Frage: Stillen nach dem Zähneputzen

Liebe Biggi, vielen Dank für all die tollen Antworten, die Sie immer geben. Heute wende ich mich selbst mit einer Frage an Sie: Mein Sohn ist zwei dreiviertel Jahre alt und wird abends und nachts noch gestillt. Er genießt diese Zeit sehr und ich gebe sie ihm gerne. Heute habe ich gesehen, dass sein Eckzahn etwas gelblich ist - wir stillen immer nach dem Zähneputzen zum Entspannen und Runterkommen und ich habe Angst, dass sich das negativ auf seine Zähnchen auswirken könnte. Im Internet finde ich dazu die unterschiedlichsten Meinungen und Studien; den Kinderarzt möchte ich ehrlich gesagt ungern fragen, da mein Langzeitstillen nicht gerade positiv ankommt (außer bei meinem Sohn ;-)). Vor dem Zähneputzen zu stillen und nachts die Brust zu verweigern, wäre ein Weg - aber wir starten bald mit dem Kindergarten und ich weiß nicht, ob das ein guter Zeitpunkt ist. Oder abstillen? Können Sie mir etwas raten bzw. sagen, ob das Stillen negativ für die Zähne ist? Mein Wunsch wäre es mittelfristig, dass sich mein Kind selbst abstillt. Ist so etwas - ganz generell - realistisch oder geht das immer von der Mutter aus? Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort. Herzliche Grüße

von Nini Marin am 20.07.2021, 16:38



Antwort auf: Stillen nach dem Zähneputzen

Liebe Nini Marin, weder Langzeitstillen noch nächtliche Stillen leistet entgegen der immer wieder geäußerten Meinung dem Karies Vorschub. Lange gestillte Kinder, die auch zum Einschlafen und während der Nacht gestillt werden haben nicht mehr Karies als andere Kinder, eher im Gegenteil. Beim Stillen werden die Zähne nicht ständig mit Milch umspült, schon gar nicht die Schneidezähne (!), da im Gegensatz zu einem mit der Flasche gefütterten Kind die Milch erst weit hinter den Zahnleisten in den Mund gelangt und von dort direkt geschluckt wird. Die Milch läuft ja aus der Brust nicht einfach aus (wie das bei der Flasche der Fall ist), das Kind muss aktiv arbeiten und schluckt dann auch. Gestillte Kinder und auch langzeitgestillte Kinder bzw. noch lange während der Nacht gestillte Kinder haben nicht mehr Karies als nicht gestillte Kinder und wenn es zu Karies kommt, dann nicht wegen, sondern trotz des Stillens. Karies wird durch ein Bakterium verursacht (streptococcus mutans), das die meisten Erwachsenen in ihrem Mund haben. Wenn ein Baby auf die Welt kommt, ist sein Mund in aller Regel noch frei von diesem Bakterium und meist bleibt dies zumindest so lange so, bis der erste Zahn da ist, bei manchen Kindern kommt es auch erst deutlich nach dem ersten Zahn zu einer Besiedelung mit Streptococcus mutans. Ein ganz wesentlicher Übertragungsweg ist übrigens das Ablecken eines runtergefallenen Schnullers durch die Mutter (oder sonst einen Erwachsenen) und das gemeinsame Benutzen eines Löffels oder das Vorkosten des Breis mit dem gleichen Löffel, wie er zum Füttern benutzt wird. Ob ein Mensch (vermehrt) Karies bekommt oder nicht, hängt auch noch von weiteren Faktoren ab: wie gut oder schlecht hat sich die Mutter in der Schwangerschaft ernährt; waren in der Schwangerschaft Antibiotika notwendig; hatte die Mutter in der Schwangerschaft Erkrankungen, die mit hohem Fieber einhergingen; kommen in der Familie genetisch bedingt gehäuft Schmelzdefekte vor; ist das Kind zu früh geboren ... Hier kannst du ein sehr informatives, fundiertes Video dazu anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=sbhR1gmUms4 Harry Torney, ein britischer Zahnarzt hat in Nottingham auf einer LLL Europakonferenz einen Vortrag zum Thema "Breastfeeding and Dental Health" gehalten und in seinem Vortrag aufgezeigt, dass es keinen Zusammenhang mit vermehrtem Auftreten von Karies und Langzeitstillen gibt. Er hat auch eine Arbeit darüber veröffentlicht: "Prolonged, on demand breastfeeding and dental caries an investigation, Torney PH, M Dent Sc thesis, Trinity College, Dublin 1992 Du kannst natürlich das nächtliche Stillen trotzdem reduzieren. Wenn Du nicht mehr ständig stillen möchtest, wird es am besten sein, wenn du schrittweise vorgehst, z.B. in dem du zunächst eine gewisse stillfreie Zeit in der Nacht einführst. Dein Kleiner wird sicherlich schimpfen und toben, aber in diesem Alter kann er durchaus lernen, dass er nicht immer an die Brust darf. Bleibe liebevoll, aber konsequent, dann schafft ihr das! Ganz liebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 20.07.2021