Nellyne
Sehr geehrte Frau Henkes, mein Sohn C. ist 2,5 Jahre alt. Er ist insgesamt extrem willensstark und phasenweise ist diese Eigenschaft besonders stark ausgeprägt. Gerade befinden wir uns wieder in einer solchen Phase und ich fühle mich dadurch sehr erschöpft. Vielleicht haben Sie ein paar gute Ideen für mich. Ich erläutere das Ganze mal an einem Beispiel, damit Sie einen kleinen Eindruck bekommen: Ich beobachte täglich, dass C. oft einen ganz genauen Plan im Kopf hat. Wenn sich dieser nicht umsetzen lässt, bricht seine Welt zusammen. Heute Morgen wollte er beispielsweise die Kekse essen, die es am Tag zuvor zum Kaffee gab. Abgesehen davon, dass ich Kekse nicht für ein ausgewogenes Frühstück halte, war die Kekspackung leer und es waren keine Kekse mehr da. Ich habe ihm das erklärt und stattdessen vorgeschlagen, dass er ein Marmeladenbrot oder Müsli essen kann, wenn er etwas Süßes zum Früchstück möchte. Darauf hin hat er angefangen fürchterlich zu weinen, zu schreien, mich zu hauen und zu spucken. Das zog sich dann etwa 1,5 Stunden hin - er wollte nichts anderes als diese Kekse essen und hat sich so lange hineingesteigert, bis er völlig erschöpft war. Die 1,5 Stunden hat er praktisch durchgebrüllt. Er wollte immer wieder auf meinen Arm, hat mich dann aber gehauen, sodass ich ihn wieder abgesetzt habe, was das Ganze noch schlimmer gemacht hat. Ich war irgendwann auch völlig fertig und habe abgefangen, mitzuweinen. Das hat ihn sehr verunsichert und er hat noch stärker gebrüllt ("Mami soll nicht traurig sein! Mami soll glücklich sein!") Irgendwann wollte er doch Müsli und ist dann ausgerastet, weil er es doch nicht wollte. Erst danach hat er ein Marmeladenbrot gegessen und dann ging es ihm auch besser. Wir haben ähnliche Morgende in letzter Zeit oft und ich bin schon geschafft, bevor der Tag überhaupt richtig angefangen hat. Gestern wollte er mit mir puzzlen. Ich habe zugestimmt und meinte, dass ich vorher aber noch kurz zur Toilette möchte. Auch das führte zu einem extremen Gefühlsausbruch ("Mama soll dableiben! Du darfst nicht auf die Toilette gehen!!!") Ist das noch normales Autonomieverhalten? Was mich auch sehr schafft, ist das ständige Hauen und Spucken und seine Aggressivität uns Eltern gegenüber. Sobald ihm etwas nicht passt, zeigt er dieses Verhalten. Wir sagen ihm dann, dass das weh tut und dass wir das nicht möchten. Wenn es gar nicht anders geht, verlassen wir kurz den Raum und erklären ihm auch, warum. Dann fängt er auch an zu weinen, nach dem Trösten haut er oft aber wieder zu. Ich habe mich heute kurz mit seiner Erzieherin aus der Kita unterhalten. Sie meinte, dass er dort zwar keine so starken Wutanfälle hat, aber auch ganz klar sagt, was er wie haben möchte. (Z.B. "Die Nudeln sollen da hin. Da soll die Soße hin. Ich will das grüne Lätzchen"). Dort können sie nicht auf alles eingehen, was zu viel Gemecker seinerseits führt (aber nicht zu Geschrei). Sie meinte, dass viele Kinder dort ihren eigenen Willen haben, dass das bei C. aber schon sehr speziell sei. Er ist auch sprachlich schon extrem weit und kann sich sehr verständlich äußern und haarklein erzählen, was er sich so vorstellt. Haben Sie Ideen für mich, wie ich damit am besten umgehen kann? Wie kann ich dieses willensstarke Kind gut begleiten? Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Antwort und Ihre Zeit.
Guten Tag, das Autonomieverhalten Ihres Sohnes ist völlig normal. Ihr Sohn befindet sich in der Trotzphase und versucht, seinen Willen zu erproben und ihn gegen Ihren Willen durchzusetzen. Das ist eine wichtige und notwendige Entwicklungsphase, weil sie Kindern ermöglicht, zu merken, dass sie mit ihrem Willen etwas erreichen können. Sie stellen ihre Wirkmächtigkeit fest. Wenn sie an der Durchsetzung ihres Willens gehindert werden, führt das oft zu Wut. Die kann je nach Temperament unterschiedlich heftig ausfallen. In dieser Phase müssen Kinder jedoch auch lernen, dass die Eltern ihren Willen sinnvoll begrenzen können. Zeigen Sie Ihrem Sohn, dass Sie Verständnis für seine Wut haben, wenn er seinen Willen nicht erfüllt bekommt. Es ist für ihn ein schreckliches Gefühl, weil er mit dieser Frustration noch nicht umgehen kann. Er muss sich dann an Ihrem Verhalten orientieren können, um den Umgang mit diesem heftigen Gefühl zu lernen. Ihr Verständnis zeigt ihm, dass Sie in dieser Wut an seiner Seite stehen, davon nicht überrollt werden wie er. Er merkt auch, dass Sie ihm helfen, Lösungen zu finden, wie Sie es beim Frühstück gemacht haben. Manchmal ist eine Alternative für ein Kind leichter zu akzeptieren als Wahlmöglichkeiten. Die erfordern ja schon wieder eine Entscheidung. Es kann auch helfen, dem Kind zu zeigen, dass sein Wunsch nur aufgeschoben und nicht ganz abgelehnt ist. So können Sie Ihren Sohn damit vertrösten, dass Sie gemeinsam neue Kekse kaufen, die es dann nachmittags wieder gibt. Er kann sogar die Aufgabe übernehmen, daran zu denken, dass Sie die Kekse beim Einkaufen nicht vergessen. Wichtig ist, dass Sie sich klarmachen, dass Ihr Sohn mit der Regulierung seiner Wut vollkommen überfordert ist. Er braucht Sie als starke Mutter an seiner Seite, die ihm hilft, diese schwierigen Momente aufzulösen. Sie haben sicher Ideen für kleine Vertröstungen, die er akzeptieren kann. So können Sie ihm in der Puzzlesituation anbieten, dass er rasch mit zur Toilette kommt, damit Sie schon mal zusammen überlegen können, welches Puzzle er nimmt o.ä.. Sie sollten nicht zulassen, dass Ihr Sohn körperliche Gewalt gegen Sie ausübt, weil das Ihrem Sohn nicht guttut. Kinder sind in diesem Alter noch ganz bei sich und versetzen sich nicht in andere. Daher verstehen sie direkte Forderungen an sie besser. Für Ihren Sohn ist es wichtig, dass er lernt, dass er nicht schlagen darf, nicht dass Sie das nicht möchten. Wenn es um kurzfristige räumliche Trennung geht, sollten Sie Ihren Sohn aus der Situation entfernen statt selber zu gehen. Vielleicht finden Sie im Text von Dr. Nohr auf dieser Seite noch weitere Anregungen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
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