Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Mein Baby ist schwierig - Klappe die zweite

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Mein Baby ist schwierig - Klappe die zweite

Christin mit Zwulchi im Bauch

Mir geht es wie meiner Vorrednerin. Tochter (6Monate) nölt und meckert den ganzen Tag. Man kann sagen, seit ihrer Geburt. Sie kann sich wirklich überhaupt nicht allein beschäftigen, keine 5 Minuten. Ab wann sollte man an dieser Situation arbeiten? Ich möchte sie ja nicht loswerden. Mir geht es da auch eher um ihre Zukunft. Kinder, die auch mal allein spielen können sind einfach zufriedener. Ab welchem Alter sollte ein Baby das können? Wie kann man das fördern? Ich habe bereits probiert, sie unter einen Spielebogen zu legen und eine Minute wegzugehen. Ich wollte das dann steigern, kam aber eigentlich nie bis zu dieser Minute. Denken Sie, dass jene Babys auch schwierige Kinder werden?


Hallo, an der Zahl der Mit-Teilenden (ich lese das immer erst nach meiner Antwort) sehe ich, dass hier ein wunder und wichtiger Punkt getroffen wurde. Zum entwicklungspsychologischen Hintergrund: Säuglinge jeden Alters können vor sich hin träumen, in ihre Phantasien gehen, sich von Spieluhren o.ä. anziehen lassen. Aber sie machen das meist nicht passend zu den erwachsenen Bedürfnissen. Wenn sie realisieren, dass die Bezugsperson weg geht, ist das bei unabgelenkten Kindern in der Regel beunruhigend und ängstigend, egal wie lange das dauert (das wissen sie ja auch nicht). Das liegt daran, dass das Vertrauen darin, dass Sie wiederkommen, dass es Sie überhaupt noch gibt (Objektkonstanz), noch nicht ausreichend ausgeprägt ist. Ihr Kind verhält sich also völlig altersgerecht und nachvollziehbar, und das kann auch noch eine Zeit so bleiben. Es ist noch die Zeit der Bindungsstabilisierung, also die Zeit, in der das Kind durch vertrauensbildende Erfahrungen mit den primären Bezugspersonen die Sicherheit aufbauen kann, die eine sichere Bindung ausmachen. Alle anderen Erwartungen sind jetzt noch eine Überforderung (wenn es mal glückt, ist es eher zufällig passend), auch wenn viele Mütter davon erzählen mögen. (Der sog. fremde Situation-Test wird nicht ohne Grund erst bei Einjährigen gemacht) Alles alles im grünen Bereich. Dr.Ludger Nohr


Esmeralda

Hallo, in dem Alter hat sich mein Kind auch gar nicht alleine beschäftigt. Jetzt ist sie eineinhalb und an guten Tagen macht sie das mehrmals ca. 10 min, wenn man mit im Raum ist und selbst beschäftigt ist. Und das kam letztlich von alleine nach und nach. Gibt auch immer mal "Rückschritte", z.B. der Anfang der Ausgangsbeschränkungen hatte sie verunsichert, da war sie anhänglich. Aber jetzt konnte ich sogar mehrfach kurz den Raum verlassen, ohne dass sie ihr Spiel unterbrochen hätte. VG


Sonja_H.

Das Ding ist: Kein Mensch ist wie der andre, deshalb gibt es da auch keinen Fahrplan wann was da sein soll - sowas schadet mehr als es nützt, weil es bedeutet das man in irgendeiner Form Druck hat und auch welchen macht. Jeder Mensch tut die Dinge in seinem Tempo und dein Baby ist erst ein halbes Jahr auf dieser großen, lauten, intensiven und unbekannten Welt. Es will Teil deines Lebens sein und von und mit dir dieses Leben kennenlernen. Das gelingt nun mal nicht unter einem Spielebogen. Du bist das einzig sichere und vertraute. Ich versteh auch nicht warum sich ein Baby alleine beschäftigen soll? Und ob diese Kinder dann später zufriedener sind ist ja auch nicht sicher - das hängt von mehreren Faktoren ab. Das entscheidende meiner Ansicht nach liegt dabei das sich JEDER Mensch geliebt, geborgen und angenommen fühlen muss um selbstsicher, stark und zufrieden zu sein und nichts damit zu tun hat ob ich alleine spielen konnte oder nicht. Was anderes ist wenn dein Kind konzentriert im Spiel ist und du das nicht zulässt - da wird es natürlich dann unzufrieden sein. Dein Kind wird sich dann mit Dingen beschäftigen wenn es bereit dazu ist, und das wird weniger ein Spielebogen sein als Gegenstände des täglichen Gebrauchs (Kochlöffel, Haarbürste, etc). Denn es will lernen. Nachahmen. Und nicht konditioniert werden wie ein Hund


Christin mit Zwulchi im Bauch

Das mit dem Spielebogen ist doch nur ein Beispiel. Häufig werden einem hier die Worte im Mund herum gedreht. Oder vllt habe ich es nicht eindeutig formuliert. Es geht mir überhaupt nicht darum, Freiraum für mich zu schaffen. Aber es verunsichert mich, dass ich niemals zur Toilette gehen kann und sie in dieser Zeit (1:30 Minuten) allein sein kann. Andere Babys, spielen oder plappern oder träumen vor sich hin oder oder oder. Da sie das noch niemals hinbekommen hat, dachte ich, ich sollte eventuell daran arbeiten. Ich verstehe schon, dass sie Zeit braucht und ich nehme sie zu vielen Dingen ins Tragetuch damit sie sich sicher fühlt (Zähneputzen, Haare fönen, Brei kochen). Es reicht ihr nämlich auch nicht, einfach im gleichen Zimmer zu sein auf einer Decker oder in der Wippe. Ich verstehe voll und ganz ihren Drang nach Nähe (den habe ich übrigens auch), dachte aber es müsste nun an der Zeit sein, dass sie sich fünf Minuten von mir trennen kann. Und ich meine auch wirklich FÜNF Minuten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Aber wie gesagt, ich dachte es.......


Esmeralda

Liebe Christin, du hast nichts gesagt, dem ich entnehme, du würdest deine Tochter abrichten wollen wie einen Hund. Ich kann deine Verunsicherung gut verstehen. Selbst meine Wochenbett-Hebamme wollte mir nicht recht glauben, dass ich nicht mal zur Toilette gehen "konnte". Ich hatte das auch immer wieder bei anderen Babys in der Still- / Krabbelgruppe gesehen, wie zufrieden die in der Nähe liegen und umher gucken. Natürlich fragt man sich da mal, ob mit dem eigenen Kind was nicht stimmt oder ob man etwas falsch macht. Ich hatte mir auch Sorgen um den Gemütszustand meiner Tochter in der Zukunft gemacht. Mach ich manchmal heute noch, da sie einfach grundsätzlich nicht so "genügsam" ist, wie ich es von den Kindern befreundeter Mütter kenne. Und da finde ich es richtig, dass du dir Feedback bei Herrn Dr. Nohr holtst. Ich kann dir meine Erfahrungen nur schildern. Bei uns wurde es irgendwann besser, ohne dass ich wissentlich etwas Spezielles dazu getan hätte. Halte durch, ich weiß, dass es mit einem Baby mit diesem Bedürfnis eben anstrengender ist. :) Ich fände es übrigens durchaus verständlich und akzeptabel, wenn du den Wunsch nach mehr Freiraum hättest. Wenn es einen Weg gibt, das zu erreichen, ohne die Bedürfnisse des Babys ungestillt zu lassen, warum auch nicht?


Christin mit Zwulchi im Bauch

Vielen Dank für deine Worte. Tatsächlich glaubt mir das kaum jemand. Hin und wieder finde ich aber hier im Forum jemanden, dem es auch so geht. Vor ein paar Monaten waren hier Zwillinge mit diesem Verhalten Thema. Es ist häufig auch so, dass jenes Genöle in sehr kurzer Zeit in herzzerreißendes Weinen mündet und genau das finde ich furchtbar. Erstens, weil das schrecklich für mein Mamaherz ist und zweitens, weil es eine recht „unnötige“ Aufregung für das Mädchen ist. Es sind doch kaum 2 Minuten, die ich im Bad bin. Ich bin der Überzeugung, dass es mit der Mobilitätserlangung besser wird. Sie ist so neugierig und interessiert. Aber sie dreht sich noch nicht mal, also das kann noch etwas dauern. Bis dahin erkunde ich gern die Welt mit ihr, aber es gibt eben Momente, in denen sie kurz allein sein soll. Na klar halte ich durch. Ich liebe sie abgöttisch und nach einem super nervigen Tag liege ich abends glückseelig neben ihr, habe Mamaschmetterlinge im Bauch und bin unendlich glücklich, dass es sie gibt und sie gesund ist.


Lelo317

Bei mir war das erste Baby recht zufrieden, ich konnte es ablegen, während dem Duschen in die Wippe etc. Das zweite Baby wollte pausenlos herumgeschleppt werden, und das nur von Mama. Heute sind sie 6 und 3. Die Große kann sich sehr schlecht beschäftigen, während die Kleine teilweise stundenlang vor sich hin spielt. Sagt also gar nichts. Es wird wesentlich besser, wenn sie sich bewegen können, das zum Trost.


Sonja_H.

Ich kenne das durchaus sehr gut, ich schreibe nicht als Mama die das Gegenteil erlebt hat. Ich verstehe durchaus Verunsicherung und finde es auch richtig und wichtig sich Rat zu holen. Es ist mein Text auch härter rübergekommen, dafür möchte ich mich aufrichtig entschuldigen, wobei ich bei dem was ich geschrieben habe durchaus bleibe. Mein Vergleich mit dem Konditionieren wie bei einem Hund bezog sich auf das minutiöse steigern des alleine lassens bzw den Versuch. Wie gesagt, ich kenne das wahnsinnig gut und mein 12 Monate alter Sohn lebt es nach wie vor so. Aber es ist okay für mich und ich arrangiere mich damit! Seine Zeit wird kommen


Esmeralda

Danke, Lelo, das gibt mir auch Hoffnung, dass sich das noch grundlegend ändern kann. Und auch bei meiner Tochter wurde es besser, als sie laufen konnte. Daran erinnere ich mich jetzt, wo du das schreibst.


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