Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

stillen im 1.5 stunden takt ?

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: stillen im 1.5 stunden takt ?

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hallo ! vorweg: sophie ist unser drittes baby und eigentlich bin ich stillerfahren, aber im moment weiss ich nicht so recht weiter: sie trinkt beide seiten gut, schläft im arm ein, ich lege sie in ihre wiege und nach einer stunde wacht sie laut brüllend auf. schnuller hilft nicht, tragen nicht, sie krampft ein bisschen kolikartig beim schreien, aber sab simplex und die üblichen massnahmen helfen auch nicht. tragetuch scheint ihr zu eng zu sein, da schmeisst sie sich nur brüllend nach hinten. sie schreit sich dann so richtig ein, bis ich es nimmer ertrage und sie nach ner weile anlege. dann trinkt sie und schläft ein - wacht aber ungefähr nach einer stunde wieder auf und alles beginnt von vorne. ob es blähungen sind und ein längerer abstand zwischen den mahlzeiten besser wäre ? andererseits ist die brust das einzige, was beruhigt ... was könnte ich noch tun, ich bin so langsam echt am ende, zumal ich noch die beiden anderen kleinen habe. achja, sie ist jetzt 4 wochen alt. gruss cosma


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Liebe Cosma, drei kleine Kinder sind eine ungeheuere Herausforderung. Doch das dritte Kind weiß nicht, dass es das dritte ist und dass seine Mutter noch Geschwisterkinder zu versorgen hat und deshalb benimmt es sich wie alle Babys: es will durchschnittlich acht bis zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden und es wacht auch in der Nacht regelmäßig auf. Ihr Kind ist ein noch so junges Baby und ihr Verhalten entspricht schon fast "lehrbuchmäßig" dem eines wenige Tage oder Wochen alten Babys, das eben nicht zehn bis 15 Minuten an der Brust trinkt und danach zufrieden einschläft (Baby, die sich so verhalten, sind so schwierig zu finden, wie eine Nadel im Heuhaufen). Babys haben ein über das reine Ernährungssaugen hinausgehendes Saugbedürfnis und diesem "non?nutritiven" Saugen kommt eine sehr große Bedeutung zu. Nun werden viele Menschen sagen: "Dafür gibt es ja einen Schnuller". Doch das ist eine sehr zweifelhafte Antwort. Der Schnuller ist eine Brustattrappe und von der Natur ist vorgesehen, dass das non?nutritive Saugen an der Brust stattfindet. Wird der Schnuller eingesetzt, kann es nicht nur zu Saugproblemen kommen, er kann auch dazu führen, dass das Kind zu wenig Zeit an der Brust verbringt, so dass die Brust nicht ausreichend stimuliert wird und das Kind nicht die Milch bekommt, die es braucht. Der Gebrauch des Schnullers ist sehr kritisch zu sehen. Die anderen Nebeneffekte, wie häufiges Aufstehen der Mutter, weil das Kind den Schnuller verliert, sind natürlich auch nicht gerade angenehm. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys (und keinesfalls ein Einschlafproblem). Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Alterstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Ein Wachstumsschub ist mit etwa vier bis sechs Wochen zu erwarten. Sie sollten Ihr Kind keinesfalls auf einen Rhythmus trimmen. Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt. Das Dauerstillen und häufige Stillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, das die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Alle Stillexperten sind sich schon seit sehr langer Zeit einig: bei einem gesunden, voll ausgetragenen und gut gedeihenden Baby ist Stillen nach Bedarf das Optimale. So wird sichergestellt, dass das Kind die Nahrung, die es braucht, immer dann bekommt wann es sie braucht. Eine Ausnahme stellen schlecht zunehmende Kinder oder kranke Kinder dar, da kann es sein, dass die Mutter regulierend eingreifen muss und das Baby eventuell zum Stillen wecken muss. Im Durchschnitt will ein kleines Baby wie Ihre Tochter in unregelmäßigen Abständen zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Solange das Kind gut gedeiht, können Sie es auch unbesorgt Ihrer Tochter überlassen, wie lange oder kurz sie an der Brust trinkt. Das Einzige, worauf Sie sich bei einem Baby verlassen können, ist, dass Sie sich auf nichts verlassen können. Der "Rhythmus" eines Baby ist ständigen Änderungen unterworfen und keineswegs eine feste Größe. Gestillte Kinder haben auch nicht allgemein mehr Blähungen als nicht gestillte Kinder, nur kann man einer stillenden Frau so leicht ein schlechtes Gewissen machen mit irgendwelchen Behauptungen, dass "ihre Milch schuld sei". Blähungen beim Baby kommen nur in ganz seltenen Fällen von dem, was die Mutter gegessen oder getrunken hat und sie kommen auch nicht davon, dass ein Kind "zu oft" oder in "zu kurzem Abstand" gestillt wird. Wichtig ist, dass Sie unbedingt auf gutes Angelegtsein und korrektes Saugen Ihres Kindes achten, das ist ein herausragender Punkt, wenn es darum geht, Bauchprobleme zu vermeiden. Ein gut angelegtes und korrekt saugendes Kind schluckt nur wenig bis gar keine Luft und Luft, die nicht verschluckt wird, muss auch nicht wieder raus. Sab?Tropfen enthalten einen Wirkstoff, der entschäumt. Da Muttermilch aber nicht geschüttelt wird und deshalb auch keine Luftblasen enthält, wirkt dieses Mittel bei gestillten Kindern nicht wirklich. Der wichtigste Punkt zur Vermeidung von Blähungen ist das korrekte Anlegen und richtige Saugen. Lassen Sie sich am besten einmal von einer Kollegin vor Ort beim Stillen zuschauen, möglicherweise lassen sich durch ein paar kleine Veränderungen schon große Verbesserungen bei den Bauchproblemen Ihres Babys erzielen. Wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben, suche ich Ihnen gerne die nächstgelegene LLL?Stillberaterin heraus. Außerdem können Sie probieren, Ihrem Kind mit einer sanften Bauchmassage zu helfen. Vielleicht gibt es in Ihrer Nähe einen Babymassagekurs, wo Sie sich Tipps zum Massieren holen können. Sie können auch versuchen Ihrem Baby durch Tragen in der Kolikhaltung (auch Fliegergriff genannt, das Baby liegt mit seinem Bauch auf dem Unterarm des Erwachsenen, mit dem Kopf in der Ellenbeuge ruhend) und durch Wärmeanwendungen (gut geeignet dazu sind Hot?Cold?Packs) auf den Bauch Erleichterung zu verschaffen. Menschenbabys sind Traglinge, die den Kontakt zur Mutter brauchen. Es ist von der Natur nicht vorgesehen, dass sie alleine sind und auch nicht, dass sie alleine schlafen. Das widerspricht dem Bild vom süß in der Wiege schlummernden Baby, das fast alle Frauen (zumindest beim ersten Baby) haben. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Ihr Kind nicht pausenlos schlafen will und ständigen Körperkontakt sucht. Außerdem schlafen die meisten Babys sehr viel weniger als es von den Eltern angenommen wird. Babys sind soziale Wesen, die die Welt, in die sie hineingeboren wurden erkunden und kennenlernen wollen und das geht nicht im Schlaf. Lassen Sie Ihr Kind an Ihrem Leben teilnehmen.. Es gibt auch noch weitere Gründe, warum Ihr Kind aufwacht, sobald Sie es hinlegen. Es wird einfach deshalb wach, weil es durch die Lageveränderung von senkrecht zu waagerecht geweckt wird. Eine solche Lageveränderung reizt das Gleichgewichtsorgan im Ohr und kann dazu führen, dass das Baby aufwacht. Wenn ein Baby liegend (an der Brust) einschläft und liegen bleiben kann, die Lageveränderung also wegfällt, sind die Chancen, dass es weiterschläft erheblich besser. Das gemeinsame Schlafen hat eine ganze Reihe von Vorteilen und verhilft der Mutter zu mehr Schlaf. Möglicherweise wird Ihr Kind auch wach, weil das Bett kälter ist als der Körper von Mutter oder Vater. Diese Temperaturunterschiede können ebenfalls zum Aufwachen führen. Hier hilft es, das Baby in eine Decke zu wickeln und in die Decke eingewickelt hinzulegen. Auch der Kopf sollte in der Decke liegen. Ein Tragetuch kann in dieser Situation ebenfalls sehr hilfreich sein. Ein Tragetuch ist fast ein Zaubermittel. Ihr Baby kann Ihre Nähe spüren, es wird sich an Ihrem Körper beruhigen, die Koliken verringern sich, es wird weniger weinen, vielleicht sogar recht gut schlafen und Sie haben mindestens eine Hand frei (und auch Ihren Kopf, weil das Baby wieder ruhiger ist), um andere Dinge zu tun. Versuchen Sie es einmal mit einer anderen Bindeart, vielleivcht kommt Ihr Kind damit besser zurecht. Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, einmal ein Stillgruppentreffen zu besuchen oder zumindest einmal mit einer Stillberaterin in ihrer Nähe ein direktes Gespräch (auch am Telefon) zu führen. Viele Unsicherheiten lassen sich im direkten Gespräch sehr viel besser ausräumen und der Austausch mit anderen stillenden Müttern kann sehr ermutigend sein und vor allem werden Sie sehen und erleben, dass sich andere Babys genau so verhalten wie Ihr kleines Menschlein. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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