Sehr geehrter Herr Dr. Posth,
mich würde mal Ihre Meinung dazu interessieren, wieviel an "Erinnerungen oder Gefühlen" Säuglinge von den ersten Monaten speichern. Hintergrund ist der, dass unsere Tochter ein extremes Frühchen (ssw 24+2, 430g) war und 3 Monate auf der ITS verbracht hat. Jetzt mit unkorr. 1,5 Jahren ist sie topfit. Manche berichten ja, dass die Kinder keine Alarme oder ähnliches tolerieren. Bei unserer Tochter hab ich den Eindruck, dass manche Körperteile (z.B. Füße, wo Blut genommen wurde) nur durch uns als Eltern angefasst werden dürfen. Wie verhält es sich eigentlich mit der Bindung zw. Kind und Eltern, wenn das Baby in den ersten 3 Monaten im Inkubator liegt (habe ihr meinen Finger gegeben und gesungen und vorgelesen). Grds. hab ich den Eindruck, dass unsere Bindung ok ist - aber gibt es darüber irgendwelche Erfahrungen?
Liebe Grüße
Claudia
Mitglied inaktiv - 27.04.2009, 18:50
Antwort auf:
"Erinnerung"
Stichwort: Frühgeburt
Hallo, dazu gibt es zahlreiche Einzelbeobachtungen, die naturgemäß immer etwas unterschiedlich ausfallen. Ich kenne bisher keine Arbeit, die sich mit dieser Frage systematisch auseinandergesetzt hat. Man vermeidet dieses Thema auch ein bisschen, denn es könnten Ergebnisse dabei herauskommen, die die Erfolggeschichte der Kinderheilkunde mit der Aufzucht auch kleinster Frühgeborener infrage stellen könnte. Im Übrigen fällt der somatisch ausgerichteten Kinderheilkunde schwer, emotionale und psychosoziale Faktoren bei Frühbeborenen anzuerkennen. Trotzdem hat sich gottseidank sehr viel geändert im Umgang mit Frühchen und ihren Eltern, wenn ich einmal daran denke, was seinerzeit, als ich auf der Frühgeborenenstation an der Universtätskinderklinik in Düsseldorf gearbeitet habe, mit den kleinen "Würmchen" gemacht wurde. Übrigens die rein körperliche Entwicklung wie auch die geistge Entwicklung der Frühgeborenen sind gut untersucht.
Welche emotionalen Erfahrungen nun abgespeichert worden sind und welche überhaupt schon zu Bewusstsein gekommen sind, ist bis heute nicht sicher zu messen. Meist spüren nur die Eltern selbst, welch positive Wirkung ihre Anwesenheit auf die Kleinen ausübt.
Da aber Bindung über den ganzen Zeitraum von 1Lebensjahr entsteht und dann ganz viel davon abhängt, wie die Eltern mit Ihrem Säugling umgehen, wenn er die Frühgeborenstation verlassen hat, kann es durchaus sein, dass im Endeffekt (Nettoeffekt aus guten und schlechten Einflüssen) ein sicher gebundenes Kind resultiert. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 01.05.2009