Frage im Expertenforum Frühgeburt an Prof. Dr. med. Gerhard Jorch:

Überprüfung auf Behandlungsfehler durch private KV üblich?

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch
Kinderarzt und Neonatologe

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Frage: Überprüfung auf Behandlungsfehler durch private KV üblich?

KleineKämpfer

Lieber Herr Prof. Dr. Jorch, meine Zwillinge wurden 11/2010 in SSW 26+6 (aufgrund einer Infektion mit Gebärmutterhalsverkürzung und Trichterbildung in der 23. SSW) geboren. Mein Sohn hatte eine sehr schwere BPD und wurde nach 18 Wochen mit Sauerstoff entlassen. Aufgrund einer zusätzlich stark ausgeprägten Trinkschwäche (zeitweise auch zu Hause Magensonde) und einer starken Entwicklungsverzögerung und daraus resultierendem Physiotherapiebedarf wurde im Sommer 2011 im Rahmen einer Pflegebegutachtung Pflegestufe 1 festgestellt und ich erhielt befristet für 1 1/2 Jahre Pflegegeld. Jetzt hat mich meine private Krankenversicherung kontaktiert und mir geschildert, dass diese überprüfen möchte, ob es während der Schwangerschaft, unter oder nach der Geburt zu Behandlungsfehlern kam um wohl ggf. Regressansprüche geltend machen zu können und in irgendeiner Form Kosten bzw. insbesondere wohl das Pflegegeld einzufordern. Es gab niemals den Verdacht, dass ein Behandlungsfehler vorgelegen haben könnte und nun bin ich sehr aufgewühlt, da ich der Klinik, in der meine Kinder so wunderbar versorgt wurden, so unendlich dankbar bin und eigentlich gar nicht möchte, dass diese Überprüfung stattfindet. Ich wurde nun aufgefordert eine Schweigepflichtentbindung zu unterzeichnen. Haben Sie so etwas schon einmal erlebt? Ist das inzwischen üblich? Was würden Sie mir empfehlen, wenn ich Mutter eines Ihrer Patienten wäre? Vielen Dank für Ihre Mühe! PS: Meine Kinder sind inzwischen altersgerecht entwickelt und gesund!


Seit einigen Jahren überprüfen Krankenkassen durch ihren medizinischer Dienst zunehmend die Krankenakten kostenaufwändiger Patienten auf möglich Behandlungsfehler. Sie werden dabei unterstützt auch durch private Gutachter, für die das Schreiben von Gutachten eine lukrative Einkommensquelle ist. Den Krankenkassen geht es nicht primär darum, den Patienteneltern zu helfen, sondern darum, mindestens einen Teil der bezahlten und zukünftigen Behandlungskosten auf die Haftpflichtversicherungen der behandelnden Krankenhäuser verlagern zu können. Meistens endet ein solches Verfahren damit, dass kein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann oder die Haftpflichtversicherung im Zuge eines Vergleichs einen Teil der Behandlungskosten übernimmt. Auch ich werde mit solchen Prüfungen gelegentlich konfrontiert. Früher habe ich mich geärgert, heute sehe ich das professionell. Ärgerlich für mich ist nur, dass ich oder meine Oberärzte erhebliche Zeit aufwenden müssen, um Entgegnungen zu schreiben, Zeit, die wir lieber in die Patientenversorgung, Lehre oder Forschung stecken würden. Ihnen kann keiner einen Vorwurf machen, wenn Sie da mitspielen und durch Ihre Schweigepflichtserklärung der Krankenkasse den Weg frei machen. Zwingen kann Sie aber meines Wissens keiner. Nachteile für Sie könnten in einer emotionalen Belastung liegen, Vorteile darin, bei Nachweis eines Behandlungsfehlers auch selbst durch eigene Haftpflichtansprüche zu profitieren. Sie müssten dann diese aber gegenüber dem Krankenhaus anmelden. Von allein bekommen sie kein Geld. Übelnehmen sollte Ihnen die Klinik das nicht, weil es Ihr Recht ist und heute zum "Geschäft gehört". Wenn Sie selbst Ansprüche anmelden möchten, sollten Sie allerdings die "Erfolgschancen" vorher abzuschätzen versuchen, da emotionaler und finanzieller Aufwand in angemessenem Verhältnis zu den Erfolgschancen stehen sollten.


KleineKämpfer

Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort! Ich bzw. mein Mann und ich haben keinerlei Ambitionen eine solche Überprüfung durchführen zu lassen und wir haben es jetzt auch nicht als "Chance" gesehen uns zu bereichern. Wir sind allen Ärzten, Pflegern/Schwestern, Therapeuten so unendlich dankbar dafür, dass unsere Kinder uns nun gesund gegenüber sitzen können und wir sie nicht auf dem Friedhof besuchen müssen, dass wir uns beinahe schämen diese Schweigepflichtenbindung zu unterzeichnen! Ein Telefonat mit unserer Klinik ergab eine ganz ähnliche Aussage wie Ihre, die Klinik ärgert sich sehr über den Aufwand, aber wir werden ohne größeren Ärger mit der KK wohl nicht um eine Unterschrift herum kommen. Schade, dass unser Gesundheitssystem solche Wege einschlägt!


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