Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Clarithromyzin

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Clarithromyzin

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Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, ich bin in der 15. SSW und leide seit ca. vier Wochen unter starkem Husten. Vorgestern war ich beim Arzt, Diagnose: asthmoide Bronchitis. Ein Antibiotikum sei vonnöten. Aufgrund meiner Penicillin-Allergie verschrieb er mir Erythro 1000 von ct Granulat. Ich reagierte mit starker Übelkeit und heftigem Erbrechen. Der Arzt verwies mich nunmehr an meine Frauenärztin. Diese wiederum riet mir zu: Clarithromyzin 250 mg. Morgen habe ich einen Termin wieder beim Hausarzt, der mir dieses Mittel dann wohl verschreiben wird. Nun meine Fragen an Sie: Das Clarithromyzin lt. Auskunft der Ärzte angeblich kein "Mittel der ersten Wahl". Außerdem hörte ich, dass es noch nicht soo erforscht sei. Welche Meinung haben Sie dazu? Was kann schlimmstenfalls passieren? Gibt es - außer dem Clarithromyzin - noch andere Alternativen? Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank im Voraus.


Dr. Wolfgang Paulus

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Bei Clarithromycin handelt es sich um ein halbsynthetisches Derivat von Erythromycin. Im Tierversuch ergab sich bei humantherapeutischen Dosen kein Anhalt für eine Fruchtschädigung. In einer Zusammenstellung von 34 Expositionen im ersten und frühen zweiten Schwangerschaftsdrittel fanden sich neben vier Spontanaborten und vier Schwangerschaftsabbrüchen weitgehend unauffällige Neugeborene (Schick et al 1996). In einer weiteren prospektiven Studie wurden 157 Schwangerschaftsausgänge, davon 122 nach Exposition mit Clarithromycin im ersten Schwangerschaftsdrittel dokumentiert (Einarson et al 1998). Während die Fehlbildungsrate nicht erhöht war, zeigte sich eine höhere Rate an Spontanaborten. In einer retrospektiven Untersuchung auf der Grundlage der Verschreibung von Clarithromycin im ersten Schwangerschaftsdrittel wurden unter 149 Neugeborenen 13 Fälle angeborener Anomalien registriert. Schwerwiegendere Fehlbildungen traten in 5 Fällen auf (1 x Trisomie 13, 2 x angeborene Herzfehler, 1 x Analatresie mit Wirbelsäulen- und Rippendeformation, 1 x intraabdominale Hoden), was einer durchaus üblichen Rate von 3,4% entspricht (Drinkard et al 2000). Wir verfügen über 142 Rückmeldungen nach Exposition mit Clarithromycin in der Frühgravidität: 16 Schwangerschaftsabbrüche (ohne Anhalt für Fehlbildung!) 14 Spontanaborte 106 unauffällige Neugeborene 6 Anomalien Unter den Fehlbildungen finden sich 1 Hüftdysplasie, 1 Hodenhochstand, 1 Herztumor, 1 Sichelfuß, 1 Vorhofseptumdefekt + Lungenvenenfehlmündung sowie 1 Ventrikelseptumdefekt. Ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko (Basisrisiko für Fehlbildungen: 3 bis 5%) ist aufgrund der aktuellen Datenlage bei Ihnen nicht anzunehmen, zumal Sie sich bereits jenseits der sensiblen Phase der Organdifferenzierung (1.Schwangerschaftsdrittel) befinden. Der Einsatz von Clarithromycin wäre demnach bei Ihnen durchaus in der aktuellen Schwangerschaftsphase vertretbar.


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