Hallo Herr Dr. Posth,
unsere 2 Kinder (1 und 4) sind die einzigen in unserer Familie, mütterlicherseits + väterlicherseits. Dementsprechend werden sie von allen behandelt. Wenn wir Besuch haben sitzen alle auf dem Boden und spielen v.a. mit der Älteren. Sie machen alles was sie will, unsere Tochter wird dann auch entsprechend befehlend, was auch noch Tage danach anhält. Wenn wir beim Essen sitzen schauen alle unsere Kinder an, die dann übermütig Quatsch machen. "Normale" Erwachsenengespräche finden selten statt. Es dreht sich immer alles um die Kinder, die das natürlich genießen.
Kann diese Mittelpunktstellung irgendwelche Folgen haben, Narzissmus oder so? Unsere Tochter kann nicht mit anderen Kindern spielen, sie schaut nur zu oder hat Angst. Bei unserer Familie ist sie sehr befehlend. Sie ist es gewohnt, dass alle Erwachsenen nach ihrer Pfeife tanzen.
Viele Grüße nach NRW!
von
coasterin
am 10.12.2012, 09:08
Antwort auf:
Mittelpunktstellung in Familie
Hallo, mit Ihren Befürchtungen haben Sie nicht ganz unrecht. eine ständige Mittelpunktstellung in der Familie macht auch Kinder "eitel". Nun ist ihr Selbstbewusstsein noch nicht so stark, dass diese Eitelkeit gleich so starke soziale Folgen hat, aber in der Paarung mit einem positiv attributierten Selbstbild kann Hinblick auf späteres Sozialverhalten diese Eitelkeit unangenehm werden. In meiner Selbstkonzeption beschreibe ich diesen Zustand als "Grandiosität". Das Kind entwickelt eine falsche Überzeugung von sich selbst und will das überzogene Selbstbild überall auch hofiert sehen. Wird es ihm versagt, dann können leicht heftige Wutausbrüche erfolgen.
Am schwierigsten wird dieses Phänomen, wenn gleichzeitig ein eher schwaches und unausgewogenen Selbst zustande kommt und sich im tiefsten Wesen sogar Minderwertigkeitsgefühle einstellen. Dann ist der grandiose Anteil das einzige, was dieses Kind im Selbstbild hoch hält und stabilisert. Kommt es dann zur Kränkung durch Abwertung oder Zurückweisung, können die Wutausbrüche dramatische Züge annehmen (sog. narzisstische Wut).
In Ihrer Sitaution wäre es also angebracht, die lieben Verwandten ein bisschen zur Raison zu bringen und sie zu bitten, maßvoll und einfach natürlich auf die Selbstdarstellungen Ihrer Kinder zu reagieren. Abwerten sollen sie sie natürlich auch nicht, sondern sich nur wie souveräne Erwachsene zu verhalten. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 13.12.2012