Weiskirchen
Sehr geehrter Herr Dr. Gagsteiger, mein Mann ist an Borreliose erkrankt und nimmt seit gestern für 20 Tage das Antibiotikum Doxycyclin. In meinem nächsten Zyklus, der in ca. 12 Tagen beginnt, wollten wir mit der vierten Stimulation und ICSI beginnen. Ich bin inzwischen 43 (nach zwei Fehlgeburten) und es wäre auch deswegen sehr frustrierend, die Behandlung um drei Monate zu verschieben, zumal dann ja auch wieder eine andere Krankheit akut sein könnte. Unser Kinderwunschzentrum überlässt uns die Entscheidung. Deswegen wende ich mich mit dieser Problematik an Sie. Ist die geplante ICSI im nächsten Zyklus möglich, auch wenn mein Mann jetzt das Antibiotikum nehmen muss? Wir wären Ihnen für Ihre Einschätzung und Ihren Rat sehr dankbar! Herzliche Grüße!
Guten Abend, vielen Dank für Ihre Nachricht und die Schilderung der Situation. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sie ungern noch einmal mehrere Monate warten möchten – gerade auch angesichts Ihres Alters und der bereits gemachten Erfahrungen. Zum Hintergrund: Doxycyclin wirkt als Antibiotikum nicht direkt schädigend auf die Samenzellen selbst. Während der Einnahme können die Spermienqualität und -beweglichkeit allerdings vorübergehend etwas beeinträchtigt sein, sowohl durch das Medikament als auch durch die zugrunde liegende Infektion. Die Neubildung von Spermien dauert etwa 72 Tage, sodass theoretisch ein Einfluss auf die Spermien, die jetzt gerade in Reifung sind, noch Wochen später messbar sein könnte. In der Praxis zeigt sich aber: Nach Abschluss einer Doxycyclin-Therapie kann durchaus sofort ein Kinderwunsch- oder ICSI-Versuch erfolgen, insbesondere wenn – wie in Ihrem Fall – die Zeit drängt. Meine Einschätzung: Eine ICSI im kommenden Zyklus ist medizinisch möglich. Da bei der ICSI ohnehin einzelne Spermien ausgewählt und verwendet werden, spielt eine vorübergehende Beeinträchtigung der Gesamtqualität meist eine geringere Rolle. Das Risiko für eine Schädigung des Embryos durch das Antibiotikum selbst besteht nicht. Wichtig ist lediglich, dass es Ihrem Mann klinisch wieder besser geht und keine Fieberphasen bestehen, da Fieber die Spermatogenese stärker beeinträchtigen könnte. 👉 Wenn Sie also nicht noch länger warten möchten, spricht medizinisch nichts dagegen, die geplante Stimulation und ICSI im nächsten Zyklus durchzuführen. Falls eine gewisse zusätzliche Sicherheit gewünscht ist, könnte man ein aktuelles Spermiogramm oder eine CASA-Analyse (ggf. auch mit DNA-Fragmentationsindex) durchführen, bevor die ICSI startet. Auch moderen Microfluid-Separationskammern verbessern die Situation. Herzliche Grüße Ihr Dr. Friedrich Gagsteiger
Weiskirchen
Sehr geehrter Herr Dr. Gagsteiger, ganz herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort und Einschätzung! Auf diesem doch sehr steinigen Weg Hilfe zu bekommen, ernst genommen zu werden und verstanden zu werden, ist selten und kostbar. Wir wissen Ihr Engagement sehr zu schätzen - Danke! Der Leiter der Kinderwunschklinik hat uns inzwischen doch von der eigentlich Anfang Oktober geplanten ICSI aufgrund der Borreliose meines Mannes abgeraten, was uns sehr verunsichert und auch trifft. Wir überlegen nun, was "klug" ist - seinem Rat zu folgen und zu warten und wenn ja, wie lange? Oder doch dem ursprünglichen Plan zu folgen und in ca. 6-7 Tagen mit der Stimulation beginnen? Vielleicht kann man Stimulieren und die entnommenen Eizellen bei einem eventuell eingeschränkten / schlechten Spermiogramm einfrieren oder verschlechtert man durch das Einfrieren die Erfolgschancen? (Wie gesagt bin in inzwischen 43.) Mein Mann hatte bereits beim letzten ICSI- Versuch im Juni ein eingeschränktes Spermiogramm, was unter Umständen an einer starken Bronchitis verbunden mit Asthmaanfällen im April gelegen haben könnte. Wir haben die ICSI trotzdem im Juni (auch wegen des zeitlichen Drucks) durchgezogen, leider waren alle sechs gewonnenen Embryonen genetisch nicht in Ordnung. Die Spermienkonzentration lag im März bei 15 Mio/ml, im Juni bei 10. Die gesamte Beweglichkeit im März lag bei 65%, progressiv beweglich 29% und lokal beweglich 36% und im Juni lag die gesamte Beweglichkeit bei 30%, die progressive Beweglichkeit nur noch bei 10% und die lokale Beweglichkeit bei 20%. Die Morphologie lag im März bei 6%, im Juni nur bei 1%. Die Gesamtzahl im März 30 Mio, im Juni 24 Mio. Die Vermutung liegt nahe, dass die heftige Erkrankung also im Juni negative Auswirkungen gezeigt hat. Nun stehen wir mit der Borreliose und dem Antibiotikum vor einem ähnlichen Problem. Darf ich erneut um Ihre Einschätzung bitten, nachdem ich Ihnen diese Umstände und Werte noch mitgeteilt habe? Nochmals ganz herzlichen Dank!
Guten Abend, herzlichen Dank für Ihre offenen und sehr ehrlichen Zeilen – ich verstehe gut, wie belastend diese Situation für Sie beide ist. Ich möchte die verschiedenen Aspekte systematisch betrachten: 1. Einfluss von Infekten auf die Spermaqualität Sowohl eine schwere Bronchitis mit Asthmaanfällen als auch eine Borreliose mit Antibiotikatherapie können die Spermienqualität vorübergehend beeinträchtigen. Spermien benötigen rund 72–90 Tage, um sich vollständig zu entwickeln. Krankheiten und Medikamente in dieser Zeit spiegeln sich also oft erst mit 2–3 Monaten Verzögerung im Spermiogramm wider. Ein kurzfristig schlechtes Ergebnis bedeutet daher nicht automatisch eine dauerhafte Einschränkung. 2. Ihre aktuelle Situation (43 Jahre) Mit 43 ist die Eizellreserve und -qualität der entscheidende Faktor. Jede Verzögerung bedeutet leider auch ein weiteres Fortschreiten der altersbedingten Einschränkung. Deshalb muss man bei Ihnen die Risiken für die Spermienqualität gegen den Zeitfaktor bei der Eizellqualität abwägen. 3. Strategien Option A: Abwarten Vorteil: Spermaqualität kann sich nach durchgemachter Borreliose und Antibiotikatherapie erholen. Nachteil: Sie verlieren wertvolle Zeit, da mit 43 jeder Monat zählt. Option B: Jetzt stimulieren, Eizellen einfrieren (Vitrifikation von MII-Eizellen) Vorteil: Sie sichern sich reife Eizellen jetzt, unabhängig vom aktuellen Spermiogramm. Nachteil: Eizellen sind grundsätzlich empfindlicher beim Einfrieren und Auftauen als Embryonen. Die Überlebensraten sind aber in modernen Zentren mit Vitrifikation >90%. Die Befruchtungsraten nach Auftauen sind leicht niedriger als bei frischen Eizellen, aber dennoch oft zufriedenstellend. Option C: Stimulation, ICSI mit vorhandenem Sperma – wenn die Qualität stark eingeschränkt ist Es kann passieren, dass die Befruchtungsrate niedrig ist oder sich genetisch auffällige Embryonen entwickeln (wie bei Ihrem letzten Versuch). Ergänzende Verfahren wie Separationskammern, MACS, IMSI, PICSI oder DNA-Fragmentationstest könnten helfen, die besten Spermien auszuwählen. 4. Meine Einschätzung Das größte Risiko liegt aktuell nicht in der Borreliose oder im Antibiotikum Ihres Mannes, sondern in Ihrem Eizellalter. Warten kann sinnvoll sein, wenn man Zeit hat – in Ihrer Situation würde ich das nicht empfehlen, weil jeder Monat entscheidend sein kann. Am vernünftigsten erscheint mir: Jetzt stimulieren und Eizellen gewinnen. Abhängig von der aktuellen Spermaqualität entweder: frisch befruchten (ICSI), wenn die Werte akzeptabel sind, oder Eizellen einfrieren, falls die Qualität zu schlecht ist. So hätten Sie in jedem Fall „Eizellen“ gesichert, unabhängig davon, wie sich die Spermienqualität entwickelt. 5. Zusätzliche Überlegungen Eine genetische Auffälligkeit aller Embryonen im Juni kann zufällig sein, hängt aber auch mit der altersbedingt höheren Aneuploidierate der Eizellen zusammen. Umso wichtiger ist es, mehrere Eizellenzyklen zu sichern, um die Chancen auf einen genetisch intakten Embryo zu erhöhen. Parallel könnte bei Ihrem Mann eine DNA-Fragmentationsanalyse sinnvoll sein, um die Spermienqualität genauer einzuschätzen und ggf. gezielte Therapien (Antioxidantien, entzündungshemmende Maßnahmen, evtl. Kryokonservierung in einem „gesunden Fenster“) einzuleiten. ✅ Fazit für Sie: Ihre Sorge ist absolut nachvollziehbar. Aufgrund Ihres Alters und der Bedeutung der Eizellqualität würde ich nicht zu lange abwarten. Eine Stimulation mit Eizellgewinnung jetzt ist sinnvoll, auch wenn die Spermasituation nicht optimal ist. Notfalls können die Eizellen eingefroren werden – das ist besser, als wertvolle Zeit zu verlieren. Viel Glück!
Weiskirchen
Guten Abend Herr Dr. Gagsteiger, ganz herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort und Einschätzung unserer Situation! Es ist sehr schade, dass sich Ihr Zentrum in Düsseldorf noch im Aufbau befindet, also momentan noch nicht aufgesucht werden kann. Wir haben den Eindruck, dass sich jedes Paar mit Kinderwunsch in Ihrer Betreuung sehr glücklich schätzen kann. Danke, dass Sie auch anderen Paaren wie bspw. uns über dieses Forum zur Verfügung stehen! Wir wissen Ihren Einsatz und Ihre Unterstützung sehr zu schätzen! Danke!
Guten Tag, haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihre warmen und wertschätzenden Worte – das bedeutet uns wirklich sehr viel! Es freut uns zu hören, dass Sie unsere Arbeit und unseren Einsatz so wahrnehmen und dass der Austausch für Sie hilfreich ist. Wir engagieren uns hier aus voller Überzeugung und mit großer Freude, weil uns das Thema Kinderwunsch und die Begleitung von Paaren sehr am Herzen liegt. Wenn Sie uns etwas zurückgeben möchten, freuen wir uns ganz besonders über eine positive Bewertung auf www.bestfertility.de bei Google Maps oder Google – damit unterstützen Sie uns am meisten. Mit den besten Grüßen Ihr Dr. Friedrich Gagsteiger
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