Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

1 1/4 Std. stillen - kann das sein?

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: 1 1/4 Std. stillen - kann das sein?

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Liebe Biggi! Merlin ist jetzt 6 Wochen alt. Bis jetzt hat das Stillen eigentlich immer gut geklappt, doch seit ein paar Tagen bringt der Kleine mich zur Verzweiflung. Er kommt alle 2-3 Stunden tagsüber wie auch in der Nacht. Das ist auch alles OK. Doch seit ein paar Tagen schläft er tagsüber so gut wie gar nicht. Sobald ich ihn hinlegen möchte, fängt er an zu jammern und zu schreien. Wenn ich ihn auf den Arm nehme, fängt er sofort an zu suchen. Auch abends bekomme ich ihn nicht zum schlafen. Er gähnt zwar und ihm fallen auch die Augen immer wieder zu (schläft ein), doch sobald er liegt, ist er wieder hellwach, weint. Sobald er wieder hochgenommen wird, sucht er wieder. Heute abend habe ich ihn über 1 1/4 Std. gestillt (mit kleinen Pausen für's Bäuerchen). Doch selbst nach dieser langen Zeit, hatte er anscheinend noch immer hunger, denn schlafen wollte er einfach nicht. Er hat wieder angefangen zu weinen, wenn ich hinlegen wollten, obwohl er selbst den Trinkvorgang beendet hat. Dann hat er wieder angefangen zu trinken. Meine Brustwarzen tun mir schon langsam weh, denn er zieht immer daran, nimmt sie und stößt sie wieder weg. In den letzten Tagen bin ich nicht dazu gekommen richtig "normal" zu essen, da Merlin mich so auf Trapp gehalten hat (konnte ihn nicht für 5 Min. hinlegen). Manchmal denke ich, ich bin Schuld an dieser Unruhe. Vielleicht macht ihn meine MuMi nicht satt, da ich nicht genug esse (trinken tue ich genug). Kann das sein??? MuMi habe ich genug, ich trinke schon immer Still-Tee, da ich denke ich bekomme ihn nicht satt. Doch wir haben ihn jetzt nach einer Woche wieder gewogen und er hat 450 g zugenommen. Mach er vielleicht einen Wachstumsschub? Ich hoffe du kannst mir helfen, denn ich bin einfach mit meinen Nerven ein bißchen zu Fuß. Danke im voraus!


Biggi Welter

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? Liebe Tina, keine Angst, Merlin wird mit Sicherheit satt, bei dieser Gewichtszunahme besteht da kein Anlass zu Bedenken. Aber es ist ohnehin nicht so, dass sich deine Ernährung so auf die Qualität deiner Milch auswirken würde, dass diese nicht mehr satt machen würde. Obwohl sich Frauen in verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Kulturen sehr unterschiedlich ernähren gibt es so gut wie keine Unterschiede in der Zusammensetzung der Muttermilch. Es ist sehr schwierig bis unmöglich, die Milchzusammensetzung deutlich über die Ernährung zu beeinflussen. Dies mag ein Schachzug der Natur sein, um das Überleben des Babys zu sichern. Ernährt sich eine Mutter nicht gut, so geht dies zunächst nicht zu Lasten der Qualität der Muttermilch, sondern zu Lasten der Mutter. Erst wenn die Reserven der Mutter erschöpft sind (zum Beispiel bei schwer unterernährten Frauen in Hungergebieten), kommt es zu Veränderungen der Muttermilch, die jedoch weniger die Qualität als die Quantität betreffen. Du musst übrigens auch keinen Stilltee trinken. Die Wirksamkeit dieser Teemischungen konnte wissenschaftlich nie bewiesen werden, wohl aber die Nebenwirkungen, denn nicht wenige Kinder reagieren mit Bauchproblemen auf den von der Mutter getrunkenen Milchbildungstee. Richte dich mit deiner Trinkmenge nach deinem Durstgefühl. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys (und keinesfalls ein Einschlafproblem). Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Es kann aber auch zu anderen Tageszeiten zu solchen Phasen kommen. Dazu kommt, dass in bestimmten Alterstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Das Dauerstillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, das die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Nun haben aber die meisten Babys noch ein deutliches Bedürfnis auch nach dem unmittelbaren Stillen des Hungers noch weiter zu saugen. Diese non-nutritive Saugen (nicht der Ernährung dienendes Saugen) ist ebenfalls wichtig. Dass dein Kind jedoch nicht alleine irgendwo liegen mag, hat noch andere Gründe: Ein kleiner Mensch ist nicht dafür gedacht, dass es alleine irgendwo abgelegt wird. Menschenbabys gehören in die Kategorie der Traglinge, die den anhaltenden Körperkontakt mit der Mutter brauchen. „Ableglinge" sind eine Wunschvorstellung unserer Gesellschaft, aber bisher wurden noch keine Säugelebewesen dieser „Art" gefunden. Die meisten Eltern überschätzen das Schlafbedürfnis ihrer Babys und gerade die abendliche Unruhe junger Säuglings hat nicht unbedingt etwas mit Schlafmangel zu tun. Es gibt keine Mindestdauer an Schlaf, die so ein kleines Wesen einhalten muss. Viele Mütter glauben, dass ihre Babys zu wenig schlafen, doch Babys sind gesellige Wesen und wollen die Welt, in die sie hineingeboren wurden kennen lernen. Deshalb schlafen sie deutlich weniger als die meisten Eltern erwarten. Es ist durchaus üblich, dass ein wenige Wochen altes Baby tagsüber kaum noch schläft, schließlich muss es seine Welt entdecken und außerdem wissen die Kinder selbst am besten, wieviel Schlaf sie brauchen. Es ist nicht sehr erstaunlich, dass ein Kind wieder aufwacht, wenn es nach dem Stillen hingelegt wird, denn es bekommt die Lageveränderung durchaus mit. Es wird einfach deshalb wach, weil es durch die Lageveränderung von senkrecht zu waagerecht geweckt wird. Eine solche Lageveränderung reizt das Gleichgewichtsorgan im Ohr und kann dazu führen, dass das Baby aufwacht. Wenn ein Baby liegend (an der Brust) einschläft und liegen bleiben kann, die Lageveränderung also wegfällt, sind die Chancen, dass es weiterschläft erheblich besser. Möglicherweise wird dein Kind auch wach, weil das Bett kälter ist als der Körper von Mutter oder Vater. Diese Temperaturunterschiede können ebenfalls zum Aufwachen führen. Hier hilft es, das Baby in eine Decke zu wickeln und in die Decke eingewickelt hinzulegen. Auch der Kopf sollte in der Decke liegen. Das widerspricht dem Bild vom süß in der Wiege schlummernden Baby, das fast alle Frauen (zumindest beim ersten Baby) haben. Es ist jedoch nicht verwunderlich, dass dein Baby weint, wenn es abgelegt wird. Die Lösung, wie das Baby am Alltag teilnehmen kann und sich bei der Mutter geborgen fühlt und die Mutter sich um den Haushalt oder andere Dinge zu kümmern kann heißt Tragetuch. Für meine Begriffe gehört ein (ausreichend langes) Tragetuch zu den wichtigsten Teilen einer Babyausstattung. Ein Tragesack kann ebenfalls als Tragehilfe verwendet werden, ist jedoch lange nicht so vielseitig, wie ein Tuch und ein korrekt gebundenes Tuch ist aus orthopädischer Sicht günstiger zu beurteilen als ein Tragesack. Ein Tragetuch ist fast ein Zaubermittel. Dein Baby kann deine Nähe spüren, es wird sich an deinem Körper beruhigen, Koliken verringern sich, es wird weniger weinen, vielleicht sogar recht gut schlafen und Du hast mindestens eine Hand frei (und auch deinen Kopf, weil das Baby wieder ruhiger ist), um andere Dinge zu tun. Versuchs einmal. Eine Autorin nennt dies so schön „Perspektive teilen". Das Tragetuch ermöglich es dem Kind, am Leben der Familie problemlos teilzunehmen und mit dir die Perspektive zu teilen. Lass dir einmal von einer tucherfahrenen Frau zeigen, wie vielseitig ein Tragetuch eingesetzt werden kann. Du wirst vielleicht sehr erstaunt sein, wie einfach der Alltag mit einem Kind im Tuch wieder wird. Tucherfahrene Frauen findest Du in fast jeder Stillgruppe und es wäre überhaupt ein guter Gedanke einmal ein Stillgruppentreffen zu besuchen. Neben vielen nützlichen Tipps bekommst Du dort auch moralische Unterstützung. Wenn Du mir deinen Wohnort mit Postleitzahl angibst, suche ich dir gerne die nächstgelegene LLL-Stillberaterin heraus. LLLiebe Grüße Biggi


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