schläft im Elternbett unruhiger als im eigenen

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: schläft im Elternbett unruhiger als im eigenen

Hallo ihr beiden, hab mal wieder eine Frage: meine Kleine ist nun über 1 Monat alt.Nach dem letzten Stillen wenn wir schlafen gehen,legen wir sie-schlafend-beim Stillen eingeschlafen- in ihr Beistellbett neben meins.Dann schläft sie dort fest ca.2-2,5 Std.Wenn sie dann wieder wach wird in der Nacht,Hunger hat,stille ich sie entweder im Wohnzimmer oder in meinen Bett.Ins Beistellbett kann ich sie dann nicht mehr legen,da sie wach wird,und nicht mehr zu beruhigen ist.Also nehme ich sie nach dem Stillen mit in mein Bett oder stille sie gleich nachts dort.Mir ist aber aufgefallen,das sie dort unruhiger ist,und immer wieder an die Brust will (auch nuckeln nicht nur trinken),und weniger bzw.schlechter schläft,ich natürlich damit auch.Sie schläft nicht richtig fest ein,sie ist halb wach,halb schlafend,will alle halbe oder Std.wieder an die Brust... Erst frühst,um 4 uhr etwa,schläft sie dann richtig ein und bis 6 uhr etwa. Kann es sein,das sie sich vielleicht selbst hochschaukelt,wach erregt bleibt durch meine enge Nähe,Geruch,Brustnähe,und somit nicht zum schlafen und zur Ruhe kommt?? Gibt es nicht auch Kinder die allein besser schlafen als in unmittelbarer Nähe der Mutter?lg Greenamy

von Greenamy am 11.04.2012, 13:54



Antwort auf: schläft im Elternbett unruhiger als im eigenen

Liebe Greenamy, ich denke, dass dein Baby auch im Beistellbett nicht besser schlafen würde, sondern um diese Zeit einfach unruhig ist und deine Nähe und die Brust braucht. Du musst dir vorstellen, dass deine Kleine bis vor einem Monat Tag wie Nacht ununterbrochen Nahrung bekommen hat, ganz gleich wie viel Uhr es war. Es war immer gleichmäßig warm und die Geräusche um sie herum hatten auch eine gewisse Monotonie. Nun plötzlich ist alles anders und an diese riesige Veränderung muss sie sich erst gewöhnen. Das braucht seine Zeit und zwei Wochen sind viel zu wenig Zeit, um diese Umstellung einfach zu bewältigen. Gib dir und deinem Kind die Zeit, die ihr beide braucht, um euch an das neue Leben zu gewöhnen. Denke daran, dass Du jetzt Wöchnerin bist. Leider ist es in unserer Kultur nicht (mehr) so sehr verbreitet darauf Rücksicht zu nehmen, dass eine Frau, die gerade ein Kind geboren hat, Zeit braucht. Zeit zur Erholung, Zeit zum gemeinsamen Kennenlernen des neuen Menschleins, Zeit ums sich an die ganze Veränderung, die so ein kleiner Erdenbürger mit sich bringt zu gewöhnen. Ich habe noch einen interessanten Artikel zum Thema, den ich dir anhänge. LLLiebe Grüße Biggi Autor: Dr. Katherine Dettwyler PhD zugeordneter Professor fuer Anthropologie und Ernaehrungswissenschaft Texas A & M University Originaltitel des Textes: "Sleeping through the night?" Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass Elternsein eine harte Anpassungszeit erfordert, besonders wenn die Erwartungen nicht mit der Realitaet uebereinstimmen, wenn uns unsere Kultur gelehrt hat, dass Kinder bestimmte Beduerfnisse/Verlangen/Verhaltensweisen haben, und unsere Kinder dann in dieses Modell nicht hineinzupassen scheinen. Es kann fuer neue Eltern sehr schwierig sein, diese Differenz zwischen Erwartungen und Realitaet zu akzeptieren und damit fertig zu werden. Manche Kinder koennen dazu aufgemuntert, gezwungen oder davon ueberzeugt werden, sich den kulturellen Erwartungen anzupassen, und sie werden problemlos damit fertig. Bei andere hingegen, auch wenn sie sich letztendlich anpassen, geschieht das zum Schaden ihrer Persoenlichkeit, Ihrer Selbstsicherheit, ihrer Faehigkeit, die Welt als einen sicheren und vertrauenseinfloessenden Ort zu betrachten, und manchmal zieht es gesundheitliche oder sogar lebensbedrohende Folgen nach sich. Wahrscheinlich besteht nirgends ein so grossen Konflikt zwischen kulturellen Erwartungen und den physiologischen Beduerfnissen der Kinder, wie in den beiden Bereichen Stillen und Schlafverhalten. Die Erwartung, sehr oft gestillt zu werden, ist Babys angeboren (egal ob man glaubt, durch Millionen von Jahren der Evolution oder durch Gott). Hinweise dafuer sind: Die Zusammensetzung der Muttermilch. Die Tatsache, dass bei allen hoeheren Primaten (zoologische Ordnung, zu denen auch der Mensch gehoert zu den hoeheren Primaten zaehlt man auch Affen und Menschenaffen) die Muetter ihre Jungen viele Jahre lang im Arm oder auf dem Ruecken tragen. Die Groesse des Magens eines Saeuglings. Die Schnelligkeit, mit der Muttermilch verdaut wird. Die Notwendigkeit einer fast ununterbrochenen Nahrungszufuhr fuer das Wachstum des grossen menschlichen Gehirns. usw. Mit sehr oft ist gemeint drei bis viermal pro Stunde, jedesmal fuer wenige Minuten. Die Art, in der einige Babys in unserer Kultur gestillt werden zu versuchen, sie an einen 3 4 Stunden Rythmus zu gewoehnen, mit Stillmahlzeiten die jeweils 15 20 Minuten dauern, geht gegen unsere Natur. Wir Menschen sind jedoch sehr anpassungsfaehig und einige Muetter schaffen es, mit diesen sehr distanzierten Bruststimulationen und entleerungen genug Milch zu bilden und einigen Babys gelingt es, mit grossen, weit auseinanderliegenden Milchmahlzeiten zurechtzukommen. Leider koennen jedoch einige Muetter mit so seltenen Stillmahlzeiten nicht genug Milch bilden und einige Babys passen sich diesem Rythmus nicht an, werden unruhig, schreien viel, moechten "vor der Zeit" gestillt werden und wachsen und gedeihen nicht. Es wird dann meistens der Koerper der Mutter angeklagt. "Sie haben nicht genug Milch!" statt die von der Kultur aufgezwungene Erwartung, dass es ausreichen sollte, alle drei bis vier Stunden zu stillen, und die Mutter beginnt, mit Flaschenmilch zuzufuettern, was zu einer stetig abwaerts fuehrenden Spirale bis hin zum gaenzlichen Abstillen fuehrt. Kinder kommen auch mit der biologischen Erwartung auf die Welt, dass Muttermilch bis mindestens 2,5 Jahre einen Teil ihrer Diaet darstellt und viele Indizien weisen darauf hin, dass 6 7 Jahre die wahre physiologische Stilldauer ist egal, wie unsere kulturelle Ueberzeugung ist. Ich kann Referenzen meiner diesbezueglichen Studie zur Verfuegung stellen, wenn jemand mehr darueber erfahren mochte. Das gleiche gilt auch fuer das Schlafverhalten. Kinder kommen mit der angeborenen Erwartung auf die Welt, dicht neben ihren Eltern zu schlafen. Der Tastsinn ist der wichtigste Sinn der Primaten, zusammen mit dem Sehsinn. Junge Primaten werden jahrelang auf dem Koerper der Mutter getragen und schlafen neben ihr, oft noch wenn sie schon laengst abgestillt sind. Die biologische Erwartung fuer Mutter und Kind ist, zusammen zu schlafen und fuer das Kind, waehrend der Nacht, sooft es das Beduernis dazu spuert, an der Brust trinken zu koennen. Normale, gesunde, gestillte und neben der Mutter schlafende Kinder schlafen nicht "durch" (das heisst sieben bis neun Stunden in einer Strecke) bis sie nicht 3 4 Jahre alt sind und das Nachtstillen nicht laenger notwendig ist. Ich wiederhole: das ist NORMAL und GESUND. Dr. McKenna's Schlafstudie zeigt deutlich die Gefahr, der ein einsam schlafendes Kind ausgesetzt ist, das in einen unnatuerlichen Tiefschlaf gleitet, aus dem es schwerlich alleine aufzuwachen imstande ist, wenn es zu einer Atemstillstandsepisode kommt. Wenn die Mutter neben ihrem Baby schlaeft, lenkt sie den Schlaf des Babys und seinen Atemrythmus, selbst waehrend sie schlaeft. Wenn das Baby eine Atemstillstandsepisode durchmacht, erinnert es die Mutter mit ihren Bewegungen und mit der Beruherung daran, wieder zu atmen. Man glaubt, dass das der Hauptgrund dafuer sei, dass das Zusammenschlafen des Babys mit der Mutter vor S.I.D.S. (ploetzlicher Krippentod) schuetzt. In anderen Worten, in vielen Faellen von S.I.D.S. in einsam schlafenden Kindern glaubt man, dass es darauf zurueckzufuehren ist, dass ihnen in sehr zartem Alter beigebracht wurde, lange Strecken durchzuschlafen und dass, wenn sie sich waehrend einer Atemsstillstandepisode in einer Tiefschlafphase befinden, niemand neben ihnen ist, der es bemerkt, und sie ans Atmen erinnert, und sie nehmen es ganz einfach nie mehr auf. Das Nebeneinanderschlafen erlaubt der Mutter auch, die Koerpertemperatur ihres Kindes waehrend der Nacht zu kontrollieren, da zu sein, wenn es Milch erbricht und zu husten beginnt und ihm ganz einfach die normale, sichere Umgebung zu bieten, die sich das Baby instinktiv erwartet. Ist das vorteilhaft fuer die Eltern? Nein! Ist es fuer einige neue Eltern schwer, sich anzupassen? Ja! Es besteht kein Zweifel: der Spalt zwischen dem, was uns unsere Kultur gelehrt hat, vom Schlafverhalten unserer Kinder zu erwarten (ihnen eine Geschichte vorzulesen, sie schoen zuzudecken, das Licht auszuschalten und sie in den naechsten acht Stunden nicht mehr zu sehen) und der Realitaet, das heisst, wie gesunde und normale Kinder tatsaechlich schlafen, klafft weit auseinander. Der erste Schritt, sich mit der Tatsache abzufinden, dass ein Baby nicht die Nacht durchschlaeft, oder dass es nicht ohne die Mutter schlafen moechte ist, sich der folgenden Punkte bewusst zu werden: Dass Kinder bis zum Alter von drei bis vier Jahren nicht durchschlafen, ist ein normales und gesundes Verhalten. Kleine Kinder sind nicht "schwierig" und sie wollen einen nicht "manipulieren". Sie sind normal und gesund und benehmen sich artgerecht. Sobald man diese einfachen Wahrheiten akzeptiert hat, wird die naechtliche Betreuung des Kindes viel einfacher. Wenn man die Idee aufgibt, dass man 8 Stunden ununterbrochenen Schlaf pro Nacht braucht, und diese naechtlichen Interaktionen mit dem Kind als wertvoll und voruebergehend betrachtet, gewoehnt man sich sehr schnell daran. Ich kann das Buch von Dr. Sears empfehlen "Schlafen und Wachen" (bei der "La leche League" zu beziehen). Die ersten Jahre unserer Kinder sind die wichtigsten und einflussreichsten ihres Lebens und sie vergehen nur allzu schnell. Wenn man den Beduefnissen seiner Kinder in diesen wichtigen Jahren nachkommt, wird man in den darauffolgenden Jahren reichlich Fruechte ernten koennen. Copyright © Katherine Dettwyler PhD Dieser Artikel kann fuer den persoenlichen Gebrauch ohne weitere Genehmigung ausgedruckt und unbegrenzt ausgeteilt werden; Fuer die Verwendung in anderen Publikationen setze man sich bitte mit dem Autoren in Verbindung: dettwyler@tamu.edu Uebersetzung von Ulrike Schmidleithner

von Biggi Welter am 11.04.2012