Handysucht?

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Handysucht?

Liebes Experten-Team, wir haben vor 5 Wochen unsere 2. Tochter bekommen. Unsere “Große” ist 19 Monate alt. Da sie noch nicht fremd betreut wird, bin ich von 8-19 Uhr mit den beiden alleine. Die große Maus hat ziemlich schnell rausbekommen, dass sie während ich stille mehr oder weniger alles machen kann, was sie möchte, da ich deutlich reduzierte Reaktionszeiten habe. So dass wir angefangen haben, dass sie sich zu mir und Maya kuschelt und sich Videos und Fotos von sich selbst und der Familie auf meinem Handy anguckt (mit einem Buch anstatt Handy klappt das leider nicht). Das Weglegen des Handys nach dem Stillen klappt problemlos. Jetzt fängt sie jedoch an und weckt die Kleine, damit sie Hunger bekommt und fragt untertägig und manchmal auch unmittelbar nach dem Aufwachen oder beim ins Bett bringen danach Videos zu gucken. Das nimmt schon fast suchtmäßige Züge an. Seit dieser Woche gibt es immerwieder Wutanfälle wenn ich ihr das Handy nicht gebe/ wir keine Videos außerhalb der Stillzeit gucken. Auch wenn wir zusammen etwas spielen fragt sie ständig nach Videos. Oft reicht ein Video und der Wutanfall ist vorbei. Ich möchte aber da eigentlich nicht nachgeben und die Handynutzung nur auf der Stillen begrenzen, manchmal fehlt mir jedoch auch etwas die Kraft dazu in der aktuellen Situation mit den beiden Kleinen alleine. Sind Videos vom Kind und der Familie auch potentielle Überstimulation und Suchtauslöser? Was können wir hier machen? Vielen Dank für Ihre Hilfe

von Tina126 am 15.11.2021, 00:09



Antwort auf: Handysucht?

Hallo, das ist ein häufiges und schwieriges Thema. Viele Eltern nutzen die "bewegten Bilder", um Situationen zu überbrücken oder in Ruhe etwas tun zu können. Das Problem besteht nur darin, dass mit jeder weiteren Form (erst Bilder, dann kleine Videos, dann zufällig Werbung usw.) die Wünsche der Kinder wachsen, wie Sie das auch bei Ihrer Tochter beschreiben. (Ich habe Eltern mit Kinderwägen gesehen, wo es eine handy-Halterung für den Säugling gab und man die Geräusche weit hören konnte.) Ich glaube, hier ist es wie bei vielen anderen Wünschen der Kinder. Die Eltern müssen das Maß setzen, die Grenze ziehen und auch akzeptieren, wenn die Kinder das ärgerlich finden. Man kann es anders versuchen oder auch den Ärger aushalten, aber es sollte an der Grenze für das Kind deutlich sein, dass Sie da klar und eindeutig sind. Und ich glaube, dass es noch um so einfacher ist, je früher z.B. beim handy diese Grenze gesetzt wird. Ich würde da und in diesem Alter nicht von Sucht reden, aber dass die Kinder davon ausgehen, dass das handy beim stillen schon selbstverständlich ist, scheint mir schon ein Schritt zu weit zu sein. Alles, was selbstverständlich wird, verliert mit der Zeit seine Wirkung, es wird nach mehr verlangt. Da halte ich es für ganz wichtig, dass Kinder lernen dürfen, das Besondere wertzuschätzen. Wünschen dürfen Kinder alles. Aber zu glauben, dauernde Wunscherfüllung führe zu zufriedenen Kindern, ist ein Irrtum. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 15.11.2021