Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Milchzusammensetzung und Ernährung, Kindstod

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Milchzusammensetzung und Ernährung, Kindstod

Mitglied inaktiv

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Hallo, ich habe in einigen Beiträgen gelesen, dass es nicht nahrhafte bzw. zu dünne Milch nicht gibt. Hier nun einige Fragen: 1. Wenn sich die Milch unabhängig von meiner Ernährung immer gleich zusammensetzt und immer nahrhaft ist, warum bekommen dann Babys beim Essen von einigen Lebensmitteln (z.B. Bohnen) Blähungen? Und Nikotin geht doch auch in die Muttermilch über! Dann gehen doch die Nährstoffe, die ich zu mir nehme, auch in die Milch. Das behauptete nämlich meine Hebamme: Ich soll bloß ausreichend und gesund essen, sonst ist die Milch nicht nahrhaft und der Kleine nimmt evtl. nicht zu. 2. Warum soll man eigentlich 1800kcal pro Tag zu sich nehmen, wenn meine Nahrungsaufnahme sowieso nichts mit der Milchzusammensetzung zu tun hat? 3. Mein Sohn wog bei der Geburt nur 2800g. Mit 7 Wochen wog er 3620g. Jetzt ist er 11 Wochen alt, die Hebamme kommt nicht mehr und ich weiß nicht, was er jetzt wiegt. Er trinkt relativ gut, ist putzmunter, hat aber durch die große Hitze, glaube ich, nicht viel zugenommen (da war er furchtbar quengelig und hat auch nicht so viel getrunken wie sonst). Er war nie so pummelig und speckig wie andere Babys. Muss ich mir Gedanken machen (auch im Hinblick auf den plötzlichen Kindstod????????)? Soll ich mir eine Waage anschaffen? 4. Wann kann man sagen, sind Kinder vom plötzlichen Kindstod nicht mehr "betroffen"? Wann sind sie über'm Berg? 5. Gibt es Statistiken, wie viele Kinder am Kindstod sterben? Vielen Dank schon einmal für die Antworten meiner vielen Fragen! Mia


Biggi Welter

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Liebe Mia, ich zitiere dir jetzt aus dem „Handbuch für die Stillberatung" Mohrbacher, Stock, 1. Auflage 2000: „Untersuchungen in Entwicklungsländern und anderen Teilen der Welt zeigen, dass selbst leicht unternährte Mütter genügend Milch von guter Qualität für ihre Babys bilden. Erst wenn die Mutter vom Hungertod bedroht wird, beeinträchtigt die Ernährung der Mutter ihre Milchmenge oder die Zusammensetzung ihrer Milch (Perez Escamilla 1995; Prentice 1994). Selbst bei Nahrungsmangel kann die Milchbildung der Mutter nur leicht beeinträchtigt sein, wenn ihr Körper über genügend Reserven verfügt, die er für die Milchbildung einsetzen kann (Smith 1947). In einigen Entwicklungsländern, in denen die Lebensmittelversorgung eingeschränkt ist, konnte nicht festgestellt werden, dass die Babys der Frauen, die zusätzliche Nahrung erhielten, mehr an Gewicht zunahmen, als die Babys der Frauen, die keine zusätzliche Nahrung erhielten (Prentice 1983). Bei allgemein gut ernährten Müttern bleibt die Zusammensetzung der Milch meist gleich, selbst wenn sie sich nicht gut ernähren. Chronisch unterernährte Frauen, mit nur geringen Energiereserven und unzureichender Ernährung können Milch bilden, die einen geringeren Vitamingehalt aufweisen, einschließlich der Vitamine A, D, B6 und B12 (siehe auch im Abschnitt „Vegetarierinnen"). In diesen Fällen kehrt der Vitamingehalt ihrer Milch auf einen normalen Wert zurück, wenn die Ernährung der Mutter verbessert wird oder sie zusätzliche Vitamine erhält. Die Fettsäuren in der Muttermilch variieren in Abhängigkeit von der Ernährung der Mutter. So neigen zum Beispiel Mütter, die mehr ungesättigte Fette essen, dazu, Milch mit einem höheren Gehalt an ungesättigten Fetten zu bilden als Mütter, die mehr tierische Produkte essen (Sanders 1992). Dies scheint einer normalen Schwankungsbreite zu entsprechen." Riordan und Auerbach schreiben in „Human Lactation" 2nd edition 1999: „Ob sie (die Frau) auf den Berggipfeln im fernen Tibet, in einem staubigen mexikanischen Dorf oder in einem amerikanischen Vorort oder einer Stadtwohnung lebt, die stillende Frau bildet Milch, die erstaunlich homogen in der Zusammensetzung ist, trotz der ungeheuren Unterschiedlichkeit der konsumierten Nahrung. Nur die Milch einer Frau, die ernsthaft unterernährt ist wird eine messbare Verringerung im Nährstoffgehalt und der Menge aufweisen weil zunächst die körpereigenen Speicher geleert werden, ehe die Milch leidet" Ich gehe nun einmal davon aus, dass wir hier in Europa normalerweise nicht in die Situation kommen, dass eine Frau so extrem unterernährt ist, dass sie kurz vor dem Hungertod steht. Es gibt eine (extrem seltene) Erkrankung der Mutter, bei der die Qualität der Muttermilch so verändert ist. In diesem Fall ist die Zusammensetzung der Fette und Fettsäuren so verändert, dass die Milch nicht adäquat für die Ernährung des Babys ist. Doch diese seltene Situation lässt sich auch nicht über die Ernährung der Frau positiv beeinflussen. Eine stillende Frau sollte mind. 1800 Kalorien täglich zu sich nehmen, um nicht zu arg abzunehmen, da ein schneller Gewichtsverlust bei stillenden Müttern nicht unproblematisch ist. Umweltgifte einschließlich PCBs und Pestizide werden im Fettgewebe gespeichert. Eine schnelle Gewichtsabnahme mehr als zwei kg pro Monat oder etwa ein Pfund pro Woche kann dazu führen, dass diese Schadstoffe schnell in den mütterlichen Blutkreislauf gelangen und die Schadstoffwerte in der Milch erhöhen. Ich denke nicht, dass Du eine Waage kaufen musst. Hier einmal die Kriterien für ein gut gedeihendes Baby: • mindestens fünf bis sechs nasse Wegwerfwindeln hat (um zu sehen wie nass „nass“ ist, kannst Du sechs Esslöffel Wasser auf eine trockene Windel geben). Diese Regel gilt aber nur für voll gestillte Kinder, das heißt das Baby bekommt nichts außer Muttermilch (kein Wasser, Tee, Saft usw.). • in den ersten sechs Wochen täglich mindestens zwei bis vier Stuhlentleerungen (später sind seltenere Darmentleerungen normal) • eine durchschnittliche wöchentliche Gewichtszunahme von mindestens 110 g pro Woche ausgehend vom niedrigsten Gewicht • eine gute Hautfarbe und eine feste Haut, • Wachstum in die Länge und Zunahme des Kopfumfangs • ein aufmerksames und lebhaftes Verhalten des Babys in den Wachphasen. Wenn dein Baby all diese Punkte erfüllt, dann dürfte alles in Ordnung sein. Ich habe keine Zahlen über den Plötzlichen Kindstod, vielleicht fragst Du dazu den Kinderarzt im Nebenforum. Das größte Risiko besteht meines Wissens nach im ersten Lebensjahr. Du machst dir zudem Sorgen wegen dem Rauchen. Nikotin mag zwar nicht zu den bewusstseinsverändernden Drogen gehören, doch in der Ausatemluft von RaucherInnen befinden sich eine ganze Reihe von Schadstoffen, die für das Kind gefährlich sein können und diese Stoffe sind auch noch einige Zeit NACH dem Rauchen nachweisbar. Man hat herausgefunden, dass deshalb das gemeinsame Schlafen von Babys und Rauchern für das Kind gefährlich sein kann und das Risiko des Plötzlichen Kindstodes erhöht. Daher gilt die Empfehlung, dass in diesem Fall vom gemeinsamen Schlafen abgeraten wird. Wenn man sich die Situation mal objektiv anschaut, wird ein Kind einer Raucherin in einem Umfeld mit Zigarettenrauchs mit all seinen Nachteilen aufwachsen. Demgegenüber stehen die Vorteile des Stillens, auch wenn die Milch mit Nikotin belastet sein wird. Der Plötzliche Kindstod (SIDS) kommt häufiger vor bei Babys von Rauchern. Gestillte Babys von Rauchern haben ein SIDS Risiko, das dem von nicht gestillten (nicht gestillte Babys haben ein höheres Risiko als gestillte Babys) Babys von Nichtrauchern gleich ist. Babys von Rauchern haben häufiger Atemwegserkrankungen. Diese Auswirkungen des Rauchens werden abgemildert wenn das Baby gestillt wird. Im der neuen Ausgabe von „Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit" von Schaefer und Spielmann 6. Auflage, Juni 2001 steht: „Stillenden Müttern ist dringend zu raten, das Rauchen einzustellen und auch darauf zu achten, dass der Säugling nicht durch andere Raucher in der Umgebung mitrauchen muss. Wenn nicht bereits während der Schwangerschaft, sollte spätestens ab der Geburt der Haushalt zur Nichtraucherzone erklärt werden. Sollte der Mutter das Einstellen des Rauchens nicht möglich sein, muss zumindest versucht werden, die Zahl der täglich gerauchten Zigaretten auf 5 zu begrenzen. Ob ab 10 oder 15 Zigaretten täglich empfohlen werden sollte (Anmerkung: andere Autoren geben eine Zahl von 20 an) ist müßig zu erörtern. Es gibt keine Studien, die belegen, ab welcher Zigarettenzahl die Vorteile des Stillens von den Nachteilen des Rauchens überwogen werden. Außerdem ist nicht nur die Anzahl relevant. Das individuelle Rauchverhalten wie Inhalieren, Verwerfen von Zigarettenresten und Markenwahl beeinflusst den Toxineintrag in die Milch ebenfalls erheblich. Einige Autoren empfehlen, wenigstens 2 bis 3 Stunden vor dem Anlegen nicht zu rauchen. Dies erscheint bei Vielraucherinnen wenig praktikabel. Es mag aber als Anreiz zum Wenigerrauchen dienen." Ich hoffe, deine Fragen alle beantwortet zu haben, solltest Du noch Fragen haben, melde dich einfach. LLLiebe Grüße Biggi


Mitglied inaktiv

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Habe noch eine Zusatzinfo vergessen zu schreiben. Ich kann es leider nicht lassen, täglich ca. 3 Zigaretten zu rauchen. Muss ich mir jetzt noch mehr Gedanken wegen des Kindstods machen? LG Mia


Mitglied inaktiv

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hallo mia.!!!!!!!!!!! ich kann deine frage leider nicht beantworten,aber ich bin mir sicher das du genügend antworten bekommst. mir geht es genauso wie dir.ich hab tierische angst vor dem plötzlichen kindstot.meine kleine ist jetzt 9 wochen alt,und ich renn wie ne klucke alle 15 min in ihr zimmer und guck,ob alles ok ist. ich bin gespannt,auf die antworten die du bekommst,vielleicht helfen sie mir auch weiter. liebe grüße aus goslar.


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