Wie kann ich meine Tochter zum Essen animieren?

Dipl.-oec.-troph. Birgit Neumann Frage an Dipl.-oec.-troph. Birgit Neumann Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

Frage: Wie kann ich meine Tochter zum Essen animieren?

Hallo, meine Tochter ist fast 10 Monate alt (Stillkind). Sie wurde 6 Monate voll gestillt. Danach habe ich die ersten Beikost Versuche (Mittagsbrei) gestartet. Sie war von Anfang an sehr ablehnend was Brei anging. Nach vielen Versuchen sind wir mit Mühe und Not und viel Ablenkung auf 30 Gramm gekommen. Als wir mit dem Abendbrei begonnen haben lief es anfänglich besser. Da haben wir auch mal 60-70 Gramm geschafft und 1-2 mal sogar so 100 Gramm. Die anfängliche Euphorie ist aber auch schnell wieder abgeebbt und es wurde schnell weniger. Vor 2 Wochen hatte meine Tochter eine Magen Darm Grippe und seitdem lehnt sie komplett den Brei ab. Sie versucht nicht einmal, sondern schiebt direkt den Löffel mit der Hand weg. Habe auch schon versucht mal 2 Tage Pause zu machen es hat nichts geändert. Wir versuchen auch zwischen durch immer wieder ihr mal gedünstetes Gemüse, Brot oder Nudeln zu geben. Wenn das Essen von unserem Teller kommt probiert sie auch mal 2-3 Löffelchen. Sobald sie merkt das es was extra für sie zubereitetes ist lehnt sie sofort ab. Nur wenn es von unserem Teller kommt und Mama und Papa das auch essen wird ganz wenig mal probiert. Somit bin ich an dem Punkt das ich sie gerade wieder voll stille. Am Tag trinkt sie nicht so oft an der Brust, da alles viel zu interessant um sie herum ist und sie gerade die Welt entdecken möchte. Nun zu meinem zweiten Problem. Sie kommt in der Nacht sehr, sehr oft und möchte an die Brust, um sich wahrscheinlich das zu holen was sie braucht. Irgendwann ist es dann natürlich so das keine Milch mehr kommt wenn sie laufend trinken möchte. Dann wird sie sauer und weint. Ich hatte noch nie extrem viel Milch, aber es hat immer gereicht das sie gerade satt wurde. Eine Flasche lehnt sie ab seit sie 4 Monate alt ist. Wir haben es immer mal wieder versucht. Gewichtsmäßig ist sie gut dabei. Sie wiegt 9 kg und hat gut Reserven. Da mach ich mir keine Sorgen. Allerdings hat sie seit gut 2 1/2 Monaten, seit dem sie robbt nichts mehr zugenommen. Was können wir tun, um hier weiter zu kommen? Bin wirklich verzweifelt. Viele Grüße Jauke

von Jauke am 13.12.2018, 11:32



Antwort auf: Wie kann ich meine Tochter zum Essen animieren?

Hallo Jauke deine Tochter braucht jetzt ganz viel Vertrauen und euren elterlichen Zuspruch, viel positive und emotionale Begleitung wenn es darum geht neue Lebensmittel kennen- und lieben zu lernen. Sie isst bereits einige wenige Probierhappen von deinem oder Papas Teller, wie du schreibst. Das ist ein guter Anfang. Hat sie vielleicht sogar bereits ein bestimmtes Lebensmittel, eines, das sie verlässlich und genüsslich mit isst? Nudeln bspw? Wenn es ein Lebensmitel gibt, das deine Tochter gut akzeptiert, dann nimm dieses LM und gib ihr dieses LM jeden Tag auf einen - ihren eigenen Teller (jeden Tag der gleiche Teller - für den Wiedererkennungseffekt und die Akzeptanz) - und lass sie selbständig von diesem Teller (mit)essen. Zusätzlich solltet ihr weiterhin so verfahren wie bisher - mit Probierhappen von euren Tellern. Die Probierhappen könnt ihr nach und nach auch auf ihrem Teller deponieren, damit sie weiterhin selbständig essen (lernen) kann. Lass deine Tochter jetzt ganz besonders viele positive Esserfahrungen machen. Das Essen sollte "lecker" * sein. Mit vielen positiven Esserfahrungen wird sie nach und nach wieder mehr Vertrauen für die sie umgebende Lebensmittelvielfalt, in typische Familiengerichte, in Nahrungsbasics, ins Essen allgemein entwickeln und nachfolgend mehr essen und bald auch mehr neue Essabenteuer wagen. Denn: der Appetit kommt mit dem Essen. Damit Kinder essen, müssen sie natürlich erst probieren. Für die Kleinsten ist unsere kulinarische Vielfalt ganz neu. Sie müssen die Form, die Farbe, den Geruch, die sie umgebende Situation, einfach alles neu einordnen und bewerten. Je mehr Konstanz beim Essen, je mehr Routine und Verlässlichkeit, desto besser. Gib deiner Tochter die nötige Sicherheit bspw mit einem einleitenden Ritual. Was fällt dir hierzu spontan ein? Händchenwaschen, Büchlein ankucken, Lätzchen umbinden, Tisch decken? *Alle Kinder dieser Welt haben eine Präferenz für Speisen mit den folgenden Merkmalen: süß, fettig, weich, mild gewürzt, bunt, kohlenhydratreich, klare Formen, u.a Merkmale Für Kinder haben Speisen mit den genannten Kriterien ein sog. gutes sensorisches Level Beispiele: Toastbrot = weich, tendentiell süßlich. Quetschie = süß, klare Form. Nudeln = weich, kohlenhydratreich. Alle typischen Kindergerichte stimmen mit diesen (und anderen) Eigenschaften überein. Kurz gesagt: Kinder präferieren diese Speisen. An diese Speisen sind sie sozusagen genetisch angepasst. Auch angepasst bzw durch die Mutter via Schwangerschaft und Stillzeit geprägt sind Kinder an den Geschmack von Speisen, die die Mutter in dieser Zeit sehr häufig konsumiert hat. Auf diese Weise werden Kinder in Geschmacksfragen meist auch kulturell vorgeprägt. Die Wahrscheinlichkeit, dass deine Tochter diese Speisen mag sind sehr hoch. Lass sie darum ruhig öfter auch breiige Speise probieren, koche ggf für euch vermehrt Gemüsecremesuppen. Deine Tochter wird sie lieben. Was ist eure liebste Geüsesuppe? Super wäre auch, wenn ihr vorübergehend bspw häufiger Kartoffelbrei esst. Auch diesen wird sie lieben lernen und er ist ein Kinderklassiker, nahrhaft. Kinder müssen stetig lernen und neue, d.h. ihnen noch unbekannte Speisen kennen - und mögen lernen. Sie sollten lernen andere Aromen und Konsistenzen, sämtliche Lebensmitteln mit verschiedenen sensorischen Eigenschaften und anderen Eigenschaften als die oben genannten (die mit dem guten, perfekten sensorischen Level) zu akzeptieren. Dies lernen sie in dem sie eine neue Speise immer wieder in kleinen Probiermengen kosten und sich an den neuen Geschmack und die neuen und unbekannten Eigenschaften (fest, knackig, gummiartig, bröselig, schleimig, kantig, bizzelig etc) der Speise gewöhnen. Sie müssen durch wiederholtes Probieren lernen auch neue und ihnen noch unbekannte Speisen/Lebensmittel zu mögen.Das ist ein fortlaufender Prozess. Geschmack ist zunächst nur ein Kriterium zur Bewertung einer Speise. Erst wenn das Lebensmittel im Körper verdaut ist und den Körper nährt, kann das Kind (unbewusst) über Gefallen oder Nichtgefallen entscheiden. Wenn der Körper Gutes mit der verzehrten Speise erfährt, wächst der Appetit darauf, die Lust auf Wiederholung. Macht eurer Tochter Appetit auf Essen. Esst mit ihr zusammen und erlebt gemeinsamen Essgenuss. Bringe Wiederholungen und finde Speisen, die sie gut und verlässlich isst. Erweitere den Speiseplan stetig, kombiniere Neues mit Altbekanntem und lass sie viele neue Speisen spielerisch, mit allen Sinnen erleben. Lass sie mit Essen spielen, matschen und esst am besten gemeinsam. So wird eure Tochter wieder Vertrauen finden und langfristig genussvoll und selbständig sowie selbstverständlich mit essen. Sieh auch einmal hier: https://www.rund-ums-baby.de/kochen-fuer-kinder/beitrag.htm?id=46354&suche1=essen+lernen+prozess&seite=1 https://www.rund-ums-baby.de/kochen-fuer-kinder/beitrag.htm?id=46765&suche1=essen+lernen+prozess&seite=1 https://www.rund-ums-baby.de/kochen-fuer-kinder/beitrag.htm?id=46499&suche1=schreckmoment&seite=1 Also dann Kopf hoch, ab jetzt wird alles einfacher Viele Grüße Birgit Neumann

von Birgit Neumann am 13.12.2018



Antwort auf: Wie kann ich meine Tochter zum Essen animieren?

Vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort. Wir werden versuchen die Tipps so gut wie möglich umzusetzen. Jauke

von Jauke am 14.12.2018, 22:10