Mitglied inaktiv
Hallo Herr Dr. Posth, weiß nicht ob ich richtig bin mit meiner Frage bei Ihnen. Wenn nein, verweisen sie mich bitte an die richtige Stelle ja?? !! Also, meine Tochter ist 10 Monate alt und wenn sie etwas nicht bekommt oder von den Sachen weggenommen wird, an die sie nicht ran darf, (sie hört einfach nicht auf Nein, haben vieles versucht, nichts fruchtet), dann wird sie richtig jähzornig. Sie kreischt, haut und kneift. Wie soll das denn enden, wenn sie jetzt schon so bockig etc. ist? Wir wissen uns keinen Rat mehr. Es tut so weh wenn sie uns dann kneift und man ist wirklich kurz davor ihr eine auf die Finger zu geben, was wir natürlich nicht tun. Aber sie bringt uns zur Verzweiflung und auch zur Weißglut. Meinen Sie es ist normal das die Kinder in dem Alter bocken? Sie wirft auch teilweise ihre Sachen (Schnuller, Spielzeug) durch die Gegend. Manchmal frage ich mich, ob ich ihr zu viel Liebe gebe und sie zu weich anfasse. Möchte doch nicht so eine verwöhnte Zicke erziehen. Bin auch der Meinung das die Kinder ja nix dafür können für ihre Verhaltensweisen, ist doch Erziehungssache oder sehe das falsch? Wie gesagt Herr Dr. Posth, ich weiß nicht ob ich bei Ihnen jetzt richtig bin, wäre aber über eine kurze Info sehr dankbar. MfG Nito
Liebe(r) Nito, zwei klassische Fehler werden aus Ihrem Gespräch erkennbar. Erstens kann man einen Säugling nicht verbal erziehen, eigentlich kann man ihn überhaupt nicht erziehen, jedenfalls nicht im gewöhnlichen Sinne. Warum? Er besitzt nicht die logischen Denkvoraussetzungen und -strategien, die notwendig dafür sind, den Erziehungsinhalt zu begreifen. Also versteht er schon gar nicht, was "Grenzen" bedeuten sollte, auch nicht intuitiv oder emotional oder sonst wie. "Grenzen zuweisen/setzen" in der Soziopsychologie ist ein inhaltlich-geistiges Abstimmen von Macht- und Bestimmungsbefugnissen unter zwei gleichwertigen, kommunizierenden Personen. Das Kleinkind erspielt sich aber seine Erfahrungen. Wie paßt das zusammen? Zweitens: Nein ist ein Bestimmungswort. die Bedeutung lautet: Tu es nicht! Das ist ein komplexer semantischer Inhalt, nicht so wie Mama=Person oder Auto,Ball=Ding. Können sie "nein" sehen oder anfassen? Nein! Sie können es nur verstehen, weil Sie Konventionen in unserer Gesellschaft begriffen haben, Übereinkünfte also, die im semantischen Bereich auf eine Wort verkürzt wurden, weil jedesmal Wegreißen oder Zuschlagen zu keiner vernünftigen Lösung geführt hätte (höchstens zu Mord- und Totschlag, denn Gewalt erzeugt Gegengewalt, zunächt auf niedriger, dann auf immer höherer Ebene!). Diese semantischen Übereinkünfte muß ein Kind erst einmal Lernen, was dauert. Solange spielt es mit Ihnen, spielt um es zu lernen. Spielen beim Kind ist immer zugleich Lernen! Sie sagen "nein" und das Kind lacht und tut dasselbe wieder. Sie wiederholen sich und das Kind wiederholt sich auch, u.s.w. Erst langsam, nämlich an Ihrer Ungeduld, an Ihrer veränderten Stimmlage, an Ihrer bedrohenden Mimik erkennt das Kind, was Sie von ihm wollen. Auch das dauert noch etwas, bis es sich im Kopf des Kindes zu einer Akzeptanz und zu einer Handlungskonsequenz zusammengebaut hat. Dazu muß das Kind lernen, daß es seinen Willen zurücknimmt, was ziemlich schwierig ist, da es gerade lernt, seinen Willen umzusetzen, um sich aus der emotionalen Bindung zur Bezugsperson zu befreien und selbständig zu werden. Es muß also etwas in sich aufgeben, was einen Konflikt hervorruft. Aber diesen Konflikt aushalten und bewältigen, das lernt es schon, und das ist der alles entscheidende Erziehungsakt, den Sie ausüben können. Der ist aber so grundlegend, daß er alle weitere Erziehbarkeit von vornherein beeinflußt. Wir denken dabei an später, an die Kleinkindzeit, die Schulkindzeit, die Pubertät und das ganz Leben. Allerdings benutzen wir später, d.h. ab etwa Kindergartenalter beginnend immer mehr nur die symbolisch-abstrakten Denkvorgänge in unserem Gehirn, die wir mit den Erfahrungen und dem Wissen erwerben, und die wir dann als Vernunft und Verstand bezeichnen. Wir können ja nicht ewig weiter spielen! Sorry für die lange Erklärung, aber Ihre Frage ist eine ganz wichtige Geschichte in der Kindheitsentwicklung. Sie ist elementar wichtig, denn das Thema "Grenzen setzen" ist riesig groß und vollgespickt mit Fallstricken für Erzieher wie für Kinder. Viele Grüße
Mitglied inaktiv
Hallo! Ich denke, Kinder müssen erst lernen , Grenzen zu akzeptieren und damit umzugehen. Zeig und sage ihr das Du sie verstehst oder biete ihr ein Kissen zum abreagieren (hilft bei meinem Sohn heuet noch mit fast 3J.). Und biete ihr gleichzeitig andere Beschäftigungsmöglichkeiten. Tu es liebevoll aber konsequent und versuche so gelassen, wie nur möglich zu bleiben. Es gehört zur Persönlichkeitentwicklung dazu und wir müssen sie in die richtige Richtung lenken. Zu viel Liebe kann man nicht geben, nur zu wenig, je nach dem wie man sie definiert. Gute Nerven und ein wenig Geduld Claudia
Mitglied inaktiv
Hallo Claudia, vielen Dank für deine Antwort. Hat mir schon ein bißchen mehr Mut gemacht. Ich denke ja auch das sie es nicht mutwillig macht, aber es muß doch irgendwann mal los gehen das sie versteht wenn man nein sagt.... LG Nito