Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Wie genau geht das mit dem Stillen nach der Entbindung?

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

zur Vita

Frage: Wie genau geht das mit dem Stillen nach der Entbindung?

Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Hallo Ich möchte gerne mal wissen, wie das nach der Entbindung genau ist mit der Ernährung des Kindes. Zuerst werde ich doch noch keine richtige Milch haben und trotzdem soll man ja das Kind saugen lassen, womöglich schon im Kreissaal, wie ich gelesen habe. Meine Frage: Wenn da noch gar keine richtige Milch aus der Brust kommt und der Milcheinschuss auf sich warten lässt, wie bekommt dann das Kind genug? Geben ihm die Schwestern adaptierte Milch aus dem Fläschen? Oder Tee? Oder kann das Kind die ersten Tage ohne Nahrung auskommen? Angenommen es klappt nicht mit dem Stillen, keine Milch oder nur sehr wenig, muss man dann Flaschenmilch geben? Gewöhnt sich dann das Kind nicht zu schnell an die Flasche und trinkt erst recht nicht mehr von der Brust? Ueber eine Antwort von Ihnen wäre ich Ihnen sehr dankbar. Viele Grüsse Karin


Biggi Welter

Biggi Welter

Beitrag melden

? Liebe Karin, seit Anbeginn der Säugelebewesen genügt die Zufuhr der Muttermilch vom ersten Lebenstag an, um die Nachkommen gesund zu ernähren und es ist - von seltenen Ausnahmesituationen - keine andere Flüssigkeit oder Nahrung notwendig. Ihr Körper beginnt bereits in der Schwangerschaft mit der Bildung des Kolostrums (auch wenn kein Tropfen bis zur Geburt aus der Brust austritt). Das Kolostrum ist genau auf die Bedürfnisse des Neugeborenen abgestimmt und das Kind braucht sowohl von der Zusammensetzung als auch von der Menge her im Normalfall nichts anderes. Bedenken Sie, dass der Magen eines Neugeborenen gerade mal so groß wie ein Teebeutel ist. Ganz kurz kann man die wichtigsten Punkte für den Grundstein einer erfolgreichen Stillbeziehung auf die folgenden Schlagworte zusammenfassen: Bald stillen - oft stillen - uneingeschränkt stillen - keine Flüssigkeit oder andere Nahrung dazugeben außer bei medizinisch begründeten Fällen. Das Baby sollte so bald wie möglich nach der Geburt zum ersten Mal angelegt werden und dann jederzeit und ohne zeitliche Einschränkung an die Brust dürfen, wenn es das will. Bei eher schläfrigen Kindern oder Babys mit verstärkter Neugeborenengelbsucht muss die Mutter unter Umständen den Takt angeben und dafür sorgen, dass das Kind mindestens acht bis zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden an der Brust trinkt. Es ist gar nicht möglich eine Brust vollkommen „leer" zu trinken, denn die Brust einer stillenden Frau ist niemals wirklich leer. Der Hauptteil der Milch wird ohnehin während des Stillens gebildet- Tee, Glukoselösung oder Wasser sind überflüssig und vor allem bei einer eventuell verstärkten Neugeborenengelbsucht sogar kontraproduktiv. Das Bilirubin (der gelbe Farbstoff, der für die Gelbfärbung der Haut bei der Neugeborenengelbsucht verantwortlich ist) wird nur zu zwei Prozent über den Urin ausgeschieden, der Rest wird durch den Darm ausgeschieden. Daher ist es unsinnig, die Gelbsucht „ausschwemmen" zu wollen. Wichtig ist, dass der Darm mit Nahrung versorgt wird und die Verdauung angeregt wird, das Mekonium möglichst rasch ausgeschieden wird. Das Kolostrum, die wichtige erste Milch wirkt abführend und begünstigt damit die Ausscheidung des Bilirubins. Der Organismus eines Neugeborenen ist auf viele, kleine Mahlzeiten eingestellt. Kleine Mengen an Muttermilch sind also absolut richtig und in Ordnung. Wichtig ist, dass Ihr Baby ab dem zweiten, dritten Tag mindestens drei bis vier Darmentleerungen hat und ausreichend Urin ausscheidet. Eine Gewichtsabnahme von etwa sieben Prozent des Geburtsgewichtes innerhalb der ersten Tage ist normal, bis zehn Prozent sind bei einem ansonsten gesunden Kind tolerierbar. Spätestens mit drei Wochen sollte Ihr Baby sein Geburtsgewicht wieder erreicht haben. Es ist jedoch keinesfalls notwendig, ein gesundes, voll ausgetragenes Kind täglich oder gar nach jeder Mahlzeit zu wiegen. Ob Ihr Kind gedeiht, können Sie an folgenden Punkten ablesen: • mindestens fünf bis sechs nasse Wegwerfwindeln (um zu sehen wie nass „nass" ist, können Sie sechs Esslöffel Wasser auf eine trockene Windel geben). Diese Regel gilt aber nur für voll gestillte Kinder, das heißt das Baby bekommt nichts außer Muttermilch (kein Wasser, Tee, Saft usw.). • in den ersten sechs Wochen täglich mindestens zwei bis vier Stuhlentleerungen (später sind seltenere Darmentleerungen normal) • eine durchschnittliche wöchentliche Gewichtszunahme von mindestens 110 g pro Woche ausgehend vom niedrigsten Gewicht (mit zunehmendem Alter verringert sich die durchschnittliche Gewichtszunahme), • eine gute Hautfarbe und eine feste Haut, • Wachstum in die Länge und Zunahme des Kopfumfangs • ein aufmerksames und lebhaftes Verhalten des Babys in den Wachphasen. Sind diese Punkte alle erfüllt, dann gedeiht ihr Baby gut und bekommt auch die Milch, die es braucht. Milchbildungstee ist nicht notwendig und es hat keinen Sinn ihn bereits während der Schwangerschaft zu trinken. Wenn überhaupt Milchbildungstee getrunken wird, dann bitte auch nicht mehr als höchstens zwei bis drei Tassen täglich, da mehr zu Bauchproblemen beim Kind führen kann. Wunden Brustwarzen und anderen Stillproblemen können Sie am besten dadurch vorbeugen, dass Sie sich informieren. Wunde Brustwarzen entstehen in über 80 % der Fälle durch falsches Anlegen oder Ansaugen. Es ist extrem wichtig, korrekt anzulegen, nicht nur um wunde Brustwarzen zu vermeiden, sondern auch, damit die Brust gut stimuliert und richtig entleert wird und so die Milchbildung gut in Gang kommt bzw. aufrecht erhalten wird. Deshalb ist es entscheidend, dass Sie sich möglichst gut über das Stillen und die grundlegenden Dinge wie korrektes Anlegen und Ansaugen, das Prinzip von Angebot und Nachfrage, Stillen nach Bedarf usw. informieren. Nochmals: Ganz wichtig ist dass Sie wissen, wie korrekt angelegt ist und woran Sie erkennen, dass das Baby richtig ansaugt und effektiv an der Brust trinkt. Falls Sie noch kein Stillbuch haben, dann besorgen Sie sich bitte noch eines, damit Sie zumindest stichpunktartig zu verschiedenen Fragen nachlesen können, z.B. „Stillen - Rat und praktische Hilfe für alle Phasen der Stillzeit" von Marta Guoth-Gumberger und Elizabeth Hormann, „Das Handbuch für die stillende Mutter" von der La Leche Liga, „Stillen - einfach nur stillen" von Gwen Gotsch, das erste bekommen Sie im Buchhandel, die beiden letzteren im Buchhandel, bei der La Leche Liga oder jeder LLL-Stillberaterin. Wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben, suche ich Ihnen gerne die nächstgelegene LLL-Stillberaterin heraus. Schöne restliche Schwangerschaftstage und eine gute Geburt. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Liebe Frau Welter Herzlichen Dank für Ihre kompetente und sehr ausführliche Antwort zu meiner Frage betreffend wie genau das Vorgehen nach der Geburt ist bezüglich Stillen. Es wäre toll, wenn Sie mir die Adresse einer Stillberaterin der La Leche Liga nennen können. Ich wohne allerdings in der Schweiz. Die Postleitzahl ist 4313 Möhlin, Kanton Aargau. Für Ihre Bemühungen nochmals herzlichen Dank Karin


Biggi Welter

Biggi Welter

Beitrag melden

? Liebe Karin, die nächstgelegene LLL-Stillberaterin für Sie dürfte Frau Edeltraud Brogli Tel.: 061-8710243 sein. Rufen Sie einfach mal an. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.