Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Massiv viel Formalin

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Massiv viel Formalin

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Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, ich bin völlig fertig. Ich arbeite in der Pathologie. Es riecht im Labor immer nach Formalin. Wir haben einen neuen Behälter und jeder kippte die Eimer daneben. Es war die Hölle, brannte, die Augen tränten. Ich war noch 4 h im Labor, bevor ich Feierabend hatte. Jetzt war mein Schwangerschaftstest positiv und man hat in Ultraschall schon etwas gesehen. Der Tag mit dem massiven Formalin muss ca am Ende der ersten Woche nach Eisprung, gewesen sein, also 3. SSW. Grenzwerte wurden garantiert nicht eingehalten. Es standen große Pfützen, die nur mit trockenen Tüchern, nicht aber feucht nachgewischt wurden. Die Lüftung schaffte es nicht, da auch alle Mülleimer voll von den getränkten Tüchern waren. Nun weiß ich nicht, ob eine Abtreibung in Frage kommt. Ich mache mir solche Sorgen. Zählt auch bei Formalin alles oder nichts bis 14 Tage nach Eisprung?


Dr. Wolfgang Paulus

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Tierversuche legen nicht den Verdacht nahe, dass eine Formaldehyd-Exposition in der Schwangerschaft zu einem erhöhten Fehlbildungsrisiko führt. Formalin wird über die Lungen und den Gastrointestinaltrakt resorbiert. Am Arbeitsplatz sollte die Atemluft nicht mehr als 0,3 ppm enthalten (ACGIH, 1995-1996). Der Geruch kann von den meisten Menschen bei Konzentrationen von 0,8 ppm wahrgenommen werden (CHRIS, 1992). In Deutschland gilt für Formaldehyd eine maximale Arbeitsplatzkonzentration von 370 µg/m3 (DFG 2000). Für das Bauwesen ist für Gebäude bei einer Zertifizierung nach der Deutschen Gesellschaft nachhaltiges Bauen (DGNB) ein Formaldehyd-Grenzwert von 120 μg/m³ definiert. In einer Kohortenstudie mit 316 OP-Schwestern, die neben Narkosengasen auch Formalindämpfen im ersten Schwangerschaftsdrittel ausgesetzt waren, zeigte sich ein signifikanter Anstieg der Abortrate (Saurel-Cubizolles et al 1994). In Fall-Kontroll-Studien mit 61 Kosmetikerinnen (John et al 1994) und 206 Laborassistentinnen (Taskinen et al 1994) ergab sich ein schwacher Zusammenhang zwischen Formalin-Exposition im ersten Schwangerschaftsdrittel und Spontanaborten (Odds Ratio=2,1, 95%-Konfidenzintervall 1,0-4,3 bzw. Odds Ratio=3,5, 95%-Konfidenzintervall 1,1-11,2). In einer älteren Fall-Kontroll-Studie mit 164 Krankenschwestern konnte kein Zusammenhang zwischen einer Arbeitsplatzexposition mit Formalin und Spontanaborten hergestellt werden (Hemminki et al 1985). Eine Übersichtsarbeit von Toxikologen kam 2001 zu dem Schluss, dass die Formalin-Exposition an typischen Arbeitsplätzen keine Gefahren für die Beschäftigten bei Kinderwunsch bzw. in der Schwangerschaft mit sich bringt (Collins et al 2001). Sofern die Anwendung einer potentiell fruchtschädigenden Substanz im Zeitraum der Alles-oder-Nichts-Regel (innerhalb von zumindest 14 Tagen nach Empfängnis) erfolgt, wäre bei schädigenden Einwirkungen entweder ein Abort oder ein Neugeborenes ohne erhöhtes Fehlbildungsrisiko zu erwarten. Die anfangs pluripotenten Zellen können in dieser Zeit noch geschädigte Zellen ersetzen, so dass die weitere Entwicklung ungestört verläuft, sofern der toxische Schaden nicht so groß ist, dass die Frucht mit der nächsten Regelblutung abgeht. Da es sich bei Ihnen ja nicht um eine dauerhafte berufliche Exposition in hohen Konzentrationen gehandelt hat, sehe ich kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko.


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Habe nochmal nachgeschaut, nach errechnetem ET sollte es der 9. Tag nach Eisprung gewesen sein, allerdings bei unregelmäßigem Zyklus zwischen 26 und 32 Tagen.


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Mein Mann hat sich einen anderen Tag für das Formalinereignis gemerkt. Dann wäre es genau am Eisprung bzw plus minus 3 Tage nach dem, was der Gynäkologe nach der letzten Regel bei unregelmäßigem Zyklus annimmt. Meist waren es aber 32 Tage, womit es am Eisprung gewesen sein sollte.


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