Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Kann ich noch irgendwas tun, damit er isst?

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Kann ich noch irgendwas tun, damit er isst?

Schlumpfi11

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Liebe Stillberaterinnen, ich habe hier schon häufiger Hilfe bekommen und schätze sehr Ihre Grundhaltung und die fachliche Kompetenz. Also mal wieder eine Frage... Mein Zweitgeborener ist nun fast 9 Monate alt, und er wird eigentlich noch mehr oder weniger voll gestillt. Er verweigert andere Nahrung fast gänzlich. Ein wenig isst er vom Premilch-Getreide-Obst-Brei, mal etwas Obstmus pur, mal etwas Joghurt, er mag Erdbeeren, er lutscht auch mal an einem großen Stück Fleisch, das man ihm in die Hand geben kann(????) oder einem Stück Brot. Aber einen "üblichen" Gemüsebrei etc. verweigert er komplett. Anfangs, nur Karotte u.ä. hat er bisschen probiert, lief nie gut... Haben auch Fingerfood probiert, auch da war er anfangs interessiert, aber inzwischen auch nicht mehr. Es ist fast, als erkenne er das alles nicht als Essen an. Bei diesen Gelegenheiten "snacked" er höchstens, der Hunger wird an der Brust gestillt. Immer. Kommt das noch? Ich stille ihn gern, kein Thema, und sogar die Nächte sind ok, er kommt so zweimal. Mein erster hat super den Brei gegessen und kam dennoch nachts fast stündlich... Aber er stillt natürlich am Tag oft, er krabbelt, läuft an Möbeln etc., braucht halt Energie. Unf das ist deshalb für mich langsam anstrengend, denn es hat zur Folge, dass er quasi nie mehr als 2 Stunden ohne mich sein kann (höchstens). Ich kann folglich nie mal was mit dem Großen unternehmen und den Kleinen beim Papa lassen. Der Kleine nimmt weder Schnuller, noch Flasche. Außerdem zehrt es, zwei Kinder kosten Kraft, ich bin nun schon lange krank, erst mit Streptokokken, also Antibiotikum, jetzt massive Sinusitis, und eigentlich in ich schon nicht so kraftvoll in das alles gestartet, weil ich aufgrund einer Uterus-Atonie nach der Entbindung große Probleme hatte... Ich habe das Gefühl, mir geht die Luft aus - bin auch meist allein mit beiden, Mann arbeitet viel, keine Großeltern... Ich merke, wie ich schlechtere Nerven bekomme. Haben Sie noch einen Tipp? Oder heißt die Devise halt Durchhalten? Vielen Dank und liebe Grüße!


Biggi Welter

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Liebe Schlumpfi, danke für das liebe Lob! Selbst voll gestillte Einjährige sind nicht die ganz große Seltenheit und es gibt vereinzelte Berichte über Kinder, die sogar noch weit ins zweite Lebensjahr hinein ausschließlich gestillt wurden und dabei gut gediehen sind und sich altersentsprechend entwickelt haben. Ein Kind, das lange jegliche feste Nahrung verweigert, kann aber wohl kaum zum Essen gezwungen werden, denn: was macht ein Mensch, den man mit Gewalt dazu zwingen will, etwas zu tun? Er blockiert oder zerbricht. Beides ist nicht wünschenswert, schon gar nicht in der Eltern Kind Beziehung. Druck und Zwang sind nicht geeignet, um ein Kind zum Essen zu bringen. Im Gegenteil: je mehr Druck, je mehr Kampf es gibt, umso schwieriger wird die Situation und zum Schluss gibt es in diesem Kampf ums Essen nur Verlierer. Verweigert ein Kind deutlich länger jegliche Beikost, ist es allerdings sicher nicht verkehrt, das Kind genauer anzuschauen und eventuell auch die Eisen und Zinkwerte zu kontrollieren. Es kommt zwar eher selten vor, doch manchmal liegt die Essensverweigerung der Kinder gerade an einem Mangel dieser Spurenelemente und dieser Mangel verschärft sich dann noch weiter, wenn das Kind nicht isst. Bitte also zum einen Geduld bewahren, dem Kind fingergerechte Nahrung und gemeinsames Essen am Familientisch und mit anderen Kindern (Nachahmungseffekt) anbieten und einmal von der Kinderärztin/arzt nachschauen lassen. Das Gefühl der totalen Erschöpfung kennen viele Mütter und zwar ganz gleich, ob sie stillen oder nicht. Diese Erschöpfung rührt nicht vom Stillen, sondern von der Tatsache, dass ein Baby (oder gar zwei kleine Kinder) zu versorgen einer der anstrengendsten Jobs ist, den es auf dieser Welt gibt. Und zu allem hören die Arbeit und die Verantwortung für das Kind nie auf: eine Mutter ist 24 Stunden am Tag, sieben Tage dies Woche und 52 Wochen im Jahr im Dienst. Gerade WEIL Sie noch stillen, kommen Sie besser zur Ruhe, als wenn Sie abstillen, denn die Stillpause können auch SIE zum Ausruhen nutzen. Vielleicht ist ja auch nicht eine Veränderung bei der Ernährung (deren Ausgang sehr ungewiss ist) der Weg, der Ihnen weiter hilft. Gibt es die Möglichkeit, dass jemand Sie bei der Hausarbeit entlastet? Können Sie vielleicht einen zuverlässigen Teenager finden, der bereit ist sich stundenweise mit Ihren älteren Kindern zu beschäftigen, so dass Sie etwas Luft zum Ausruhen und Entspannen finden können? Wenn es einen Weg gibt, dass Sie wieder mehr Zeit für sich finden können und so zu etwas Erholung kommen, sind die häufigen Stillzeiten unter Umständen nicht mehr so ein großes Problem. Ihre älteren Kinder können mit Ihnen zusammen zumindest einen Teil der Stillzeiten zu „besonderen" Zeiten machen. Sie können die Stillzeiten dazu nutzen mit den älteren Kindern ein Buch anzuschauen z.B. Astrid Lindgren „Ich will auch Geschwister haben" oder ein Fotoalbum mit Babybildern der größeren Kinder, damit sie sehen wie es war, als sie so klein waren. Sie können auch eine „Stillkiste" zusammenstellen. In dieser Kiste sind besondere Dinge (z.B. ganz spezielle Stifte und glänzende Papierbögen, bunte Perlen, die zu Ketten aufgereiht werden können, ein Spielzeugauto je nachdem, was für die größeren Kinder besonders attraktiv sein kann), die nur zu den Stillzeiten benutzt werden dürfen. Haben Sie ein Tragetuch? Für meine Begriffe gehört ein Tragetuch zu den wichtigsten Dingen der Babyausstattung. Es gibt Ihnen mehr Mobilität und gleichzeitig kann Ihr Baby Ihre Nähe spüren und Sie haben mindestens eine Hand für das Geschwisterkind oder andere Tätigkeiten frei. Wo schläft Ihr Baby denn? Falls es nicht in Ihrer unmittelbaren Nähe schläft, versuchen Sie einmal, es direkt neben Ihnen (entweder auf einer Matratze oder in einem Korb neben Ihrem Bett oder gleich mit in Ihrem Bett) schlafen zu lassen. So bekommen Sie nachts mehr Ruhe als wenn Sie aufstehen müssen. Bitten Sie Ihren Partner, Ihnen am Morgen einen Teller mit Häppchen zurechtzumachen, die Sie mit einer Hand essen können. So können Sie immer wieder einmal etwas aus dem Kühlschrank nehmen und essen. Stellen Sie sich an die Plätze, an denen Sie stillen ein Flasche Mineralwasser, eine Flasche Saft und ein Glas. So können Sie bei jedem Stillen immer etwas trinken. Fahren Sie den Haushalt radikal zurück. Ungeputzte Fenster verursachen keine Seuchen und nächstes Jahr fragt niemand mehr danach, wie oft Sie Fenster geputzt hast, aber eine ausgeruhte Mutter, fühlt sich besser. Tiefkühlgemüse ist nicht giftig und muss nicht geputzt werden. Nicht alles muss wirklich gebügelt werden. Erkundigen Sie sich auch mal, ob Sie nicht eine Haushaltshilfe bekommen können (wegen absoluter und chronischer Erschöpfung). Möglicherweise kann Ihnen auch Ihre Mutter, Schwiegermutter, Schwester oder eine Freundin (selbstverständlich auch das männliche Pendant dazu) etwas unter die Arme greifen. Denken Sie immer nur einen Tag weit und nicht „o Gott wie lange wird das noch so weitergehen". Ich wünsche Ihnen bald wieder ruhigere Zeiten und hoffe, es war ein Hinweis dabei, der Ihnen weiterhilft. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Jendriks_Mama

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Huhuu, ich empfehle Dir das Buch "Mein Kind will nicht essen" von Dr. Carlos Gonzales. Ein ganz, ganz tolles Buch. Nach der Lektüre bist Du tiefenentspannt, versprochen! LG Sarah mit Jendrik


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