Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Noch eine Frage

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Hallo Biggi, ich bin nach wie vor mit dem Problem meiner nicht zunehmenden Tochter unterwegs. Ich habe eine Stillberaterin zusehen lassen, die das Anlegen ok fand. Das kann es also nicht sein. Dass meine Milch plötzlich an Gehalt abgenommen hat kann auch nicht sein? Es wurde mir von einer Frau zugetragen, dass es sein kann, dass meine Maus zu schnell aufhört zu trinken und daher nur die wenig gehaltvolle Milch aus den Milchseen und keine Hintermilch bekommt. Woran würde man denn das festmachen? Sie trinkt tatsächlich nicht lange ( 7-10 Minuten) dann aber sehr zügig. Ich habe den Eindruck dass sie in der Zeit einiges zu sich nimmt. Würde man der Milch ansehen welche es ist? Wenn sie fertig ist, zieht sie nämlich oft den KOpf weg, lässt etwas Milch aus dem Mund laufen, trinkt noch mal einen Schluck, lässt wieder was raus laufen etc. Ich lege sie inzwischen 6-8 mal am Tag an und sie nimmt einfach nicht zu. Da falsches Anlegen ausscheidet, was kann es noch sein? Hast du Erfahrung mit sowas? Vielen Dank, Melanie


Biggi Welter

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Liebe Melanie, "zu dünne Muttermilch" ist ein Ammenmärchen. Am Aussehen der Milch lässt sich zudem nicht festmachen, was sie enthält. Obwohl sich Frauen in verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Kulturen sehr unterschiedlich ernähren gibt es so gut wie keine Unterschiede in der Zusammensetzung der Muttermilch. Es ist sehr schwierig bis unmöglich, die Milchzusammensetzung deutlich über die Ernährung zu beeinflussen. Dies mag ein Schachzug der Natur sein, um das Überleben des Babys zu sichern. Ernährt sich eine Mutter nicht gut, so geht dies zunächst nicht zu Lasten der Qualität der Muttermilch, sondern zu Lasten der Mutter. Erst wenn die Reserven der Mutter erschöpft sind (zum Beispiel bei schwer unterernährten Frauen in Hungergebieten), kommt es zu Veränderungen der Muttermilch, die jedoch weniger die Qualität als die Quantität betreffen. Auch Stress führt nicht zu einer Qualitätseinbuße der Milch. Hier gibt es nur zwei Ausnahmen, dass die Milch nicht alles enthält, was das Baby braucht: bei extremen Ernährungsformen ohne jegliche tierische Produkte (vegane Ernährung) kann der Gehalt an Vitamin B12 in der Muttermilch nicht ausreichen und bei einer sehr seltenen Stoffwechselkrankheit.Ich gehe jedoch davon aus, dass Sie weder kurz vor dem Hungertod stehen, noch sich streng vegan ernähren oder gar an Hyperlipoproteinämie leiden. die Unterteilung der Milch in Vordermilch und Hintermilch ist nicht so, wie es immer wieder zu lesen ist und ist für die Praxis abgesehen von wenigen, besonderen Fällen kaum relevant. Deshalb lässt sich auch die Frage, was ist sättigender, so wie Sie sie gestellt haben, nicht beantworten. Der Milchspendereflex setzt beidseitig ein, so dass das Kind an der zweiten Brust dann eine "Mischmilch" erhält. Die Unterscheidung in "Vordermilch" und "Hintermilch" ist in aller Regel allerdings eine akademische Frage, die für den normalen Stillablauf keine Bedeutung hat. Solange das Kind gedeiht und sich wohl fühlt, muss keine Mutter über die Anteile an Vorder oder Hintermilch nachdenken. Solange ein Baby gedeiht, ist es vollkommen unwichtig, ob es an einer oder beiden Brüsten trinkt. Es gibt keine feste und unumstößliche Regel, dass ein Kind immer an beiden Seiten trinken muss und wie lange. Wichtig ist alleine das Gedeihen des Babys. Jedes Stillpaar muss herausfinden, was für die beiden am besten funktioniert. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass ein Problem im Stillmanagement vorliegt. Du schreibst, dass Du 6-8 mal in 24 Std anlegst, dass ist für ein schlecht gedeihendes Baby zu wenig! Oberste Regel: Häufiges Anlegen und ein gut saugendes Kind stimulieren die Brust zu mehr Milchbildung. Deshalb solltest Du deine Babys in den nächsten Tagen oft anlegen. Um das Interesse des Babys an der Brust wach zu halten, kannst Du es mit Wechselstillen versuchen. Dabei legst Du dein Baby an und stillst es, solange es wirkungsvoll saugt, d.h. es schluckt nach jeder oder jeder zweiten Saugbewegung. Sobald es seltener schluckt, nimmst Du es sanft von der Brust (vergiss nicht den Saugschluss zu lösen) und lässt es aufstoßen, streichelst seine Fußsohlen oder massierst es sanft entlang der Wirbelsäule, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Dann wird es an der anderen Brust angelegt und wieder gestillt, so lange es wirkungsvoll saugt. Schluckt es wieder seltener, wird es zurück an die erste Brust gelegt, nachdem Du es wieder etwas ermuntert hast. Dieses "Wecken und Wechseln" wird zwanzig bis dreißig Minuten lang ausgeführt, tagsüber alle zwei Stunden und nachts mindestens alle vier Stunden. Richte dich mit deiner Flüssigkeitszufuhr nach deinem Durstgefühl. Eine zu hohe Flüssigkeitsaufnahme führt nicht zu mehr, sondern zu weniger Milch, da sie dazu führt dazu, dass das antidiuretische Hormon (ADH) zurückgeht, die Frau erfährt dann eine vermehrte Wasserausscheidung ("schwemmt aus") und die Milchbildung verringert sich. Zwei bis drei Liter Flüssigkeit (davon höchstens zwei bis Tassen Milchbildungstee) sind im Allgemeinen ausreichend. Wenn der Urin dunkelgelb wird und die Menge gering ist, trinkst Du zu wenig Schwarzer Tee, Matetee und Kaffee sollten nur mäßig genossen werden. Auf Limonaden oder Colagetränke sowie künstlich gesüßte Getränke sollte möglichst verzichtet werden. Auf die (angebliche) milchflussfördernde Wirkung von Bier oder Sekt sollte verzichtet werden. Alkohol geht bereits in kleinen Mengen in die Milch über und belastet den Stoffwechsel des Babys. Achte darauf, dass DU ausreichend und möglichst ausgewogen isst. Kohlenhydratreiche Nahrung hat einen positiven Einfluss auf die Milchbildung. Ruhe dich oft aus und entspanne dich. Arbeite für eine Weile so wenig wie möglich. Die Hausarbeit läuft dir nicht davon! Stress wirkt sich ungünstig auf den Milchspendereflex und auf die Milchbildung aus. Vielleicht kannst Du ja ein paar "Stilltage" einlegen, das heißt Du legst dich mit deinem Baby ins Bett und kümmerst dich ausschließlich um dein Baby und das Stillen. Nach ein paar Tagen müssten auf diese Weise sowohl deine Milchmenge als auch dein Baby zunehmen. Wenn nicht, melde dich nochmals. LLLiebe Grüße Biggi


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Liebe Biggi! Meine Tochter ist jetzt 13 Monate alt. Bis vor drei Wochen wurde sie ausschließlich gestillt. Ich habe ihr natürlich auch andere Nahrung angeboten, aber sie lehnte bis vor kurzem stets ab. Jetzt nimmt sie allmählich auch anderes Essen an und am besten schmeckt ihr das was wir auch essen. Abends trinkt sie jetzt seit einigen Tagen gerne ein Fläschchen warmer Milch vor dem Zubettgehen. Mein Problem, bzw. unser aller mittlerweile ist, dass ich sie einfach nachts nicht mehr stillen kann und will! In der Schwangerschaft litt ich an Schlafstörungen, als sie zur Welt kam war es sowieso vorbei mit Schlafen und jetzt nach einem Jahr voll Stillen kann ich einfach nicht mehr. Meine Nerven liegen blank, ehrlich gesagt. Ich werde ihr gegenüber aggressiv (also wütend und werde dann laut)! Aber ich kann mich einfach nicht mehr zusammennehmen, denn mein Körper und Geist sind einfach chronisch übermüdet. Ich will und werde sie tagsüber weiterstillen. Wir genießen es beide sehr. Daran soll sich auch nichts ändern, solange sie das möchte und es auch für mich geht (will nämlich erneut schwanger werden). Aber das nächtliche Stillen ist der reinste Horror für mich geworden. Auch für sie und für meinen Mann ebenfalls, der nicht weiß was er tun soll. Er arbeitet im Schichtdienst und es ist für ihn verständlicherweise sehr schwierig zu arbeiten, wenn er nicht genügend Schlaf bekommt. Ich hatte nämlich vorgeschlagen, er solle sie nach dem abendlichen Fläschchen ins Bett bringen (was er auch 3 Nächte hintereineinader gemacht hat) und wenn sie wieder aufwacht solle er sie wieder beruhigen, damit sie bei mir nicht die Milch riecht. Ich dachte so könnte ich sie nachts abstillen. Meine Frage hierzu ist: Ist es ausreichend für sie, wenn ich sie nur tagsüber stille und sie nebenbei noch ein wenig (4 - 5 Löffelchen) Beikost und abends ca. 100 ml Milch bekommt? Kann ich annehmen und sicher sein, dass sie nachts keinen Hunger mehr haben kann? Ich selbst denke, dass sie nur aufwacht weil sie getröstet werden will und nicht weil sie Hunger hat. Aber sie hat ja gelernt, dass ich sie direkt anlege. Ich würde sie natürlich trösten, wann immer sie das braucht. Sie kann weiter bei uns im Bett schlafen. An allem anderen soll sich nichts ändern. Ich will und kann sie nur einfach nicht mehr nachts stillen! Meine Entscheidung steht fest ich weiß nur noch nicht wie ich dahinkommen soll! Ich brauche wirklich einen guten Rat, ich habe schon Horror vor den Nächten kann auch kaum noch Schlafen, denn ich habe auch bei der geringsten Bewegung von mir oder meinem Mann, oder egal wodurch sonst Angst sie könnte gleich wieder aufwachen und will dann wieder gestillt werden. Dadurch verspanne ich mich völlig und kann einfach nicht einfschlafen. Wenn ich dann endlich in den Schlaf sinke, wacht sie auf. Mein Adrenalinspiegel springt dann direkt hoch und ich empfinde eine regelrechte Aversion gegen das Stillen. (Diese Empfindungen habe ich nur nachts, tagsüber geniesse ich mit ihr das Stillen). Es ist schon fast chronisch geworden, dass ich im eigenen Bett kaum noch schlafen kann, aus Angst sie könnte aufwachen oder sie wacht auf und ich kann dann sowieso nicht schlafen. Ich habe es mal probeweise (für 1 - 2 Std.) im anderen Raum auf dem Gästebett probiert. Dort bin ich sofort eingeschlafen! Ich fühlte mich soooo entlastet und befreit, denn ich konnte alleine einschlafen ohne die Angst im Nacken, gleich aufgeweckt zu werden. Was sollen wir tun, wie könnten wir ihr das nächtliche Stillen abgewöhnen und zwar gut und richtig, ohne dass es für sie zu einer Qual wird?! Es tut mir leid, dass es so lang geworden ist und danke Dir im Vorraus für Deine Antwort! Liebe Grüße Anna


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haollo anna, hab grad deinen beitrag gelesen, nur zur anmerkung: er ist als antwort auf jana gepostet, evtl. liest biggi ihn dan nicht als frage an sie ! viell. machst dus nochmal neu als eigenen beitrag quasi, ist nur ne techn,. sache ! LG., Silke


Biggi Welter

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Liebe Anna, es steht absolut außer Frage, dass unruhige Nächte und zu wenig Schlaf ein Wahnsinnsproblem sind und vermutlich wissen die meisten Mütter nur zu gut, wie es ist, wenn man sich nach mehr Schlaf, bitte nur ein bisschen mehr Schlaf, sehnt. Aber es gibt nun mal keine Patentrezepte, die das Kind dazu bringen, länger zu schlafen, auch nicht die Schlaftrainingsprogramme à la "jedes Kind kann". Wären diese Programme übrigens wirklich so wirkungsvoll, dann müssten sie nicht immer wieder wiederholt werden. Ehe Du aber jetzt zusammenklappst, weil Du nicht mehr genug Schlaf bekommst, muss eine Lösung gefunden werden, die dich entlastet. Das kann durchaus eine vermehrte Einbeziehung des Vaters sein, wenn es nachts nicht geht, dann eben mal am Tag, damit Du eine Möglichkeit hast, dich auszuruhen und neue Energie zu sammeln. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Dein Kind bekommt fast ausschließlich nur Muttermilch und es ist sicherlich so, dass es nachts auch tatsächlich Bedarf an Nahrung hat. Voll gestillte Einjährige sind nicht die ganz große Seltenheit und es gibt vereinzelte Berichte über Kinder, die sogar noch weit ins zweite Lebensjahr hinein ausschließlich gestillt wurden und dabei gut gediehen sind und sich altersentsprechend entwickelt haben. Ein Kind, das lange jegliche feste Nahrung verweigert, kann aber wohl kaum zum Essen gezwungen werden, denn: was macht ein Mensch, den man mit Gewalt dazu zwingen will, etwas zu tun? Er blockiert oder zerbricht. Beides ist nicht wünschenswert, schon gar nicht in der Eltern Kind Beziehung. Druck und Zwang sind nicht geeignet, um ein Kind zum Essen zu bringen. Im Gegenteil: je mehr Druck, je mehr Kampf es gibt, um so schwieriger wird die Situation und zum Schluss gibt es in diesem Kampf ums Essen nur Verlierer. Verweigert ein Kind deutlich länger jegliche Beikost, ist es allerdings sicher nicht verkehrt, das Kind genauer anzuschauen und eventuell auch die Eisen und Zinkwerte zu kontrollieren. Es kommt zwar eher selten vor, doch manchmal liegt die Essensverweigerung der Kinder gerade an einem Mangel dieser Spurenelemente und dieser Mangel verschärft sich dann noch weiter, wenn das Kind nicht isst. Bitte also zum einen Geduld bewahren, dem Kind fingergerechte Nahrung und gemeinsames Essen am Familientisch und mit anderen Kindern (Nachahmungseffekt) anbieten und einmal von der Kinderärztin/arzt nachschauen lassen. Es ist schwer, müde zu sein und jede Nacht x Male aufzuwachen, weil das Kind mich braucht und ich hätte zeitweise sehr viel dafür gegeben nur einmal einfach weiterschlafen zu können und am nächsten Tag nicht vor einem Berg unerledigter (Haus)Arbeit zu stehen. Doch es hat sich gelohnt, den Haushalt zurückzuschrauben, mir Nischen zu suchen, in denen ich auftanken konnte (sowohl körperlich als auch emotional) und zu akzeptieren, dass meine Kinder keine kleinen Roboter sind, die auf das Durchschlafen (o.a.) "programmiert" werden können. Selbst wenn Du jetzt nachts abstillst, wird dein Kind nicht besser schlafen und Du wirst es auf andere Weise beruhigen müssen. Vielleicht wäre es ja ein Weg, dass Du tatsächlich in einem anderen Zimmer schläfst und dich dein Mann weckt, wenn er die Kleine nicht beruhigen kann? Überlege dir evtl. auch einmal zu einem Stillgruppentreffen zu gehen und tausch dich dort mit den anderen Müttern aus. Vielleicht hast Du sogar das Glück so wie ich vor Jahren dass Du dort Mütter oder eine Stillberaterin kennen lernst, die bereits ältere Kinder haben und Du kannst miterleben, dass es sich lohnt noch etwas durchzuhalten. Wenn Du mir deinen Wohnort mit Postleitzahl angibst, suche ich dir gerne die nächstgelegene LLL Stillgruppe heraus. Liebevolles Eingehen auf die Bedürfnisse der Kinder, ihnen die Zeit lassen, die sie brauchen, um jeweils den nächsten Schritt zu meistern, das ist der Tipp, den ich allen Eltern nur wärmstens ans Herz legen kann. Wir würden niemals an einer Blume ziehen, damit sie schneller wächst, denn jeder weiß, dass sie dann eingehen würde. An unseren Kindern sollten wir auch nicht "ziehen". Ich hoffe, der Text war dir jetzt nicht zu lange und wenn Du noch Lust zum Lesen hast, dann schau dir auch den angehängten Text von Dr. Paky an, der zeigt, dass lange nicht alle Kinderärzte der Meinung sind, dass "kontrolliertes Schreienlassen" in Ordnung geht. LLLiebe Grüße Biggi Die Kunst, sein Kind schlafen zu lassen Prim. Dr. Franz Paky, Leiter der Schreiambulanz (Ambulanz für Schreien und Schlafstörungen) der Kinderabteilung des LKH Mödling Schlafen, Alleinsein, Finsternis Für ein Kind gibt es nichts Schlimmeres, als den Schutz und die elterliche Geborgenheit zu verlieren. Mit der Finsternis der Nacht reißt die Gewißheit ab, dass der elterliche Schutz gegeben ist. Nichts ist leichter verständlich, als dass sowohl das Einschlafen als auch das nächtliche Aufwachen für ein Kind mit Angst verbunden ist. Es ist ebensowenig verwunderlich, dass viele Methoden entwickelt wurden, den Übergang vom Wachzustand in den Schlaf für das Kind zu erleichtern. All diesen Riten ist gemeinsam, dass sie die elterliche Gegenwart in den Schlaf hinein zu erhalten suchen (Wiegenlied, Gute Nacht Geschichte, Gute Nacht Kuß, Kuscheltier als Übergangsobjekt usw.). Schlafen Loslassen Nicht nur für das Kind ist mit dem Einschlafen eine Trennung von den Eltern verbunden. In ähnlicher Weise erleben die Eltern das Einschlafen des Kindes als Trennung. Insgeheim stellt sich die Frage: Wird das Kind ohne unsere Hilfe einschlafen? Wird sich das Kind ohne weiteres (?) von mir trennen? Wird es auch wieder von selbst wach? Zwei Arten von guten Schläfern die echten und die resignativen Nicht alle Kinder, die unkompliziert einschlafen und durchschlafen, sind zu beneiden. Wenn Babys spüren, dass ihr Schreien in der Nacht die Eltern unter keinen Umständen auf den Plan rufen kann, geben sie auf und schlafen den Schlaf der Resignation. Auf diesem Mechanismus beruht der scheinbare Erfolg der älteren Generation, ein Kind beim Einschlafen unbegrenzt schreien zu lassen. Die Entwicklung des Babys und das Schlafproblem Um das sechste Lebensmonat erweitern Babys ihren sozialen Horizont beträchtlich. Sie lernen zwischen ihren vertrauten Eltern und fremden Menschen zu unterscheiden ("Fremdeln"). Die Angst, die damit einhergeht ("Achtmonatsangst"), führt nicht selten zu einer Störung des Schlafes. Kinder, die in den ersten Lebensmonaten zur Freude ihrer Eltern bereits durchgeschlafen haben, beginnen dann nachts mehrmals wach zu werden. Oft brauchen sie nicht mehr als die Versicherung, dass alles in Ordnung ist. Ein kurzes Nuckeln an der Brust oder allein der Zuspruch einer vertrauten Stimme genügen, dass das Kind weiterschläft. Häufig führt aber die Schlafstörung zur Sorge der Mutter, dass das schon größer gewordene Kind mit ihrer Milch nicht mehr genug hat. Dann erhält das Kind an Stelle des Trostes, den es braucht, mehrere Mahlzeiten, die eigentlich überflüssig sind. Welcher Erwachsene, der gut schlafen will, würde sich absichtlich zu diesem Zweck den Bauch voll schlagen? Das Schlafparadoxon Wenn wir den Schlaf dringend herbeisehnen, stellt er sich am zögerndsten ein. Eine ganz ähnliche Erfahrung machen wir mit unseren Kindern. Wenn wir am wenigsten darauf angewiesen sind, schläft unser Kind am leichtesten ein. Brauchen wir dagegen unseren eigenen Schlaf dringend, weil wir am nächsten Tag früh aufstehen müssen oder einen schwierigen Termin haben, dann spielt das Kind nicht mit. Es will und will nicht einschlafen. Und noch weniger gönnt es uns einen ununterbrochenen Schlaf. Man gewinnt fast den Eindruck, als würden wir das Kind mit unserer Aura des Schlafzwanges am Schlaf hindern. Wenn sich ein Vater, der sein Kind mit allergrößten Mühen zum Einschlafen gebracht hat, auf leisesten Sohlen vom Bett fortschleicht, weckt er das Kind mit seiner Angst, dass es wieder wach werden könnte, tatsächlich auf. Dieses Phänomen zwingt uns dazu, über den eigenen Schatten zu springen. Wir müssen uns nach dem Rhythmus des Kindes richten und aufhören, ihm unsere Bedürfnisse aufzuzwingen. Individueller Schlafbedarf Jedes Kind braucht wie übrigens erwachsene Menschen auch eine individuelle Zahl von Schlafstunden. Die Spannbreite liegt bei Kindern im zweiten Lebenshalbjahr bei 9 bis 14 Stunden (Largo Kinderjahre 1999, S. 27). Behinderung der Selbstregulation Groß ist die Gefahr, dass sich Eltern in guter Absicht in Vorgänge einmischen, über deren Ablauf das Kind selbst bestimmen soll. Als Beispiele seien das Essen und das Trinken, die Kleidung und die Kontrolle von Stuhl und Harnausscheidung genannt. Die Selbstregulation über diese Vorgänge wird vom Kind im Lauf seiner normalen Entwicklung übernommen. Greifen die Eltern allerdings in diese Entwicklung ein, wird die Selbständigkeit nicht erreicht. Den Eltern bleibt damit die Bürde der Kontrolle erhalten, und das Kind bleibt in Abhängigkeit. In typischer Weise tritt dieser Mechanismus beim Schlaf auf. In der Meinung, dass die Eltern die volle Verantwortung für die Tiefe und die Dauer des Schlafes ihres Kindes tragen, wird dem Kind seine Selbständigkeit verwehrt und die Eltern zerbrechen an der Bürde der Kontrolle, die sie selbst nicht abgeben können. Die Kunst, sein Kind schlafen zu lassen Auf übermüdete und erschöpfte Eltern wirkt es vermutlich zynisch, wenn ich davon spreche, dass es bei der Kunst, sein Kind schlafen zu lassen, um die eigene Gelassenheit und das Loslassen des Kindes geht. Nach allem, was man schon versucht hat, sollte es gerade mit dem Loslassen funktionieren, wo man doch weiß, dass nichts schwerer ist im Leben als das Loslassen. Vertrauen in die Selbstregulation des Kindes ist der Schlüssel zum Loslassen und damit auch zum Schlafenlassen des Kindes. Wenn man dieses Vertrauen erwirbt, wird man sich vom Kind für die Zeit des Schlafes trennen können, ohne den Kontakt ganz zu verlieren. Das Kind wird auch in einer unruhigen Umgebung und ohne großes Geschrei einschlafen können. Vor allem wird es möglich sein, das Kind im Elternbett schlafen zu lassen und auf diese Weise das Stillen nach dem natürlichen Bedarf von Mutter und Kind beizubehalten. Jedes Kind kann schlafen lernen Weil es schwierig ist, diese Zusammenhänge bewußt zu machen, erfreuen sich Bücher, die sich auf ein Training bzw. auf eine Dressur des kindlichen Verhaltens beschränken, großer Beliebtheit. Am populärsten sind zur Zeit wohl Methoden der dosierten Frustration. Anstatt bei sich selber anzufangen, läßt man das Kind etwas länger schreien, so lange, bis es davon überzeugt ist, dass man als Nachtwächter oder Tröster nicht in Frage kommt. Der Erfolg stellt sich scheinbar ein, indem das Kind den Schlaf der Resignation schläft. Die Chance, dass sowohl die Eltern als auch das Kind aus dem Problem des gestörten Schlafes etwas lernen und auch für sich gewinnen, wird damit aber vertan. Wir sollten die Chance wahrnehmen, die darin liegt, die Kunst zu erwerben, sein Kind schlafen zu lassen.


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Liebe Biggi! Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Frage. Ich möchte aber unbedingt noch auf einige Zeilen Deines Textes eingehen und zwar: Ich habe mein Kind noch NIE einfach "schreien lassen" oder es zum Essen gezwungen (habe übrigens auch das Buch von Dr. Gonzales gelesen "Mein Kind will nicht essen" und andere gute Bücher, die sich mit diesem Thema befassen und dabei das Kind respektieren). Und auch keinerlei "Schlafprogramme" an ihr ausprobiert. Ich möchte das unbedingt richtig stellen, da mir sehr viel daran liegt. Mein Kind versuche ich mit unendlich viel Liebe und Respekt zu erziehen. Dennoch passiert es auch mir manchmal zwischen Uanusgeschlafenheit, Halbtagsjob, Hausarbeit, Kinderbetreuung, etc. dass ich schlicht und ergreifend die Nerven verliere. Übrigens besuche ich auch ein Stilltreffen einmal im Monat hier in Köln, welches von Elisabeth Bosch und Sabine Makrutzki geleitet wird. Dieses wird jedoch stets von so vielen Frauen besucht, dass man kaum die Gelegenheit bekommt seine Probleme vorzutragen, um dann vielleicht auch einen Lösungsvorschlag zu bekommen. Ausserdem muss ich sagen, dass dort manchmal Frauen sitzen mit größeren Schwierigkeiten als ich sie habe. Daher erscheint es mir manschmal unnötig darüber zu sprechen. Ich bin also jemand der nichts unversucht gelassen hat. Nun zu Deinem Lösungsvorschlag: Mein Mann kann vielleicht 1 - 2 Nächte einspringen, mehr aber auch nicht. Er arbeitet im Schichtdienst und ist auch der Hauptverdiener. Also muss er auch genügend Schlaf und Ruhe bekommen um funktionieren zu können. Daher bleibt es letztendlich an mir hängen. Ich habe aus Deiner Antwort verstanden, dass ich "durchhalten muss" und meine Tochter sicherlich noch nachts Hunger hat und mich auch als "seelische Nahrungsquelle" benötigt. Da ich nur das Beste für sie will, werde ich die Zähne zusammenbeißen und es schaffen. Ich danke Dir nocheinmal für die Antwort und die Geduld beim Lesen (kürzer ging leider nicht). Anna


Biggi Welter

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Liebe Anna, ich hoffe, ich habe dich mit meiner Antwort nicht angegriffen, das liegt mir wirklich fern! Ich glaube dir auch, dass Du dein Kind mit Respekt erziehst und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es sein kann, immer die Nerven zu behalten. Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, wo mein größter Wunsch wirklich war, einmal ausgeschlafen zu sein. So schwer es ist, mir hat es damals wirklich geholfen, dass ich wusste, dass mein Kind mich nicht manipulieren möchte und mich einfach braucht. Wenn man das ganze Problem mit den Augen der Liebe sehen kann, ist es viel leichter zu ertragen und ich konnte meinen Kindern nicht böse sein. Auch ich habe manchmal gewütet und gehadert, aber ich habe einfach versucht, auch mit den Kindern zu reden, egal, wie klein sie waren. Ich bin nun einige Jahre "weiter" und ich bin heute überzeugter denn je, dass es der richtige Weg war. Meine Kinder geben mir heute so viel zurück und wie oft steht mein 11-jähriger mit einer Tasse Kaffee vor mir und sagt mir, dass ich mies aussehe : oder Anna massiert mir mit 8 Jahren die Schulter. All die Liebe, die wir am Anfang pflanzen, kommt zurück und dieses große wunderbare Vertrauen trägt Früchte, die ich jetzt mit viel Glück und Demut sehe. Frage doch einmal bei Elisabeth nach, ob sie einmal Zeit für ein Einzelgespräch hat oder wenigsten mit dir telefonieren kann. Auch ich habe Telefon :-) und bin gerne für dich da. Ganz llliebe Grüße, es tut mir wirklich leid, wenn ich etwas geschrieben habe, das dich verletzt hat. Biggi


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Liebe Biggi! Auch so kann man die Batterien wieder aufladen: mit Anteilnahme und warmherzigen Worten, von Menschen die man garnicht kennt. Ich danke Dir sehr für diesen zweiten Brief. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich wohl etwas verletzt war, als ich las dass "kontrolliertes Schreienlassen" nicht zu befürworten ist. NATÜRLICH NICHT, dachte ich! Es ist für mich völlig undenkbar soetwas zu tun. Kontrolle - und Schreienlassen, das klingt schon so falsch! Aber vielleicht erschreckt man sich auch wenn man liest, dass eine Mutter die Nerven verliert und dann laut wird, "nicht mehr kann, nicht mehr will", "auf jeden Fall und unbedingt aufhören möchte dieses oder jenes zu tun", usw. Und dann möchte man wohl bevor Fehler passieren, nocheimal in Erinnerung rufen, dass bestimmte Dinge einem Kind nicht angetan werden dürfen. Ich habe diese Zeilen erst später verstanden, nachdem ich aber den Brief an Dich bereits abgeschickt hatte. Ich gebe zu, dass ich auch schon mal laut meine Wut zeige, aber niemals gegen mein Kind. Und in diesem Punkt wollte ich einfach nicht mißverstanden werden. Es geschieht sicherlich nicht nur mir, sondern auch anderen Frauen, jedoch hört man selten davon. Erst wenn Schlimmeres geschieht und sich dann alle wundern, weil sie vorher nichts mitbekommen haben. Ich habe in dem Brief an Dich "Luft rausgelassen", indem ich dies zugab, um mir so Erleichterung zu verschaffen. Ich bin also keine perfekte Mutter, aber eine gute, die ihre eigenen Schwächen annehmen kann, Ratschläge annimmt und dazulernen möchte. Klara ist mein größtes Geschenk. Für sie würde ich jedes Opfer bringen. Den Babytreff beobachte ich seit ungefähr einem Jahr. Deine Antworten und Ratschläge haben mich schon oft sehr beeindruckt. Du machst eine sehr gute Arbeit! Also danke nochmal für den zweiten Brief, besonders für die Schilderungen über Deine eigenen Kinder und für das angebotene Telefonat. Ich werde es annehmen. Bis dahin wünsche ich Dir und Deiner Familie weiterhin Liebe und immer wieder Glück. Anna und Klara


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