Liebe Frau Ubbens!
Meine Tochter (7) zeigt seit Beginn der Coronakrise immer mehr auffälliges Verhalten, teilweise Dinge, die wir aus der Kleinkindzeit kennen, die aber eigentlich längst überwunden schienen. Zum Beispiel:
- Alpträume
- Angst vor Dunkelheit / alleine sein (wg. Tiger / Monster)
- ständiges Lippenlecken
- immer der erste sein wollen (beim Händewaschen, beim Betreten des Hauses, beim Essen, beim Toilettengang, beim Auspacken von Paketen usw.) und beim Spielen nicht verlieren können
- gespielte Babysprache / Babyverhalten
- ununterbrochene Einforderung von Aufmerksamkeit und ständiges Bestimmenwollen / Befehlston
Sie ist ein sensibles Kind mit vielen Emotionen, hat aber außerhalb des Hauses keine Probleme, sprich Schule / Notbetreuung / Ferienbetreuung und ist auch immer sehr gerne hin gegangen. Durch die verschiedenen Betreuungsarten (alle in der gewohnten Schulumgebung) hatte sie auch durchgängig relativ feste Strukturen. Trotzdem spricht dies alles doch für Angst / Unsicherheit / Überlastung, oder?
Wir lassen sie nie alleine, ich betreue sie beim Einschlafen und bei Alpträumen, sie hat einen überwachten und vergleichsweise niedrigen Fernsehkonsum und wir gehen so viel als möglich an die frische Luft. Sie bekommt auch grundsätzlich keine Fernsehnachrichten (Bilder) mit.
Ich weiß nicht, was wir sonst noch für sie tun können. Und ich frage mich, ob es nur eine Phase oder dauerhafte Veränderungen sind.
Auch bei einem Zusammenhang mit der Pandemie bin ich nicht ganz sicher. Es passt halt zeitlich zusammen. Andererseits hat sie die neue Situation gut verinnerlicht, redet ganz normal darüber, weist mich z. B. darauf hin, wenn jemand seine Maske nicht über die Nase gezogen hat oder keinen Abstand hält, wenn wir Kaufladen spielen, darf ich ihr Kinderzimmer nur mit Maske betreten usw.
Wir Eltern waren in den letzten 5 Monaten auch nicht gerade tiefenentspannt, das muss ich leider zugeben. Wie für alle berufstätigen Eltern war es ein ständiger zeitlicher Spagat, dazu pflegebedürftige Angehörige, Sorgen wegen der allgemeinen Lage und auch konkret wegen meiner Risikoerkrankung. Dazu kommt natürlich, dass ihr Verhalten uns extrem fordert bzw. wir oft total erschöpft sind.
Aber vielleicht haben Sie ja trotzdem ein paar Tipps für uns, das wäre lieb!
von
hollerfee
am 12.08.2020, 12:08
Antwort auf:
Wie kann ich meinem Schulkind bei Angst/Unsicherheit/psych. Belastung helfen?
Liebe hollerfee,
grundsätzlich können die beschriebenen Verhaltensweisen auf ein ganz normales Verhalten eines Grundschulkindes hinweisen. Meine Vorrednerin hat dies schon ganz gut beschrieben.
Erklären Sie Ihrer Tochter immer wieder geduldig in ihr Angst machenden Situationen, warum sie keine Angst haben muss. Ansonsten gilt, dass Ihre Tochter lernen darf, aus Erfahrung, dass man nicht immer die Erste sein kann, dass beim Spielen auch mal verloren wird usw.. Sie müssen Ihre Tochter vor diesen Erfahrungen nicht schützen, auch wenn es in dem Moment womöglich auch traurig macht.
Viele Grüße Sylvia
von
Sylvia Ubbens
am 12.08.2020
Antwort auf:
Wie kann ich meinem Schulkind bei Angst/Unsicherheit/psych. Belastung helfen?
Ich lese in deiner Beschreibung nichts ungewöhnliches für ein Schulkind.
Ja, Ängste können wieder kommen. Sie versteht vieles jetzt besser - aber das heißt nicht, dass sie es komplett rationalisieren kann. Frag mal einen 8-jährigen ob er glaubt, dass es Monster gibt. Er wird sagen "nein" - und gleichzeitig denken "aber was ist, wenn doch?". Genau diesen Punkt haben viele Grundschulkinder noch nicht hinter sich gelassen - egal wie oft sie sagen, dass es Monster natürlich nicht gibt, das würden nur Babies glauben etc.
Bestimmen wollen - ja, wollen viele Schulkinder ;-) Sie sind ja schon groß.
Sie sollten auch so viel wie möglich mitentscheiden können - bestimmen tut aber eben immer noch ihr. Die "Trotz"-Phase ist nicht mit 3 Jahren vorbei ;-)
Erster sein wollen, nicht gut verlieren können ist auch einThema, das es bei vielen Kindern gibt und mit dem sich einige eben etwas schwerer tun als andere (Frustrationstoleranz).
Klar kann Corona mit all seinen Umständen auch dazu führen, dass Kinder verunsichert sind. Und wenn du Risikopatientin bist, gibt es ja sogar einen realen Grund, Angst zu haben (der sich auch in einer Angst vor Monstern äußern könnte - aber nicht zwingend damit etwas zu tun haben muss).
Ich finde, sie hört sich nach einer ganz normalen 7-jährigen an. Manchmal spricht man auch von Zahnlücken-Pubertät :-)
Ich habe ein wenig den Eindruck, ihr behütet sie sehr. Noch nie alleine gelassen - heißt das, sie war wirklich noch nie mal 30 Min. alleine zu Hause? Ist alleine zur Eisdiele, Spielplatz oder so gegangen? Hat noch nie Nachrichten zB im Radio mitbekommen?
Möglicherweise ist das etwas zu viel betüddeln und beschützen wollen.
Unser Kind (gerade 8 geworden) und auch die Nachbarskinder gehen zB bereits seit sie 5 oder 6 sind, alleine zur Eisdiele die Straße runter, zum Kiosk, zum Spielplatz ums Eck, bleiben auch mal alleine zu Hause für Zeitraum x.
Und Nachrichten hört unser Kind zB regelmäßig im Auto oder bekommt mit, worüber wir Eltern uns so unterhalten. Wir erklären dann kindegerecht, worum es gerade geht wenn da Bedarf ist oder wir meinen, dass sollte ein Schulkind wissen bzw. langsam an Nachrichten und Weltegeschehen herangeführt werden.
Es gibt sogar tolle Kindernachrichten zB auf WDR 5 Kiraka oder im Netz.
Vielleicht ist es ein bisschen zu viel beschützen und dadurch unbewusst den Eindruck vermitteln, dass die Realität/das Leben ziemlich gefährlich ist.
ist aber nur so ein Gedanke und mein Eindruck kann völlig falsch sein.
von
cube
am 12.08.2020, 15:09