Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Progesteroneinnahme und Kinderkrebs

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Progesteroneinnahme und Kinderkrebs

Velvet879

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Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, durch Zufall stieß ich auf eine dänische Studie (Bekanntgabe Ende letzten Jahres), die herausgefunden haben soll, dass insbesondere ALL und Neuroblastome (etc.) bei Kindern von Müttern, die eine Hormonbehandlung in der Schwangerschaft erhalten hatten, signifikant erhöht sei. Progesteron ab Ovulation oder gar Clomifen davor kann, je nach Zeitraum der Einnahme, ein hohes Risiko für Kinderkrebs sein. Zum Nachlesen für Sie, bitte bei Google eingeben "Progesteron unter Verdacht" - dann erscheint es ganz oben als Treffer. --> www.medscapemedizin.de/artikelansicht/4903093 Der Artikel hat mich sehr schockiert, da ich eine Mutter (35) von 3 Kindern bin, die bei 2en mit Clomifen und viel Progesteron "gearbeitet" hat. Leider kann ich selber das Risiko nur schwer einschätzen und möchte diesbezüglich von Ihnen gerne, wenn möglich, in Erfahrung bringen, was sie dazu noch aktuell wissen. Ob es Prozentzahlen dazu gibt oder ob schlussendlich noch ein paar andere Faktoren mit einfließen müssen, dass ein Kind an Krebs erkrankt. Aber schon eine 50/50-"Chance" (für die Progesteron- und/oder Clomifenkinder) wäre ja schon riesig. Leider verstehe ich die Studie nicht so ganz, weil der Hazard Ratio für mich noch schwer greifbar ist. Ob die Zahlen in der Studie sehr hoch sind...? Ich bedanke mich recht herzlich im Voraus und verbleibe mit freundlichem Gruß, Velvet879


Dr. Wolfgang Paulus

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Leider stiften solche Fall-Kontroll-Studien häufig Verwirrung. Ausgangspunkt dieser Untersuchung waren Fälle von Kindern mit Tumorentwicklung. Betrachtet man die 48 Kinder mit Leukämie, so hatten in 18 Fällen (37,5%) die Mütter im Rahmen der Kinderwunschbehandlung Progesteron erhalten, während bei einer Vergleichsgruppe von 1.289 gesunden Kindern 222 Mütter (17,2%) Progesteron erhalten hatten. Hier wird also aus dem Blickwinkel der erkrankten Kinder die Vorgeschichte durchforstet. Für den Alltag wäre es jedoch interessant zu erfahren, wie viele Mütter unter Progesteron-Therapie Nachkommen mit Tumoren erwarten müssen. Das lässt sich jedoch aus diesen rückblickenden Fall-Kontroll-Studien leider nicht ableiten. Außerdem kann man aus diesen Fall-Kontroll-Studien keinesfalls einen klaren Zusammenhang von Ursache (z. B. Progesteron) und Wirkung (z. B. kindlicher Tumor) herstellen. Natürlich sind in Deutschland die Geburtenzahlen und die Zahl der Störche in den letzten 50 Jahren deutlich gesunken. Doch ist der Storch nicht unbedingt für die niedrige Geburtenrate verantwortlich. Eine Klärung ließe sich nur durch prospektive Kohortenstudien erreichen, d. h. einen Vergleich von zwei Gruppen von Müttern mit Kinderwunschtherapie: Wenn die Gruppe unter Progesteron-Behandlung signifikant häufiger Nachkommen mit Tumoren zu beklagen hätte gegenüber einer Kontrollgruppe ohne Progesteron-Therapie, dann wäre die Sachlage einfacher zu interpretieren.


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