Sehr geehrter Prof. Paulus,
ich habe noch eine Frage zur Anwendung von Progesteron.
Ich soll ab Eisprung bis zur 12 Ssw Famenita nehmen. Zunächst eine Kapsel abends, nach positivem Schwangerschaftstest 3x2 täglich.
Meine Frauenärztin meinte es sei egal ob ich die Kapsel oral oder vaginal anwende.
Nun bin ich sowieso schon sehr unsicher in Bezug auf die Verwendung dieser zusätzlichen Hormone.
Bei uns in der Familie hat sowohl meine Schwester (mit 35) als auch mein Vater eine Lungenembolie erlitten.
Zugleich starben 2 Verwandte von mir an Brustkrebs.
Zusätzlich befürchte ich , dass mein Baby durch das Progesteron geschädigt wird (wissenschaftliche Untersuchung bestätigt wohl ein erhöhtes Krebsrisiko
den Kindern, deren Mütter mit Progesteron behandelt wurden).
Welche Anwendung (oral oder vaginal) können Sie empfehlen, welches die geringsten Nebenwirkungen auf mein Baby und mich (im Hinblick auf Thrombose / Brustkrebs oder Eierstockkrebs ) hat?
Vielen Dank für Ihre tolle Arbeit hier im Forum!
von
Pingulini
am 25.09.2015, 20:25
Antwort auf:
Anwendung Progesteron
Leider stiften solche Fall-Kontroll-Studien häufig Verwirrung. Ausgangspunkt dieser Untersuchung waren Fälle von Kindern mit Tumorentwicklung. Betrachtet man die 48 Kinder mit Leukämie, so hatten in 18 Fällen (37,5%) die Mütter im Rahmen der Kinderwunschbehandlung Progesteron erhalten, während bei einer Vergleichsgruppe von 1.289 gesunden Kindern 222 Mütter (17,2%) Progesteron erhalten hatten. Hier wird also aus dem Blickwinkel der erkrankten Kinder die Vorgeschichte durchforstet.
Für den Alltag wäre es jedoch interessant zu erfahren, wie viele Mütter unter Progesteron-Therapie Nachkommen mit Tumoren erwarten müssen. Das lässt sich jedoch aus diesen rückblickenden Fall-Kontroll-Studien leider nicht ableiten.
Außerdem kann man aus diesen Fall-Kontroll-Studien keinesfalls einen klaren Zusammenhang von Ursache (z. B. Progesteron) und Wirkung (z. B. kindlicher Tumor) herstellen.
Natürlich sind in Deutschland die Geburtenzahlen und die Zahl der Störche in den letzten 50 Jahren deutlich gesunken. Doch ist der Storch nicht unbedingt für die niedrige Geburtenrate verantwortlich.
Eine Klärung ließe sich nur durch prospektive Kohortenstudien erreichen, d. h. einen Vergleich von zwei Gruppen von Müttern mit Kinderwunschtherapie: Wenn die Gruppe unter Progesteron-Behandlung signifikant häufiger Nachkommen mit Tumoren zu beklagen hätte gegenüber einer Kontrollgruppe ohne Progesteron-Therapie, dann wäre die Sachlage einfacher zu interpretieren.
Der mütterliche Organismus produziert in der Schwangerschaft selbst große Mengen von Progesteron. Es handelt sich also bei der zusätzlichen Gabe von Progesteron in der Schwangerschaft nur um eine Unterstützung der körpereigenen Produktion, die teilweise unzureichend sein kann.
Daher wird Progesteron häufig auch nach Kinderwunschbehandlung zum Ausgleich eines Gelbkörperhormonmangels im ersten Schwangerschaftsdrittel empfohlen.
Ein Einfluss des im Rahmen der Kinderwunschbehandlung zusätzlich verabreichten Progesterons auf das Risiko für Thrombosen oder Tumoren ist nicht zu befürchten.
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 02.10.2015