Hallo Dr. Posth,
hoffentlich können Sie mir helfen, wie ich mit unserer grossen(5 1/2 J.) umgehen soll. Sie macht sich zur Zeit viele Gedanken und fragt alles bis ins Deteil nach. Es fing damit an: sie fragte uns,ob sie auch irgendwann sterben müsse und wir erklärten, dass jeder Mensch sterben muss. Aber das war für sie nicht das Schlimme, sie fragte , ob sie dann nie wieder leben wird. Wir haben es verneint, aber ihr als Gläubige erklärt dass uns etwas anderes erwartet. Aber sie pochte nur auf die Frage, ob sie nie wieder auf dieser Welt sein wird, mit mir als Mama...usw. Nach unserer Verneinung brach sie in Panik aus. Es war schlimm!Sie bekam Angstzustände.Aber sollen wir sie belügen, damit sie ruhig bleibt? Das passierte neulich wieder. Sie fragte mich, wie gross die Welt ist, ich sagte unendlich. Sie meinte, die Welt hört doch irgendwo auf. Ich wusste kaum noch Antworten, sie lässt sich aber auch nicht ablenken, fängt immer wieder an. Ich sagte, ok, vielleicht hört sie irgendwo auf, dass weiss keiner genau. Und sie fragte, was hinter dem aufgehörten sei, es gäbe kein Nichts. Mir fehlen häufig die Antworten. Sie versuchte es sich vorzustellen, die Unendlichkeit des Alls und brach kurz darauf wieder in Panik aus. Was soll ich nur machen, sie stellt uns häufig so schwierige Fragen und stochert immer tiefer und tiefer, und dann bekommt sie Angstzustände. Das macht sie wohl nun auch Abends im Bett, dann kommt sie angerannt, völlig aufgelöst und schreit : komme ich nie wieder? oder: die Welt muss doch irgendwo zu Ende sein. Sie bekommt manchmal kaum Luft und ist schweissgebadet. Es ist für uns zur Zeit sehr anstrengend, ich beruhige sie und lenke sie ab gebe ihr Schutz, drücke sie. Und wenn es wieder gut ist, geht sie und sagt: aber ich werde trotzdem für immer tot sein, nicht wahr? und dann gehts wieder los...was kann ich tun?
Simone (sorry das es so lang geworden ist)
Mitglied inaktiv - 23.02.2003, 21:10
Antwort auf:
5 1/2 jährige bekommt Panik
Liebe Simone, so um sechs bis sieben Jahre, häufig eher noch etwas später, kommen auch Kindern solche Fragen, wobei ein derart intensives Nachfragen sicher auf eine besondere Empfänglichkeit, ja Begabung schließen läßt. Vielleicht hat es ja einen Auslöser gegeben, z.B. einen Sterbefall in der Umgebung.
Sie sollten meines Erachtens die Fragen nicht ausweichend beantworten, sondern kindgerecht und verständlich. D.h. daß solche Begriffe wie das Nichts, Unendlichkeit des Alls oder nie mehr zurückkehren nach dem Tod gar nicht oder nur sehr geschickt verpackt vorkommen sollten. Am besten ist es, man läßt auch dem Kind immer ein Hintertürchen offen. Warum sagen Sie nicht: "wir alle glauben, daß es nach dem Tod ein Wiedersehen gibt", denn das ist christliches Dogma. Ob sie es wirklich glauben, oder ob es stimmt, ist ja nicht gefragt und steht auch gar nicht zur Debatte. Jeder Mensch muß im Laufe seines Lebens selbst entscheiden lernen, was zu glauben er bereit ist und was zu wissen er selbst überzeugt ist. Er wählt sich also aus, was er über diese Dinge denkt, und er wird nicht einfach mit einer Antwort konfrontiert, die er nicht kritisch überprüfen kann. Insoforn ist es auch schwierig, wie die Kirche zu Kindern spricht. Sie verkündet nämlich. Das sollten Sie als Eltern nicht tun. Sie müssen auch nicht unbedingt allwissend sein. Es genügt, wenn Sie sicher wirkend und überzeugend Ihrem Kind sagen, daß es Dinge gibt, die ein Mensch nicht einfach so beantworten kann. Verstehen Sie eigentlich die allgemeine Relativiätstheorie, die als einzige Theorie in der Lage ist, die Unendlichkeit des Alls zu erklären? Können Sie substanziell begreifen, daß es außen dem Sein auch ein Nichts gibt, welches als Nichtung des tatsächlichen Seins eigentlich das Sein erst zu dem macht, was wir an ihm erkennen?
Sie müssen sich in der nächsten zeit noch ganz oft an das Bett Ihrer Tochter setzen und die angefallendenen Fragen liebevoll mit ihr durchkauen. Wenn Ihre Tochter älter ist, können Sie ihr ja das Buch Sophies Welt schenken. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 26.02.2003