Was tun gegen althergebrachte veraltete Denkweisen?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Was tun gegen althergebrachte veraltete Denkweisen?

Liebe Biggi, unser kleiner Augenstern ist jetzt 5 einhalb Monate alt und gerade liegt sie vor mir auf dem Stillkissen an Mamas Brust und nuckelt und schläft. :) Seit sie da ist haben auch wir viele anstrengende Phasen mitgemacht und dementsprechend war ich oft nachts beim Stillen im Internet unterwegs um zu lesen wie es anderen ergeht, mir Rat zu holen und Zuspruch, dass wir alles gut machen. An dieser Stelle möchte ich Ihnen von Herzen danken! Ihre Antworten besonders zu den Themen Einschlafstillen, Schlafen, Familienbett und Mehrfaches An-die-Brust-Wollen des Nachts haben mir sehr geholfen, mich bestärkt und beruhigt! Es ist kaum zu glauben, aber fast alle Freundinnen und bekannten Mütter - aktuell in der Krabbelgruppe oder auch der letzten Generationen - kommen mit Schlafprogrammen, Schreienlassen und Durchschlafen mithilfe von Beikost/künstlicher Milchnahrung und wenn ich dann bspw. erzähle, dass wir den Mittagsschlaf zusammen kuschelnd im Bett schlafen und ich sie abends einschlafstille bzw. ihr vorsinge oder neben ihr liege, bis sie schläft bekomme ich direkt intensive Warnungen ausgesprochen, als wäre es sonst wie schädlich für uns alle drei und das Kind würde sich auch dran gewöhnen und mit 3 Jahren dann immer noch nicht allein einschlafen können und/oder zu uns ins Bett wollen. Das müsste es jetzt lernen - besser noch vor dem 6. Monat. Von einer lieben Freundin bekam ich nach Bekanntgabe meiner Schwangerschaft sogar direkt das Buch 'Jedes Kind kann schlafen lernen' mit heißester Empfehlung in die Hand gedrückt. Allerdings hat weder mein Herz noch mein Verstand diese Methode nachvollziehen können. (Das Buch gehört vom Markt.) Meine erste Frage nun - woher kommt dieses Verhalten? Warum fragen fast alle standardisiert ob das Kind schon beigefüttert wird und/oder durchschläft? (Oder - Schreienlassen stärkt die Lungen - Babies haben Dich ganz schnell im Griff - ect.) Warum lassen sonst so liebe Mütter wie Freundinnen von mir ihre Kinder schreien? Meine Hebamme hat erfreulicherweise ähnliche Ansichten wie wir und hat uns in unserer instinktiven und liebevollen Art mit dem natürlichen Schlafverhalten unseres Babys den Rücken gestärkt. Wir waren nämlich zwischenzeitlich sehr verunsichert bei so geballter Gegenmeinung. Sie riet uns sogar bei dem Thema vor anderen zu lügen damit wir unsere Ruhe hätten und andere täten das wohl auch. Das möchte ich allerdings nicht. Eher würde ich gern andere junge Mütter aufklären, ihnen sagen. dass sie sich nicht verunsichern lassen sollen, ihr Baby vollkommen natürlich agiert und wie schädlich es ist, Kinder schreien zu lassen. Und ich würde gern den anderen argumentativ entgegentreten. Daher meine zweite Frage - wie kann ich das bewerkstelligen? Gibt es irgendwo 'glaubhafte Fachliteratur', mit der man mit dem Althergebrachten aufräumen kann? Woher nehmen Sie als Hebamme Ihr Wissen, Ihre Überzeugung? Ich freue mich sehr auf Ihre Antwort! Viele liebe Grüße und bitte weiter so, Anne

von Annebu am 18.11.2013, 21:31



Antwort auf: Was tun gegen althergebrachte veraltete Denkweisen?

Liebe Anne, danke für die warmen Worte, die ich gerne weitergebe an alle LLL-Frauen :-). Wir alle haben genau so begonnen wie Sie und haben gesucht, weil wir uns mit dem derzeitigen Erziehungsstil nicht wohl gefühlt haben. Es ist leider gerade der Zeitgeist, dass Babys nicht Babys und Kinder nicht einfach Kinder sein dürfen und wir kennen sie alle: Die besser wissenden Freundinnen, Nachbarinnen, Schwiegermütter und Schwägerinnen, und die eigene Mutter ist meist auch keine wirkliche Stütze, weil sie selbst nicht stillen "konnte". Uns macht das meist große Angst ("es kann doch nicht sein dass sich alles um das Baby dreht"), aber glaub mir: Es funktioniert, und schadet überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: Es festigt die Bindung zwischen Ihnen und dem Kind, zeigt ihm, dass es Ihnen vertrauen und sich auf Sie verlassen kann. Und DAS prägt sein ganzes Leben!! Vielleicht möchten Sie einmal im Shop der La Leche Liga die Bücher ansehen? Auch in einer LLL-Gruppe können Sie alle Bücher ausleihen und sich mit anderen Müttern austauschen. Wenn Sie dann Ihre Erfahrungen weitergeben möchten, könnten Sie auch die Ausbildung zur LLL-Beraterin machen :-). „Stillberaterin" ist als solches kein gesetzlich geschützter Begriff und deshalb gibt es auch keine Richtlinien, welche Ausbildung eine Frau haben muss, wenn sie eine Stillgruppe leiten will. La Leche Liga Stillberaterin darf sich allerdings nur eine Frau nennen, die die Ausbildung dazu gemacht hat. La Leche Liga Stillberaterinnen haben eine Tradition, die ihren Ursprung in einer Zeit hat, als Mütter noch selbstverständlich stillten und einander Unterstützung in der Kunst des Stillens gaben. La Leche Liga Stillberaterinnen sind der tragende Teil einer Organisation die weltweit als Autorität auf dem Gebiet des Stillens anerkannt ist. Heute sind über 9000 LLL Beraterinnen in über 70 Ländern dieser Erde tätig. Die Publikationen der La Leche Liga International erscheinen in 28 Sprachen. Um den verschiedenen Anforderungen der Mutter zu Mutter Stillberatung gerecht zu werden, ist eigene Still und Muttererfahrung notwendig. Deshalb gehört zu den Voraussetzungen, dass das älteste Kind mindestens neun Monate alt ist. Eine Bewerberin sollte sich mit den Vorstellungen der La Leche Liga, wie sie im „Handbuch für die stillende Mutter" dargestellt sind, identifizieren. Sie sollte Zeit haben, anderen Müttern ehrenamtlich zu helfen. Alle LLL Beraterinnen arbeiten ehrenamtlich. Besonders wichtig ist uns, dass die Bewerberin Mutter Kind Trennungen in der frühen Entwicklungsphase ihres Kindes weitestgehend vermeidet und ihr Baby im ersten Lebenshalbjahr keine regelmäßige Flaschennahrung erhalten hat. Die Ausbildung der La Leche Liga Stillberaterin beinhaltet einen persönlichen Briefwechsel mit einer Ausbildungsleiterin und ist eng verknüpft mit der Mitarbeit in einer La Leche Liga Stillgruppe, sowie der Betreuung durch deren Stillberaterin. Selbstverständlich wird erwartet, dass sich eine LLL Beraterin auch nach Abschluss ihrer Ausbildung weiter fortbildet (z.B. durch die Teilnahme an Regional und Jahrestreffen der LLL). Wenn Sie sich eingehender dafür interessieren, sollten Sie Kontakt mit einer LLL Beraterin in Ihrer Nähe aufnehmen. Adressen von Stillberaterinnen finden Sie im Internet unter: http://wwwlalecheliga.de (Stillberaterinnen der La Leche Liga), http://www.afs-stillen.de (Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen) oder http://www.bdl-stillen.de (Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC). Der Vollständigkeit halber möchte ich noch die beiden anderen Stillberaterinnen Ausbildungen erwähnen, die es in Deutschland gibt: AFS Beraterinnen sind ebenso wie LLL Stillberaterinnen ehrenamtlich tätige Stillberaterinnen, die ihre Ausbildung bei der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen gemacht haben (www.afs stillen.de) und Still und Laktationsberaterinnen IBCLC sind professionelle Stillberaterinnen (d.h. ihre Beratungen sind kostenpflichtig), meist mit medizinischem Grundberuf, die entweder in Kliniken oder in freier Praxis arbeiten und ein internationales Stillberaterexamen abgelegt haben. Informationen über die Ausbildung zur Still und Laktationsberaterin IBCLC gibt es im Internet unter www.stillen.org. LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 18.11.2013



Antwort auf: Was tun gegen althergebrachte veraltete Denkweisen?

Hallo :-) Mir geht es so wie Dir! Schau mal, ob es bei Dir in der Nähe die Organisation "wellcome" gibt. Vielleicht möchtest Du ein wellcome-Engel werden :-) LG Sarah mit Jendrik

von Jendriks_Mama am 18.11.2013, 22:24



Antwort auf: Was tun gegen althergebrachte veraltete Denkweisen?

Hallo Anne, googel mal "Broschüre Sibylle Lüpold"...da kommst zu einem PDF "Kinder brauchen uns auch nachts", in dem Experten sich gegen Schlaftrainings aussprechen. Liebe Grüße.

von row0510 am 19.11.2013, 11:36



Antwort auf: Was tun gegen althergebrachte veraltete Denkweisen?

"In Liebe wachsen" von C. Gonzales. Danach bist du wesentlich entspannter, es liefert einige Argumente und bringt dich zum schmunzeln. .. :-) (ist wie Biggi schon schrieb aus dem LLL- Verlag)

Mitglied inaktiv - 20.11.2013, 11:47



Antwort auf: Was tun gegen althergebrachte veraltete Denkweisen?

Liebe Biggi, vielen lieben Dank für Ihre ausführliche Antwort! Ich finde es großartig, dass es die La Leche League gibt! Ich bin immermal über den Begriff gestolpert konnte mir aber nichts konkretes darunter vorstellen und da der Begriff immer nur am Rande auftauchte mit Buchempfehlungen habe ich gedacht, es handle sich um einen Verleger spezialisiert auf Mütter und Babythemen.. Nochmal zum Verständnis - das bedeutet, eine LLL-Stillberaterin gib nicht nur Hilfestellung zum Thema Stillen sondern auch rundherum zu allen Babythemen? Oder verwechsel ich LLL-Beraterin mit LLL-Stillberaterin? Oder ist beides das Gleiche? Ich werde mich in jedem Fall mal schlau machen - das Buch 'Schlafen und Wachen' hatte ich zB. schon vor einigen Tagen bestellt und dann bin ich sehr gespannt auf weitere Empfehlungen der LLL. Wo finde ich denn die LLL-Gruppe der Mütter? Momentan kann ich mir zeitlich und kräftemäßig schwer vorstellen noch 'nebenbei' ehrenamtlich tätig zu sein (es scheitert schon beim regelmäßigen Duschen und gehirnregerierenden Schlaf Kriegen ;) aber das wird sich sicher wieder ändern und dann bin ich vorbereitet. :) Und vielen Dank auch Euch anderen für Eure Tipps! Ich werde ihnen auch neugierig nachgehen bzw. habe es schon! :) Liebe Grüße und für heute Euch eine Gute Nacht, Anne

von Annebu am 21.11.2013, 03:02