Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Andere Schlafassoziation einführen?

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Andere Schlafassoziation einführen?

ulina1810

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Liebe Biggi, gerne möchte ich auf deinen Rat und deine Erfahrungen zurückgreifen und freue mich, wenn du mir weiterhelfen kannst. Ich habe schon viele Beiträge von dir gelesen. Zwei Anliegen: Ich stille unsere Kleine (fast 7 Monate alte Tochter). Am Tag findet sie auch nur so in den Schlaf, wie viele Babys. Am Abend haben wir ein Ritual. Wenn wir ins Schlafzimmer gehen, stille ich sie vor dem Schlafen noch einmal, da sie keinen Nuckel nimmt und so auch noch einmal etwas runterkommt. Dann lege ich sie in ihr Bettchen, was gleich an meinem angrenzt und sie bekommt ihre Schlafpuppe. Manchmal meckert sie noch kurz, aber beim streicheln und hin und herwälzen schläft sie dann doch zügig ein. Auch in der Nacht nach dem Wickeln, findet sie wieder alleine in den Schlaf. Mich würde interessieren, ob die Kleine jetzt Abends praktisch ohne "Einschlafstillen" einschläft, also man sagen kann, dass sie alleine in den Schlaf findet? Auch der Papa kann sie Abends nach meinem Stillen in den Schlaf begleiten. Zukünftig würde ich sie gerne etwas und sanft darauf vorbereiten, dass schlafen nicht immer etwas mit Stillen zu tun hat. Für mich wäre das doch eine große Entlastung, gerade weil es am Tag gar nicht anders geht. Wäre es da sinnvoller, wenn ich sie Abends in einem anderen Raum stille und dann mit ihr oder mein Mann zum Bett ins Schlafzimmer gehe/geht oder würde das keinen Unterschied für die Kleine machen? Und am Tag nehmen wir derzeit eine leise Spieluhr beim Einschlafstillen - ich habe mich nach Elizabeth Panthley orientiert und wollte ihr so eine andere Schlafassoziation vermitteln. Macht das Sinn und wann merke ich dann, dass sie nur die Spieluhr braucht und nicht die Brust? Oder wird das wenig Erfolg haben, weil sich das doch stark manifestiert hat? Gibt es dazu Erfahrungen, die du berichten kannst? Beim Papa ist sie am Tag sehr sehr weinerlich und schreit stark, wenn er sie in den Schlaf bringen will und im Arm hält. Ablegen geht erst recht nicht! Sodass er sich mit ihr hinlegen könnte und sie streichelt. Für uns wäre es schön, wenn das natürlich klappt, gerade weil sie auch neben mir an der Brust am Tag sehr sehr unruhig schläft und nie länger als 30min schafft. Mit der Brust dann auch mal eine Stunde mehr, aber sie ist nach dem langen Schlaf trotzdem noch müde. Ich freue mich über deine Antwort! Liebe Grüße Insa


Biggi Welter

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Liebe Insa, es ist absolut normal (und auch gesund), dass dein Kind jetzt auf dich bezogen ist. Diese Bindung ist die Grundlage für die Bindungsfähigkeit des Kindes überhaupt. Deine Tochter ist jetzt wohl in der klassischen „Fremdelphase". Das ist eine anstrengende Zeit für alle Beteiligten und ein riesiger Sprung in der Entwicklung deines Kindes. Die Kleine vollbringt eine große Leistung. Sie lernt fremd von bekannt zu unterscheiden und zu werten „muss ich da vorsichtig sein". Selbstverständlich spiegeln sich diese Verwirrung und auch die Ängste auch im Schlafverhalten wider. Das Abgleiten in den Schlaf geschieht nun nicht mehr automatisch wie beim ganz jungen Säugling, sondern dein Kind entwickelt ein Bewusstsein dafür, dass sich da etwas verändert und dass es keine Macht darüber hat, was passiert, wenn es schläft. So anstrengend es auch sein mag, die Geduld, die Du jetzt aufbringst zahlt sich aus. Bei manchen Kindern dauert es länger, bis sie selbstbewusst und forsch ins „fremde" Außenleben gehen, bei anderen geht es schneller und wie bei allen anderen Entwicklungsschritten kannst Du dein Kind liebevoll begleiten, aber Du kannst das Reifen des Kindes nicht beschleunigen oder erzwingen. Du kannst sicher so weiter machen, wenn dein Kind am Abend ohne Stillen einschläft, ist das schon ein enormer Schritt und auch am Tag wird das klappen, wenn dein Baby reif genug dafür ist. Je mehr Druck Du jetzt ausübst, umso eher wird dein Kind noch unruhiger und noch anhänglicher. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Leider geht der Trend zu immer früherer Anwendung sogenannter Schlaftrainingsprogramme und Eltern von Babys, die sich nicht dieser „Norm" anpassen, wird mehr oder weniger direkt vermittelt, dass sie selbst schuld sind, ja manchmal kommt unterschwellig sogar dazu, dass dies Eltern sich als Versager fühlen sollten. Ein Baby schläft ohne Brust ein, sobald es reif genug dazu ist. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass Du noch die nächsten Jahre damit verbringen musst, dein Baby in den Schlaf zu stillen, wahrscheinlich wird es sogar schneller vorbei sein, als Du es dir jetzt vorstellen kannst. Hast Du schon einmal versucht, dein Kind tagsüber im Tragetuch schlafen zu lassen? So hättest Du die Hände frei und könntest etwas tun und dein Kind könnte deine Nähe spüren und würde wahrscheinlich recht gut schlafen. Ich empfehle dir gern noch das Buch von Sibylle Lüpold: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Von ihr ist auch die Broschüre "Kinder brauchen uns auch nachts", in der 20 namhafte Experten wie Dr. William Sears, Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Dr. Remo Largo gute Argumente liefern , weshalb von der Anwendung eines Schlaftrainings, wie zum Beispiel der Ferber-Methode (dem "Schreien lassen"), abzuraten ist. http://www.fuerkinder.org/files/broschre_kinder_brauchen_uns_auch_nachts_de.pdf LLLiebe Grüße Biggi


ulina1810

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Super, vielen lieben Dank! Deine Worte bauen mich echt auf und ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Man zweifelt zwischenzeitlich echt, wie lange das so weitergeht und ob man irgendwas "verpasst", damit sie die richtige Richtung einschlägt. Großes Lob noch an euch, dass ihr hier die unzähligen Fragen, wovon sicher viele immer wieder die selben sind, so ausführlich und individuell beantwortet. Liebe Grüße, Insa


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