Hallo Dr. Posth,
meine Tochter hat sich wohl in die berühmte Trotzphase begeben. Sie ist 20 Monate alt und weiß auch schon sehr genau, welche Dinge sie darf und welche nicht.
Manchmal ist es so, dass sie ganz bewusst die Dinge ansteuert, die sie nicht darf (momentan ist es ein großer Blumentopf den sie mit beiden Händen entleert). Ziehe ich sie dort weg folgt ein lautes Kreischen, bis das Trommelfell platzt.
Das gleiche kommt vor, wenn wir unterwegs sind: sie will aus dem Kinderwagen, dann läuft sie ein bisschen und will dann aber auf den Arm. Kind auf dem Arm und Kinderwagen einhändig ist aber schwer und mühselig. Wenn man sie dann aber wieder in den Wagen setzt, geht die Sirene los.
Wie verhalte ich mich hier nun richtig?
Ist es dann der richtige Weg, das Kind zB. nach den Blumentopfgeschichten einfach ins Kinderzimmer zu setzten mit den Worten "Wenn du dich wieder beruhigt hast, kannst du wieder rauskommen"? Und die Kinderwagenbrüllerei stur ignorieren? Im Prinzip demonstriere ich hier doch immer nur die Macht des Stärkeren.
Ich denke mir auch immer, dass da eine Not hintersteckt, wenn die Kinder sich so verhalten. Langeweile? Unterwegs kann ich aber eher schlecht die halbe Spielausrüstung mitnehmen. Und leider muss der Einkauf auch mal schnell gehen.
Vielen Dank für ihre Antwort.
Gruß
Moni
Mitglied inaktiv - 10.03.2003, 10:46
Antwort auf:
Wie dem Trotz sinnvoll begegnen?
Liebe Moni, hier in meinem Forum gibt es schon viele Antworten zu diesem Thema. Bitte mal im Suchlauf unter Trotz, Trotzen, Wille, etc. nachschauen.
Der Trotz ist das -sagen wir- heftige Aufflammen des Willens im Menschen. Der frühe Wille ist schwer steuerbar und unterliegt z.T. noch den Gefühlen des Zwangs. Jedem Widerstand von irgendwoher wird zur Willensdurchsetzung grundsätzlich erst einmal getrotzt. Der meiste Widerstand kommt natürlich von den erziehungsberechtigten Eltern. Ergo wird diesen getrotzt.
Dieses Prinzip führt dazu, daß automatisch erste Regeln im Leben das Menschen aufgestellt und tatsächlich auch erlebt werden. Die Regeln müssen dem Kind erkennbar und erfahrbar gemacht werden. D.h. der Trotz ist der Anlaß, zum ersten Mal Erziehung einzusetzen (nicht früher! also ca. eineinhalb bis zwei Jahre). Jetzt besitzt das Kind ein gewisses Maß an begrifflicher und logischer Vorstellungskraft, um zu verstehen, was Sie von ihm wollen.
Sie verbinden also eine einfach gestaltete Erklärung mit einer Konsequenz. Das kann alles ganz liebevoll geschehen. Sie wählen natürlich auch die Vermeidungsstrategie, um sich ständig wiederholende Konflikte von vornherein auszuschalten. (s. Antwort Jenny). Darüber hinaus haben Sie folgende Erziehungsmöglichkeiten, die alle in aufsteigender Reihenfolge bei ungestörter Sozialentwicklung des Kindes durchaus wirksam sind. Erstens das "Drohen". Das macht man mit Mimik und Stimme, aber in sanfter, wenngleich eindeutig und entschiedener Form. Danach folgt das Schimpfen, das je nach eigenem Temperament unterschiedlich ausfallen wird. Das Schimpfen wird man u.U. mit dem Entfernen des zu schützenden Gegenstandes (oder verbotenen Gegenstandes) verbinden müssen. Schimpft jetzt das Kind, ist es sein gutes Recht, aber es soll nicht zur Umkehr der eigenen Handlungsweise führen (Konsequenz).
Als letztes Mittel dient die soziale Trennung oder das, was neudeutsch als Auszeit bezeichnet werden kann. Dazu an anderer Stelle einmal mehr.
Vorboten sind alle Gewaltakte, auch das Schlagen auf die Finger, sowie alle demütigenden oder herabwürdigenden Beschimpfungen.
Ich hoffe, dieser Kurzkurzexkurs in die Pädagogik der frühen Kindheit hilft Ihnen und auch anderen Müttern. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 12.03.2003
Antwort auf:
Wie dem Trotz sinnvoll begegnen?
Hallo Moni,
klingt bescheuert, aber wir haben das Problem mit dem Blumentopf so gelöst: Blumentopf auf den Balkon, Kind in alte Sachen: "So, dann buddel mal schön! HIER darfst du das, aber NUR HIER!!"
Seitdem war meine Tochter NIE mehr an den Blumentöpfen, jetzt weiss sie ja was drin ist (c: und die Sache hat ihren Reiz verloren. Eine Bekannte hat es ähnlich gemacht, ihre Tochter hat einen eigenen Blumenkasten zum buddeln im Garten und nutzt seitdem auch nur noch den.
Ich sage mir bei Wut- und Trotzanfällen immer "Nicht das Kind trotzt, sondern *es* trotzt das Kind!" Die wollen das ja eigentlich garnicht, es geht einfach mit denen durch - und das ärgert die noch viel mehr!!
Ich sage Emily meistens, dass ich ihre Wut verstehe, dass ich verstehe, dass sie nicht im Kinderkarren sitzen will! Aber, dass es im Moment einfach nicht anders geht, weil das Geschäft sonst zu macht o.ä.. Der Wutanfall wird dadurch nicht immer besser *g* aber zumindest hat das Kind eine Möglichkeit sich ernst genommen und verstanden zu fühlen (wenn es überhaupt aufnahmebereit ist, manchmal hören die dich in solchen Anfällen überhaupt nicht) und du als Mutter bleibst dadurch auch ruhiger!!
LG Jenny
Mitglied inaktiv - 10.03.2003, 11:27