Leena
Ich versuche mich dann jetzt mal an einem Posting zum Thema "Was ist überhaupt eine Beleidigung" (auch wenn ich im Strafrecht insoweit definitiv kein Fachmann bin, gebe ich zu - Abhandlung zum Thema Steuerhinterziehung fiele mir leichter *grins*). Im deutschen Strafrecht findet sich der Begriff "Beleidigung" in § 185 StGB ("Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."), die Vorschrift enthält jedoch keine gesetzliche Definition des Begriffs, keine Legaldefinition. Der Begriff der Beleidigung ist also nicht klar und eindeutig umrissen, sondern eher so ein "Gummi-Begriff", der sich nicht immer wirklich fassen lässt. Durch § 185 StGB soll die Ehre des potentiell Be-/Getroffenen geschützt werden. Ehre ist ein persönliches Rechtsgut, das ebenfalls nicht wirklich eindeutig definiert ist (Gummi, wieder so ein Gummi-Begriff). Sprich: Es kommt also immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Tathandlung im Sinne des § 185 StGB ist die Äußerung (mündlich, schriftlich, konkludent) einer Tatsache oder eines Werturteils. Dabei ist es immer wieder eine Einzelfallfrage, was noch unter "deftige", aber erlaubte "Kritik" fällt, und was schon eine Beleidigung ist. Es gibt dabei auch durchaus Stimmen, wonach im Rahmen der Rechtsgüterkollision zwischen Recht auf freie Meinungsäußerung und zu schützende Persönlichkeitsrecht "die Grenzen der Meinungsfreiheit im Zweifel möglichst weit ausgelegt werden sollten“. Wichtig ist, ob die Äußerung einen sachlichen Bezug insbesondere im Verhalten der potentiell beleidigten Person hat. Bei einer Diffamierung ohne sachlichen Bezug wird die Grenze der Meinungsfreiheit schnell überschritten, da hier die persönliche Herabwürdigung klar im Vordergrund steht. Hier mal auszugsweise aus einem Urteil des Bayrischen Oberlandesgerichts vom 20.10.2004 (1 St RR 153/04): "Der Tatbestand der Beleidigung verlangt, dass der Täter durch die gewollte Kundgabe der Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung einen anderen rechtswidrig in seiner Ehre angreift. Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung bringt eine Äußerung dann zum Ausdruck, wenn nach ihrem objektiven Sinngehalt der betroffenen Person der ethische, personale oder soziale Geltungswert ganz oder teilweise abgesprochen und dadurch ihr grundsätzlich uneingeschränkter Achtungsanspruch verletzt wird. Ob eine Kundgabe solchen Inhalts vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsäußerungsfreiheit, die zu einer weitgehenden Einschränkung des Ehrenschutzes geführt hat, zu beachten. Zwar vermag der Senat die massive Kritik, die in der Literatur an dieser Rechtsprechung geübt wurde (...), zumindest in Teilen nachzuvollziehen, sieht sich aber gehalten, die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu respektieren und auch im vorliegenden Fall zugrunde zu legen." In dem Fall ging es um einen Autofahrer, der einen Polizisten, der eine Verkehrskontrolle durchführte, als "Wegelagerer" bezeichnet hatte. Das Gericht nahm hierzu wie folgt Stellung: "Für die Äußerungen des Angeklagten, in denen er den Polizeibeamten als "Wegelagerer" bezeichnete, können grundsätzlich folgende Deutungsmöglichkeiten in Betracht kommen: (1) Der Angeklagte hat die Bezeichnung "Wegelagerer" in ihrem ursprünglichen Wortsinn gebraucht. Er wirft dem Polizeibeamten H damit vor, dass dieser der Beschäftigung nachgeht, Kraftfahrzeugführern am Straßenrand aufzulauern und diesen in strafbarer Weise Gelder abzunehmen. (2) Der Angeklagte formuliert mit der Bezeichnung "Wegelagerer" seine Kritik an der Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch den Beamten H in seinem konkreten Fall. (3) Der Angeklagte bringt allgemein seinen Unmut über häufige Verkehrskontrollen zum Ausdruck. Dass diese für die Verkehrsteilnehmer überraschend stattfinden, die Kraftfahrzeugführer also "in eine Falle gelockt" werden, wird mit der Bezeichnung der kontrollierenden Polizeibeamten als "Wegelagerer" umschrieben. aa) Ob das Landgericht sich hier für die Deutungsmöglichkeit (1) oder die Variante (2) entschieden hat, ist den Entscheidungsgründen nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Es führt einerseits aus, der Angeklagte habe den Polizeibeamten mit kriminellen Gestalten im Sinn des Sprachgebrauchs im Mittelalter gleichgesetzt; dies spricht für die Deutungsmöglichkeit (1). Andererseits betont das Landgericht aber die besonderen Umstände des konkreten Falls, indem es darauf hinweist, dass der Angeklagte bereits früher wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Polizeibeamten H kontrolliert wurde und hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Verkehrsordnungswidrigkeit vehement behauptete, er sei angegurtet gewesen. Zwar werden Einzelheiten zur früheren Kontrolle nicht mitgeteilt, die Darlegungen zum Vorwurf des Verstoßes gegen die Gurtanlegepflicht lassen aber den Schluss zu, dass die Äußerung des Angeklagten im Zusammenhang mit der ihm zur Last liegenden neuen Ordnungswidrigkeit zu sehen ist. Diese Gesichtspunkte legen die Deutungsmöglichkeit (2) nahe. Wegen des vom Landgericht festgestellten, der Äußerung zugrunde liegenden situationsbedingten Anlasses schließt der Senat aus, dass die Variante (1) ernsthaft in Betracht zu ziehen sein könnte. Dass ein objektiver Betrachter, auf dessen Urteil abzustellen ist, der Äußerung den Vorwurf entnehmen könnte, der Polizeibeamte sei ein Straßenräuber, ist fern liegend. bb) Die oben genannte Deutungsmöglichkeit (3) verneint das Landgericht im Hinblick auf die Fallbezogenheit der Äußerung. Dabei verkennt es jedoch, dass ein konkreter Vorwurf gegenüber einem Einzelnen Anlass für eine generelle Kritik an der Vorgehensweise der Polizei sein kann. c) Ob das Verhalten des Angeklagten gemäß Nr. (2) oder (3) der oben genannten Varianten zu deuten ist, kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil beide Deutungsmöglichkeiten eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 185 StGB nicht begründen." Fazit: Es kommt immer darauf an, jeder Fall muss einzeln gewürdigt werden. Bloße Unhöflichkeiten, Distanzlosigkeit oder Persönlichkeitsverletzungen, die keinen abwertenden Charakter haben, sind aber definitiv KEINE Beleidigungen. Beleidigung ist im Übrigen ein sogenanntes Vorsatzdelikt, d.h. der potentielle Täter muss absichtlich und willentlich seine Missachtung kund tun wollen und davon ausgehen können, dass das potentielle Opfer die Äußerung als Herabsetzung wahrnimmt und wahrnehmen muss. Hierbei muss auch auf den Gesamtkontext abgestellt werden: Eine Provokation kann dabei z.B. als konkludente Einwiligung beurteilt werden, d.h. eine mögliche Beleidigung wäre dann keine. Hier, ein sehr schönes Beispiel dafür - wer in eine Talkshow geht und große Töne schwingt, muss auch mit Contra rechnen. Gilt sicherlich genauso für ein Internet-Forum. http://www.123recht.net/Von-Kotzbrocken-und-Bierbaeuchen-__a879.html Wenn der Begriff "Ihr verwöhnten Gören" also in einem entsprechenden Forum in einem entsprechenden Kontext fällt, in dem von beiden Seiten eine gewisse "Lagerbildung" im Stile von "Wir - Ihr" formuliert wird, ist in der Äußerung m.E. keine beleidigende persönliche Herabwürdigung einzelner Nutzer zu sehen - zumal wenn in demselben Kontext Begriffe wie "Engel auf Erden" fallen - wie gesagt, sehr schön beschrieben in dem Kotzbrocken-Urteil des LG Nürnberg-Fürth (Az 16 S 2865/00). Auch die Äußerung "Ihr seid verwöhnt .. im Sinne von satt, Dach übern Kopf und in Frieden aufgewachsen" kann m.E. nicht als Beleidigung beurteilt wirden, ebenso wie die Äußerung "Seid Ihr vielleicht auch fett, faul, gefräßig und gelangweilt? Da haut man schon mal auf Minderheiten rum!". Zumal hier weder ausgesagt wird, dass eine bestimmte Person oder Personengruppe eben "fett, faul, gefräßig und gelangweilt" wäre, noch unterstellt wird, jemand konkret Angesprochenes "haue" auf Minderheiten rum. Die Äußerung "Du bist fett und faul und doof, dass du auf Minderheiten rumhaust!" wäre grundsätzlich etwas anderes, aber diese Äußerung ist offensichtlich nicht gefallen. Und selbst wenn, dann wäre man wieder bei dem Talkshow-Urteil und müsste erst einmal prüfen, in welchem Kontext die Äußerung gefallen ist. Wie gesagt - selbst ein "Du Kotzbrocken!" ist eben NICHT immer und automatisch eine Beleidigung. Auch wenn der "Kotzbrocken" sich dann beleidigt fühlen mag. :-)
Ja, der Beleidigungstatbestand ist ein umstrittenes und interessantes Thema, bei dem ganz besonders der Satz "zwei Juristen, drei Meinungen" gilt ... Rein strafrechtlich wuerde ich persoenlich in unserem "Fall" wohl den Beleidigungstatbestand genau wie Du nicht als erfuellt ansehen. Das von Dir zitierte Kotzbrocken-Urteil kann man sicher wunderbar heranziehen, um zu verdeutlichen, dass bei der strafrechtlichen Beurteilung, ob eine Beleidigung vorliegt, der Kontext eine entscheidende Rolle spielt (beteiligte Personen, deren Sprachgebrauch, vorangegangene Geschehnisse etc.). Eins zu eins hier "anwenden" kann man es aber m.E. auch nicht. Dort war es ja so, dass der "Beleidigte" SELBST die fraglichen Begriffe mehr oder weniger woertlich zur Beschreibung seiner Person benutzt hat. Die "Beleidigerin" hat diese eigentlich lediglich aufgegriffen, allerdings in sehr "zusammengefasster", ueberspitzter Form. Da haette man sicher auch anders entscheiden können, ohne rechtlich voll daneben zu liegen ... Mir geht es hier allerdings mehr um Streitkultur als um die Frage, ob strafrechtlich eine Beleidigung vorliegt. Und ich finde, bei halbwegs gebildeten, zivilisierten Menschen, sollten solche verbalen Tiefschlaege in einer Diskussion nicht vorkommen, auch oder vielleicjt sogar gerade, wenn die hauptsaechlich angesprochene Person ihrerseits nicht gerade aif die feknsinnige Art diskutiert (abgesehen davon, dass das "fett, faul, gefraessig" niveaumaessig meinem Gefunden nach schon noch eine Stufe drunter liegt). Und ich finde auch, man muss nicht immer alles verteidigen, nur, weil es aus dem "Lager" kommt, dem man sich selbst zugehoerig oder zumindest naeher fuehlt ...
Leena,
da hast du dir ja richtig Mühe gegeben und das für mich - wow
Wie hinlänglich bekannt, gibt es bei Gesetzen Interpretationsspielraum, und dieser Tatsache trägst du mit dem zweimaligen unauffälligen Kürzel m.E. (meines Erachtens) Rechnung.
Also gut, das ist DEINE Sichtweise der Sachlage - und meine eben eine andere!
Der Vergleich hinkt an allen Ecken und Enden. Es ist ein Riesenunterschied, ob ich mich in eine Talkshow setze, selbst diffamierende Begrifflichkeiten in Bezug auf meine Person in die Runde werfe oder mal wieder einen Beitrag in ein Forum setze, wo es bis vor einigen Monaten noch zivilisiert zuging! Ich war länger nicht hier und wusste nicht, welche Gesinnungskriege hier toben.
Mir ist der Unterschied zwischen Aussagesatz und Fragesatz wohl bekannt, aber es gibt auch Suggestivfragen oder rhetorische Fragen, die per Definition eine Aussage in Form einer Frage darstellen. Und es geht ja um die Beleidigungsabsicht!
Dessen ungeachtet wüsste ich nicht, was zumindest mein Körpergewicht mit meiner Meinung zu tun hätte. Dürfte ich diese etwa nicht äußern, wenn ich denn tatsächlich übergewichtig wäre? Wird damit nicht auch eine (zugegeben etwas größere) Minderheit, sprich: die Übergewichtigen diskriminiert?!
Und noch was... wenn ich auf eine bekannte Rolle des von mir verehrten Michael Landon anspiele, in der dieser nur Gutes vollbringt, und du dies als Böswilligkeit auffasst, so ist das eben auch DEINE Interpretation. Und sicher auf einer anderen Sprachebene anzusiedeln als die Kumulation von vier despektierlichen Attributen (und ja, ich habe die Alliteration bemerkt, ehe du mich auch noch darüber zu belehren versuchst
).
Aber wie verheddern uns hier in Spitzfindigkeiten und langweilen den Rest, also lassen wir es bleiben.
Wenn Du Dich beleidigst fühlst, steht Dir der Rechtsweg doch frei. Lass eine Anzeige aufnehmen und gut ist.
Genau - dann können Sie Dich wenigstens als Querulant mit normalen BMI bezeichnen , ohne zu beleidigen;-) http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article106188957/Der-Querulant-und-sein-ganz-normaler-Wahnsinn.html Besser als so manch andere Wortschöpfung!
Muss man den letzten Beitrag verstehen? Ich würde eher mal den Zustand des Beleidgenden hinterfragen.
ist Beleidigung. Ich habe Deine Ausfuehrungen nicht komplett durchgelesen, natuerlich laesst sich im Einzelfall streiten, was beleiddigung ist und was nicht. fett, faul, und gefraessig ist eindeutig beleiddigend, zeigt schon die aggressive Wortweahl, sonst wuerde man von korpulent, uebergewichtig, moeppelig oder sonstwie freundlicher sprechen, faul mit passiv, inaktriv oder sonstwie umschreiben und gefreassig mit stets hungrig. Von daher, da brauche man keine grossen Ausfuehrungen. bei Gutmensch wuerde ich ueberlegen, genau wie bei Eva. Du Nazi wiederum ist eindeutig eine Beleidigung. Fakt ist, dass das Thema hinreichend diskutiert ist, inaltlich nichts neues kommt und es jetzt eben um anderes geht. Benedikte