Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

blöde Sprüche

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: blöde Sprüche

Olivia81

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hallo ihr Zwei, bin total begeistert vom LLL-Buch "Handbuch für die stillende Mutter". Versuche mich auch die ganzen Still-und sonstige Tipps zu halten. Genau die Sprüche, die in diesem Buch aufgeführt werden, bekomme ich oft von meiner Umwelt zu hören: "Schon wieder stillen, sie hat doch erst von ner halben Stunde was bekommen; gib ihr jetzt mal ne Flasche . dann ist Ruh'", "wenn Du sie immer aufnimmst, wenn sie schreit, wirst Du so ein verzogenes Mädle bekommen" usw... Ich gehe aber nach meinem Gefühl und lasse sie eben NICHT schreien! und nehme sie auf den Arm...Habt ihr für solche Situationen vllt. ein paar Gegensprüche?? Manchmal bringe ich das Elephantenbaby an, das ohne Körperkontakt sogar eingeht.. Aber das könne man ja nicht mit Menschen vergleichen..Tiere haben ja keinen Haushalt, keine Termine etc. LG Olivia Meist kommen die Sprüche von älteren Herrschaften und Müttern, die ihre Kinder mit Flasche groß gezogen haben..


Biggi Welter

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Liebe Olivia, nein, das Kind kann nicht "verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: "Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, läßt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: "Tragen") Es ist nun einmal eine Sache der Einstellung, ob ich mein Kind als "Feind", der mich "drangsalieren" will ansehe und so schnell wie möglich diesem Kind klar machen will, dass ich am längeren Hebel sitze und in der Lage bin, es zu etwas zu zwingen, was dann für mich vielleicht von Vorteil ist, aber die Bedürfnisse und Persönlichkeit des Kindes in keinster Weise berücksichtigt oder ob ich das Kind und mich, ja die ganze Familie, als gleichberechtigtes "Team" sehe, in dem auf das schwächste Glied Rücksicht genommen wird und dem Kind und seinen Bedürfnissen Achtung entgegengebracht wird. Die meisten Mütter haben durchaus noch ein Gefühl dafür, was ihre Kinder brauchen und schaffen es, trotz aller Ratschläge von außen, doch ihrem Gefühl zu folgen. Einige Frauen haben zwar noch das Gefühl, dass ihr Kind Bedürfnisse hat, die gestillt (ist es nicht interessant, dass hier von "stillen" gesprochen wird) werden müssen, sind aber so verunsichert, dass sie gegen ihre innere Stimme handeln. Lass dich nicht verunsichern, in deinem Innern weißt Du, dass dein Kind nicht dein Feind ist, der bekämpft werden muss. LLLiebe Grüße Biggi


mandellos

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Gegensprüche gibt es hier: http://das-kind-muss-ins-bett.de/hints_notneed.html


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