lebens! Selbst Abtreibungen aufgrund Behinderung werden ja offiziell nur aufgrund psychischer Belastung der Mutter durchgeführt. Wie können die Krankenhausärzte entscheiden, ob es sich lohnt, mein Kind zu retten oder ob es zu wahrscheinlich ist, dass es mit seiner Behinderung die Gesellschaft belastet ?? Verdichtet lautet meine Frage: Aufgrund welcher Grundlage dürfen Ärzte in der 22. bzw. 23. SSW Wehenhemmer verweigern, sogar gegen den Wunsch der Eltern? Ist das rechtlich wirklich zulässig? Hat das Ungeborene nicht schon längst das Recht auf Schutz des Lebens, ist ein vollwertiger Patient? Entschuldigen Sie die Länge der Schilderung. Ich bekomme das alles nicht in Übereinstimmung mit meinem Rechtsverständnis und frage mich, in welchem Sonderraum Ärzte agieren. Danke für Ihre Mühe. Esmeralda

von Esmeralda am 05.09.2018, 15:44



Antwort auf: Rechtsgrundlage für Verweigerung von Wehenhemmern?

Hallo, Colliens Beitrag ist auch mein Wissensstand. Lesen Sie noch mal hier: https://www.aerzteblatt.de/archiv/136012/Drohende-Fruehgeburt Liebe Grüße NB

von Nicola Bader, Rechtsanwältin am 06.09.2018



Antwort auf: Rechtsgrundlage für Verweigerung von Wehenhemmern?

Hallo! rein rechtlich wirst du sicher hier noch beraten aber es gibt in Deutschland, wie auch in fast allen anderen Ländern eine Grenze, bei denen Ärzte entweder einschreiten oder machtlos daneben stehen. In Deutschland ist es die 24.SSW (alles aber 23+1) in Österreich fängt dieser Grenze sogar erst in der 26.SSW an (alles ab 25+1). Ein Arzt hat in Deutschland das Recht, eine Behandlung in dieser SS, also alles vor der 24.SSW, abzulehnen. Es gibt unzählige Kliniken in Deutschland, die das absolut so handhaben. Unsere Uniklinik nimmt erst Schwangere Frauen in den Kreissaal auf, die in der 23+1 SSW sind. Alle anderen Frauen, werden konservativ behandelt. Um das Wehenhemmer wirken, müssen die Rezeptoren in der Plazenta vorhanden sein, diese bilden sich erst ab der 23.SSW aus - gelegentlich auch eher. Das Gestationsalter wird nur anhand der letzen Periode und anhand der Ultraschallbilder ermittelt, etwas anderes zählt nicht, außer das Kind ist künstlich entstanden und das tatsächliche Alter steht fest. Wehenhemmer habe ich mehrere Monate im Krankenhaus bekommen, um die SS bis in die 34.SSW zu retten. Wehen hatte ich seit der 19.SSW und wurde bis zur 23.SSW (22+) nur konservativ mit Magnesium und Bettruhe versorgt. Erst ab der 22+ SSW bin ich auf die Geburtshilfliche Station zur Tokolyse gekommen und es wurde alles für mein Kind getan. Entscheident ist in Deutschland, tatsächlich das Krankenhaus, in das man eingeliefert wird... Ich wünsche euch von Herzen alles Gute!

von Colien07022004 am 05.09.2018, 16:05



Antwort auf: Rechtsgrundlage für Verweigerung von Wehenhemmern?

Darf man hier etwas verlinken? Bin mir nicht sicher, ich schicke es dir gerne per PN, du findest mich über die Suchfunktion, im RUB, im Reisen, im Baby und Job im 3 und mehr oder in den Partnerforen. LG

von momworking am 05.09.2018, 19:07



Antwort auf: Rechtsgrundlage für Verweigerung von Wehenhemmern?

Das war sicher eine sehr schwere und erschreckende Situation. Rechtlich kann ich dazu nichts sagen und ich könnte mir gut vorstellen, dass du eine eindeutige Klärung deines Falles nur vor Gericht erfahren wirst. Aber eine ganz andere Frage: ist dein bzw. euer Kind denn nun bereits auf der Welt? Ist alles doch noch gut verlaufen und ihr habt ein gesundes Kind?

von cube am 06.09.2018, 08:55



Antwort auf: Rechtsgrundlage für Verweigerung von Wehenhemmern?

Hallo Frau Bader, sowohl Colliens Beitrag als auch der Artikel im Ärzteblatt umreißen leider nur Details dessen, was angeblich zulässig ist. Aber worauf sich das gründet, welches Gesetz o.ä, dazu bin ich leider genauso schlau wie vorher. :( Ich verstehe gar nicht, dass das so schwer herauszubekommen ist. Und eigentlich auch nicht, dass z.B. Herr Dr. Bluni das nicht wusste, da er doch in der Praxis solche Entscheidungen treffen musste und anscheinend auch ihm nicht klar ist, worauf das rechtlich fußt. Wahrscheinlich tun viele Ärzte einfach das, was die Kollegen auch tun und fühlen sich so sicher genug? Die Intransparenz finde ich fast schon so beunruhigend wie die Situation an sich.

von Esmeralda am 07.09.2018, 00:02



Antwort auf: Rechtsgrundlage für Verweigerung von Wehenhemmern?

Hallo Colien. Ganz vielen Dank für deine Mühe. So ähnliche Details über die SSW-Grenzen kann man bei etwas Recherche ja durchaus finden. Aber woher haben Ärzte dieses Recht, auf welchem Gesetz fußt das? Das interessiert mich. Dass Kliniken das so handhaben, ist klar. Aber auch, dass einige das anders handhaben und dass die Ärzte nicht gegen ihren Wunsch machtlos daneben stehen müssen. Ist es etwa tatsächlich so, dass Ärzte im rechtsfreien Raum grundsätzlich tun, worauf sie sich in ihrem eigenen Kollegenkreis verständigt haben und sich höchstens im Nachhinein durch anderslautende Urteile bremsen lassen?? Ich hatte schon seltsame Diskussionen, als es darum ging, mir das Geschlecht des Babys vor einer bestimmen SSW zu sagen. Jede MTA und jeder Arzt sagte mir etwas anderes und ich habe da auch definitiv Falschaussagen bekommen, z.B. dass das im Gendiagnostikgesetz so stünde, was einfach nicht wahr ist. Ich danke dir für die guten Wünsche. Das Baby lebt aktuell, ist noch ungeboren! Vielen Dank auch für deinen Erfahrungsbericht. Ich hoffe, dir und deinem Kind geht es gut. < 3

von Esmeralda am 07.09.2018, 00:08



Antwort auf: Rechtsgrundlage für Verweigerung von Wehenhemmern?

Da ich weiß, wie man mitfiebert, wenn in Foren Schicksale geschildert werden, beantworte ich dir gern deine Frage. :) Das Kind ist noch nicht auf der Welt, aber nach allem derzeit messbaren gesund und gut versorgt. Ich fühle mich allerdings im Ärzte- und Krankenhausbetrieb nicht mehr sicher und fürchte die Geburt und weitere "Überraschungen". :(

von Esmeralda am 07.09.2018, 00:10