Liebes Stillberatungsteam!
Meine Tochter ist nun vier Monate alt. Sie hat von Anfang an sehr häufig getrunken, alle zwei Stunden, auch nachts.
Ich hatte irgendwie gedacht, dass sich die Stillabstände mit der Zeit verlängern würden, aber das kann ich bisher überhaupt nicht beobachten. Nur tagsüber, wenn wir unterwegs sind, schafft sie auch mal 3, selten 4 Stunden.
Nachts ist es seit einigen Wochen so, dass sie ab 5, 6 Uhr sogar stündlich trinken möchte (danach schläft sie aber wieder ein, wir stehen meist erst so gegen 10 Uhr auf). Woran könnte das liegen, dass sie sich in den frühen Morgenstunden noch häufiger meldet?
Kinderarzt und Hebamme meinten nun, ich könnte versuchen, die Stillabstände zu verlängern, indem ich nicht sofort stille, sondern sie etwas "hinhalte" / ablenke.
Ich habe das jetzt nachts ein paarmal probiert, fand es aber sehr anstrengend, weil ich dazu ja auch wach bleiben muss (beim Stillen schlafe ich dagegen direkt wieder ein, sobald sie angedockt ist). Außerdem weint sie dabei, was mir dann immer total leid tut....
Manchmal ist sie nach kurzer Zeit tatsächlich wieder eingeschlafen und hat sich erst eine Stunde später wieder gemeldet, manchmal habe ich dann aber doch die Brust gegeben, weil sie sich nicht anders beruhigen ließ.
Meine Frage ist nun, ob so ein Vorgehen überhaupt Erfolg haben kann, so dass wir langfristig auf 3-4 Stunden Abstände in der Nacht kommen könnten? Oder bringt das sowieso nichts (den Eindruck habe ich bisher)?
Ich tendiere mittlerweile eigentlich eher dazu, sie nachts einfach weiterhin so häufig anzulegen (da ich direkt wieder einschlafe, macht mir das auch eigentlich nicht viel aus).
Aber ich habe halt die Befürchtung, dass das dann wirklich ewig so weitergeht, denn ich habe jetzt schon mehrfach gehört, dass ein Baby sich an die "stets geöffnete Bar" gewöhnt und nicht von sich aus irgendwann darauf verzichten wird. Stimmt das?
Danke für eine Einschätzung und viele Grüße
Jule
Mitglied inaktiv - 02.06.2010, 10:48
Antwort auf:
Stillpausen verlängern durch "Hinauszögern"?
Liebe Jule,
ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am Besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann.
Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das "Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch.
Die Abstände werden irgendwann größer werden, dazu braucht es kein Hinhalten und ein Baby gewöhnt sich auch nicht daran!
Als Eltern glauben und hoffen wir immer auf eine lineare Weiterentwicklung der Fähigkeiten unserer Kinder. Beim Schlafverhalten können wir jedoch nicht davon ausgehen, dass die Entwicklung kontinuierlich verläuft, im Gegenteil, relativ viele Babys schlafen mit drei Monaten deutlich länger und anhaltender als mit vier oder sechs Monaten.
Das Schlafverhalten hängt nicht unbedingt oder nur in extrem geringem Maße von der Ernährung ab. Gerade in der Zeit ab etwa vier bis sechs Monate wachen viele Babys (wieder) vermehrt auf. Dies liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung auch keine Garantie für angenehmere Nächte und ein vier bis fünf Monate altes Baby ist in aller Regel auch noch viel zu jung für Beikost.
Die Kinder beginnen um diesen Zeitraum die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ...
Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet.
Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt dir in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten.
Als stillende Mutter hast Du den ungeheuren Vorteil, dass Du dein Kind durch diese für alle anstrengende Zeit begleiten kannst, ohne dass Du richtig wach werden und aufstehen musst. Genieße dieses Privileg, dich einfach nur umdrehen zu müssen, so dass dein Kind an deine Brust kann und dann, wenn schon nicht sofort weiterschlafen zu können, so doch zumindest ruhen kannst.
Wenn Du gerne liest und ein Buch lesen möchtest, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich dir wärmstens "Schlafen und Wachen ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das Du im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin bekommen kannst.
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 02.06.2010