Leena
Heute hat der BFH seit Urteil vom 17.01.2023 zum Soli veröffentlicht. Ich rechne ja eigentlich damit, dass sich auch das BVerfG noch mit dem Thema befassen darf. Schauen wir mal... Die Erhebung des Solidaritätszuschlags war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 17.01.2023 – IX R 15/20 entschieden. Was die Kosten der deutschen Vereinigung betrifft: "Ein finanzieller Mehrbedarf des Bundes, der aus der Bewältigung einer Generationenaufgabe resultiert, kann auch für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein. Dieser Zeitraum ist beim Solidaritätszuschlag jedenfalls 26 bzw. 27 Jahre nach seiner Einführung noch nicht abgelaufen." "Der Solidaritätszuschlag verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes). Ab dem Jahr 2021 werden aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet. Die darin liegende Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig. Daher kann auch der Gesetzgeber beim Solidaritätszuschlag, der im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken. Vor diesem Hintergrund ist die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt." https://www.bundesfinanzhof.de/de/presse/pressemeldungen/detail/verfassungsmaessigkeit-des-solidaritaetszuschlags/
Ein anderes Urteil hätte mich auch sehr verwundert. Gerade in der aktuellen Situation und den ganzen Finanzgeschenken, die der Bund macht, muss ja irgendwie wieder Geld reinkommen und dann aber jammern, dass Fachkräfte fehlen…
Mich hätte das Gegenteil auch gewundert
Mich hätte es auch gewundert, wenn der BFH anders entschieden hätte, aber mal schauen, was das BVerfG sagt. Nach meinem untechnischen Verständnis sollte es nicht zulässig sein, ohne die erforderlichen parlamentarischen Mehrheiten, die man für eine Erhöhung der Einkommensteuer benötigt, eine Quasi-Einkommensteuer zu erheben. Also einfach einen "Zusatzbetrag", der an die Einkommensteuer gekoppelt ist, für einen bestimmten Zweck zu erheben und diesen dann nach Wegfall des Zwecks weiterhin für alle möglichen Steuerzwecke zu verwenden. Die Frage ist dann, ob der Zweck noch besteht, welcher Maßstab daran anzulegen ist. Dass man irgendwie das Geld gut gebrauchen kann, ist sicher nicht ausreichend. Einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sehe ich hingegen nicht; so viel Spielraum muss die Politik haben. Allerdings müsste sie dafür nach meinem Verständnis die Steuern erhöhen, und dazu braucht sie wieder Mehrheiten....
Ich bin keine Juristin, aber ich finde es schon fragwürdig, dass der Soli jetzt zweckentfremdet einfach weiter einkassiert wird. Er war damals befristet beschlossen worden und sich so einfach darüber hinwegsetzen dürfte die Politik sich eigentlich nicht. Das würde zumindest mit einem Vertrauensverlust einhergehen, dass man sich auf solche Befristungen zukünftig nicht mehr verlassen kann... Dass die aktuelle Regierung ein Problem hat, Steuern zu erhöhen, weil sie sich nicht einigen kann, das darf einfach keine Begründung sein..
Aber für das eine Gesetz brauchte man genauso eine Mehrheit wie für das andere Gesetz, also das EStG, insofern gab es doch die erforderliche parlamentarische Mehrheit..? Ansonsten hat der BFH ja auf den "wiedervereinigungsbedingt fortbestehenden Finanzbedarf des Bundes" hingewiesen: "Zudem bestand in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung auf diesen fortbestehenden Bedarf, der unter anderem im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts gegeben war, hingewiesen. Er hat weiterhin schlüssig dargelegt, dass die Einnahmen aus dem ab 2021 fortgeführten Solidaritätszuschlag zukünftig die fortbestehenden wiedervereinigungsbedingten Kosten nicht decken werden", so der BFH in der Pressemitteilung heute. Von "Wegfall des Zwecks" ist also ausdrücklich gerade NICHT die Rede.
zu 1) Dann wäre es ja ein Leichtes, per Parlamentsbeschluss den Soli abzuschaffen und die Einkommensteuer zu erhöhen - warum tut man es nicht? zu 2) so sieht der BFH das. man kann es aber auch anders sehen; mal schauen, was das BVerfG dazu sagt.
Für die, die es interessiert: Einkommensteuer: bekommen Bund und Länder, Beschluss von Bundestag und Bundsrat erforderlich Soli: bekommt der Bund, keine Zustimmung des Bundesrats erforderlich Der Solidaritätszuschlag (Soli) ist eine einkommensteuerliche Annexsteuer (Zuschlagsteuer) bzw. eine Ergänzungsabgabe (§ 3 Abs. 1 AO), bei der die Bemessungsgrundlage die Einkommensteuer (Lohn-/Körperschaftsteuer) selbst ist (§ 3 Abs. 1 SolZG). Das Aufkommen steht nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG allein dem Bund zu. Daher bedarf das Solidaritätszuschlaggesetz (SolzG) auch nicht der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 105 Abs. 3 GG. Das weißt Du doch alles, Leena, also erzähle bitte nichts über Parlamentsmehrheiten. Der ehrliche Weg wäre, die Einkommsteuer zu erhöhen und den Soli abzuschaffen. Dafür hat man aber keine Mehrheit. Deshalb geht man den krummen Weg, der, selbst wenn er gerade noch so verfassungsgemäß wäre, ein ziemlicher Wählerbetrug ist.
Es gab im Bundestag im November 2019 eine Mehrheit für die Reduzierung des Soli und keine Mehrheit für den AfD-Antrag auf Abschaffung. Undemokratisch finde ich das jetzt tatsächlich nicht. Was den "Wählerbetrug" betrifft, beschwer Dich bei der FDP, die das vor der letzten Bundestagswahl in ihrem Wahlprogramm hatte, sich im Koalitionsvertrag damit aber nicht durchgesetzt hat. Also doch lieber "nicht regieren als falsch regieren"..?
Nein, der Wählerbetrug war, so zu tun, als handele es sich um eine zeitlich begrenzte Extraabgabe mit einem konkreten Ziel und einem absehbaren Ende und daraus dann eine Quasi-Einkommensteuer, die bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag erhoben wird, zu machen.
Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag ist nicht zulässig, hat auch jetzt der BFH ausdrücklich gesagt. Konkretes Ziel gibt es, absehbares Ende... naja, die Kosten der Wiedervereinigung sind halt immer noch nicht abgeschlossen. Dass man das so bei der Einführung des Soli noch nicht auf dem Schirm hatte, als man nur Kohls "blühende Landschaften" sehen wollte, ist eine Sache. Aber vor der Wahl jetzt, wer hat da den Wähler was versprochen..? Die Leute, die SPD und Grüne gewählt haben, wollten offenbar aktuell gar nicht, dass der Soli über die 2019 beschlossene Reduzierung hinaus komplett abgeschafft wird, zumindest haben diese Parteien nichts in dieser Richtung versprochen. Wählerbetrug sehe ich da immer noch nicht...
Nein, der Betrug bezieht sich auf die Einrichtung des Soli - Aufbau Ost, zeitlich begrenzt, ein Ende absehbar. Die Abschaffung hätte ja mit dem Auslaufen des Solidarpaktes automatisch sein müssen und nicht für einige Leute weiterbestehen dürfen.
Ich finde, man kann den politischen Entscheidungsträgern anno 2023 schlecht vorhalten, dass die Entscheidungsträger 1995 eine zu optimistische Erwartungshaltung hatten, wie schnell wir im Osten die "blühende Landschaften" haben würden. Ansonsten hat sich der BFH ja entsprechend geäußert, dass keine "zwingende rechtstechnische Verbindung zwischen dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und dem Solidaritätszuschlag besteht". Und zudem in den Streitjahren "nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes". Spricht doch eigentlich gerade für den Soli in der aktuellen Form - entsprechender Finanzbedarf des Bundes, also Ergänzungsabgabe für den Bund. Übergangszeit kann halt auch ein sehr langer Zeitraum sein, sagt der BFH...
Ich musste schmunzeln über die Schlagzeile im Radio: "ein älteres Ehepaar hat geklagt..." - AGG-Klage, ick hör dir trapsen! Das Urteil an sich kann ich nicht beurteilen, da nicht mein Thema. Unser Finanzminister, seinen FDP Hut tragend, will den Soli abschaffen, als Minister braucht er die Einnahmen allerdings.
Moin,
den Soli werden wir auch in 50 und 100 Jahren noch haben.
Wir zahlen ja auch immer noch fleißig die Schaumweinsteuer.
Die wurde von Kaiser Wilhelm Anfang des vorigen Jahrhunderts eingeführt zur Teilfinanzierung seiner Kriegsflotte. Die liegt zwar inzwischen komplett auf dem Meeresboden, aber die Schaumweinsteuer... jaaaaa, richtig, die latzen wir auch im 21. Jahrhundert noch fleißig ab...
Wobei, eigentlich wäre angesichts des ausgelobten "Sondervermögens" ja der Zeitpunkt ideal, sie wieder neu zu erfinden, also von daher...
LG
Ralph
Darauf einen Schaumwein!
In Sachen Schaumwein hat der BFH aber auch schon 1999 beschlossen, dass die Schaumweinbesteuerung nach den Vorschriften des nationalen SchaumwZwStG weder gemeinschaftsrechtlichen noch verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Und das BVerfG hat ein weiteres Verfahren dagegen gar nicht erst angenommen...
"Der Gesetzgeber hat bei der Erschließung von Steuerquellen und bei der Ausgestaltung von Steuergesetzen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit."
Alternativ hat der BFH ja darauf verweisen, dass "gute Gründe dafür sprechen mögen, dass der Gesetzgeber die Besteuerung alkoholischer Getränke auf eine neue Grundlage stellte, etwa unter Einbeziehung des Stillweins eine Besteuerung nach dem Alkoholgehalt ins Auge fassen könnte". "Dass er dies bisher vornehmlich aus agrarpolitischen Gründen zur Schonung der Winzer nicht getan hat, weil nach seiner Auffassung die Einführung einer Weinsteuer in Deutschland allen politischen Intentionen widerspreche, ist eine von den Gerichten hinzunehmende politische Entscheidung..."
Ob Dir das lieber wäre..?
LG nach HH!
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