Elternforum Rund ums Kleinkind

Wieviel Körperkontakt ist nötig?

Wieviel Körperkontakt ist nötig?

Lucy9876

Hallo, unsere Tochter kommt im Dezember zur Welt und ich habe gerade in einem Artikel gelesen, wie wichtig zu Beginn Körperkontakt sei, sodass sich die Vitalfunktionen des Kindes synchronisieren können. Ich konnte jedoch noch nicht in Erfahrung bringen, wieviel Kontakt dazu erforderlich ist und wollte deshalb nach Erfahrung fragen. Ich bin ein Mensch, der grundsätzlich wenig Körperkontakt mag. Ja, unser Kind ist nicht ohne demselben zustandegekommen, aber ich mag es z.B. nicht, zu küssen, (längere) Umarmungen und auch auf mein eigenes Schlafzimmer lege ich großen Wert (das Kind wird zu Begin natürlich schon dort sein Bett bekommen, dass ich höre, wenn etwas nachts nicht passt). Soweit, so gut. Nur kann ja unser Kind nichts dafür, dass die Eltern so geprägt sind und hat vielleicht mehr Bedürfnis nach Körperkontakt? Deshalb die Frage... Genügt der ohnehin vorhandene Kontakt durch Stillen, Windeln wechseln, waschen, etc. oder ist mehr nötig? Wenn es z.B. mal schreit, da habe ich bei anderen Eltern beobachtet (jetzt achtet man irgendwie vermehrt darauf), dass viele es zu sich auf den Arm nehmen. Meine instinktive Reaktion wäre, zunächst zu checken, ob es Durst, Hunger hat, sich verletzt hat, müde ist oder die Windel gewechselt werden will. Falls eines der Dinge der Fall ist, natürlich schnell Abhilfe schaffen und ansonsten vielleicht Entspannungsmusik anmachen, den Ort verändern, das Licht heller oder dunkler machen und mich in Sichtweite setzen, dass es sich beschützt fühlt und jemanden um sich weiß, der für es "da ist". Wäre da dann auch Körperkontakt sinnvoll - wie es wohl viele andere machen? Vermutlich werde ich viel via try and error herausfinden (Schreien hört auf / hört nicht auf; wiederholen; Gemeinsamkeiten herausfinden;...), aber ein paar Ideen vorab, v.A. bzgl. Körperkontakt sind sicherlich nicht verkehrt :) LG Lucy


Fantasielos

Antwort auf Beitrag von Lucy9876

Nähe ist sehr wichtig und zwar nicht nur für die Vital-Funktionen, sondern auch für die psychische Entwicklung eures Kindes um eine gute Bindung zu euch aufzubauen. (Google mal zB Bonding). Babys weinen unterschiedlich, je nach Bedürfnis und ja manchmal wollen sie einfach Nähe. Nach einer Zeit kann man manchmal sein Baby lesen, ob es "nur" Nähe möchte oder ob es die Windel voll hat. Manchmal ist es auch ein Try and Error-Spiel... Manche Eltern nehmen auch ihr Kind auf den Arm, um ihm erstmal zu signalisieren: "Ich bin da und jetzt gucke ich mal, wie ich dir helfen kann." Wenn du Stillen möchtest, ist das doch schon die halbe Miete. Mache es dir gemütlich, stille am Anfang mit hochgezogenem Shirt, dein Kind kann dann an dem Bauch schon Körperkontakt haben. Manche Babies brauchen beim Stillen ewig und tanken dabei ihre Portion Mama, andere Babies sind nach 5 Minuten Druckbetankung fertig und wollen nicht mehr und manchmal ist es eine Mischung. Nur dass du etwa weißt, was da auf dich zukommen kann. Je mehr ihr kuschelt, desto besser klappt oft auch das Stillen, weil Bindungshormone ausgeschüttet werden. Manche Babies schlafen auch nur mit Körperkontakt oder sogar auf den Eltern. All das sind für dich bestimmt Horrorvorstellungen, stimmt's? Ich konnte bei meinem ersten Kind das auch nicht ganz so zulassen, aber er hat dann auch viel mit Papa gekuschelt. Das ist ja auch Körperkontakt und genauso wichtig. Vielleicht hast du auch "Glück" und dein Baby wird euch ähnlich und möchte gar nicht so viel Körperkontakt. Da ist jedes Baby ein bisschen anders. Also lasse es auch ein bisschen auf dich zukommen, ändern kannst du es auch nicht.


Lucy9876

Antwort auf Beitrag von Fantasielos

Vielen Dank für deine Antwort und die Einblicke, das hilft mir sehr weiter und letztlich... ja... auf mich zukommen lassen :)


Fleurdelys

Antwort auf Beitrag von Fantasielos

Dem stimme ich zu und würde noch hinzufügen, dass bei Babys und kleinen Kindern Gehirn und Nervensystem noch so unausgereift sind, dass sie nicht in der Lage sind, sich aus einem Stresszustand heraus selbst zu beruhigen. Sie brauchen einen Erwachsenen, der ihnen dabei hilft, sich zu regulieren. Und hierfür ist auch Körperkontakt vor allem für Babys ganz wichtig (Atmung, Herzschlag, Wärme, Geruch…)


Astrid

Antwort auf Beitrag von Lucy9876

Es gibt kein Maß und keine Zahlen, wie viele Minuten Körperkontakt ein Baby braucht, das ist Unsinn. Es braucht davon natürlich so viel wie möglich. Wenn Du Probleme damit hast, Deinem Baby auch körperlich Wärme und Zärtlichkeit zu geben, würde ich ehrlich gesagt zu einer Therapie raten. Denn dann wäre schon die Frage interessant, wieso Du diese Blockade hast, die nicht natürlich ist und nein, auch keine Typfrage ist. Ich würde eher darauf tippen, dass auch Deine Eltern oder ein Elternteil distanziert und eher kalt waren. Das gilt natürlich nur, falls Du nicht Asperger hast, denn dann wäre Deine seltsame kühle, kopflastige Haltung nachvollziehbar. LG


Mauski

Antwort auf Beitrag von Astrid

Auch dann braucht sie mindestens psychologische Unterstützung. Ansonsten braucht am Ende das Kind Therapie.


Mörchen17

Antwort auf Beitrag von Lucy9876

Warte ab, wie es wird. Ich bin normalerweise auch überhaupt kein Freund von Körperkontakt, aber bei unserem Sohn war selbiger für mich nie ein Thema, bis heute nicht. Und ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass man als Mutter sein Baby nicht auf den Arm nehmen mag; wer damit so ein Problem hat, dass er es tatsächlich nicht tun kann, und stattdessen auf Entspannungsmusik und dergleichen, was man vielleicht bei Erwachsenen anwenden würde, zurückgreifen zu meinen muss, ist nach meinem Dafürhalten nicht "normal". Das ist schon eine Störung, würde ich sagen. Aber vielleicht denkst Du jetzt auch nur zuviel drüber nach und nach der Geburt hast Du dann gar kein Problem. Man darf so ein Baby nicht mit einem Erwachsenen oder mit einem fremden Kind verwechseln. Das Verhältnis ist wirklich ein anderes. Das konnte ich mir vor der Geburt auch nicht so vorstellen. Unser Sohn kam sechs Wochen zu früh zur Welt, das erste Mal in den Arm nehmen durfte ich ihn am Tag nach der Geburt. Bonding direkt nach der Geburt oder dergleichen gab es bei uns also nie. Eine Krankenschwester hatte versucht, ihn mir dann am zweiten oder dritten Lebenstag nackt unters Shirt zu stecken, also Haut-an-Haut-Kontakt zu schaffen, das fand er aber ganz blöd und so blieb es bei diesem Versuch. Was für das eine Kind passt, muss also nicht für jedes andere auch so gelten.


Mauski

Antwort auf Beitrag von Lucy9876

Macht mich traurig Ich frage mich ob Du eventuell schon in Therapie bist? Wenn nicht, jetzt wäre höchste Zeit dafür. Ein Kind braucht mehr Körperkontakt als Du offensichtlich denkst. Du weisst auch selber, dass Du anders funktionierst als andere, über solche Themen hätte ich mich persönlich schon vor ich schwanger wurde schlau gemacht. Eventuell verändern sich ja mit dem Kind auch Deine Bedürfnisse… Oder vielleicht übernimmt der Papa mehr. Alles alles Gute!


Lucy9876

Antwort auf Beitrag von Mauski

Vielen Dank für die mitunter hilfreichen Antworten. Sorry, aber die Tipps bzgl. Therapie kann ich nicht ernstnehmen. Ich habe weder in meiner Partnerschaft (mein Partner ist genauso) irgendwelche Probleme, noch sonst irgendwo. Da wir als Mathematikerin bzw. Physiker arbeiten, mag es sein, dass statistisch dort mehr Menschen arbeiten, die weniger Nähebedürfnis haben und entsprechend unser Umfeld geprägt ist. Solange sich jeder wohl damit fühlt, finde ich es kein Problem. Ein Problem wäre es, wenn Menschen mit großem Nähebedürfnis distanzierter leben müssten und umgekehrt. Was nun unsere Tochter betrifft, dürfen wir uns eben darauf einstellen, deswegen auch die Frage vorab. Wenn ihr mehr Körperkontakt guttut, dann wird sie diesen auch bekommen. Ich habe ja keine Phobie davor und kann mich darauf einstellen, auch wenn es nicht "meiner Natur" entspricht. Und vielleicht ändert sich mit der Geburt in der Hinsicht auch "meine Natur". Dass das gut sein kann, habe ich aus den Antworten herausgelesen. LG Lucy


Mauski

Antwort auf Beitrag von Lucy9876

Mein Mann ist trotz Doktor in Physik auch ein guter Vater geworden :) Alles Gute!


Lucy9876

Antwort auf Beitrag von Mauski

Das lässt doch hoffen, Mauski XD Meine Dissertation habe ich ganz frisch letzte Woche abgegeben :)


Yvi2020

Antwort auf Beitrag von Lucy9876

Keine Sorge;-) Ich bin auch noch nie der kuschelbedürftigste Mensch gewesen und auch mich stören schon Umarmungen, die über die übliche Länge hinausgehen. Sobald du dein Baby im Arm hälst ist das aber ein ganz anderes Gefühl. Ich hab viel getragen und er schläft immer noch bei mir im Bett. Alles Gute.


blueberry123

Antwort auf Beitrag von Lucy9876

Hey Ich bin auch ein Mensch der nicht total auf Umarmungen steht und auch zum schlafen Platz braucht und keinen Körper Kontakt usw. Aber bei meinem Baby war ich nicht so. Unter Friedrich II. gab es ein solches Experiment. Er wollte herausfinden, ob Babys, mit denen nicht gesprochen wird und die nur die nötigste Zuwendung (Füttern, Säubern) erhalten, eine eigene Sprache, eine Ursprache, entwickeln. Ergebnis war, dass die Kinder keine Sprache entwickelt haben, sondern gestorben sind - an mangelnder menschlicher Zuwendung. Das kannst du bei Wikipedia zB auch nachlesen.


auf der Reise

Antwort auf Beitrag von blueberry123

Die angeblichen "Experimente"(*) sind nach üblicher Ansicht ein Mythos. Das weiß auch das Internet, wenn man es fragt. Lediglich um 1900 gab es demnach einen Herrscher (Südasien, meine ich), der die angeblichen Studien wohl nachgestellt hat. Aber auch zu dieser Studie gibt es nicht viele brauchbare Dokumente, was dort wirklich getan wurde und was den Kindern nun wirklich geschadet hat. (* "Experimente" sind das alles nicht - dafür müßte etwas in mindestens einer Variation manipuliert werden. Wenn man nur "alle" Kinder gleich behandelt, ist das kein Experiment.)


Pino

Antwort auf Beitrag von Lucy9876

Also ich persönlich nehme meinen Sohn immer erstmal auf den Arm, wenn er weint. Die restlichen Bedürfnisse klapper ich dann mit ihm auf dem Arm ab. Aber so fühlt er sich schon nicht mehr alleine.


Schmetterfink

Antwort auf Beitrag von Lucy9876

Dein Kind wird dir schon zeigen, wieviel Körperkontakt es für nötig hält und das entsprechend einfordern. Ich stehe auch nicht so auf Körperkontakt. Mein armer Mann kann ein Lied davon singen. Wenn ich nie wieder jemanden anfassen müsste, hätte ich damit auch kein gesteigertes Problem. Atme mich nur an, wenn du mit dem Echo leben kannst Mein Kind hat die ersten Monate auf mir gewohnt. Im Krankenhaus schon unterm Tshirt. Zuhause dann auf dem Arm oder auf der Brust. Zeitweise ließ er sich nur durch Haut auf Haut beruhigen. Unterwegs war ihm wach dann auch die Trage lieber. Es gab Phasen, da habe ich mit Kind in Trage auf dem Rücken gekocht, weil er den Körperkontakt brauchte. Er wird jetzt bald 3 und sein Nähebedürfnis sinkt nur langsam. Das erste Jahr ging Einschlafen nur mit Stillen oder auf Mamas Bauch. Wenn er krank ist, dann möchte er da jetzt bitte noch hin. Bis vor ein paar Wochen ging einschlafen nur im Arm. Mein Kind ist ein Kaugummi. Ja, wenn das Kind schreit, geht man in der Regel erstmal seine Checkliste durch - Hunger, Durst, Windel, Schmerzen, müde (je nach Situation in unterschiedlicher Reihenfolge). Wenn da alles tutti ist, ist der nächste Versuch in der Regel "Nähe". Da kann "Hand auf Rücken" reichen, du wirst aber relativ schnell merken, ob es das tut. Wenn du Hunger, Durst, Schmerzen, Windel, Müdigkeit ausschließen kannst und "Öhrchenkraulen", Abdunkeln und Musik nicht reicht, wirst du relativ schnell herausfinden, wie sich dein Kind beruhigen lässt. Einfaches "auf den Arm nehmen" hilft oft, um die Zeit zu überbrücken, bis man herausgefunden hat, welches Bedürfnis das Kind nun gerade erfüllt braucht. Gerade in öffentlichen Situationen ist es oft der einfachste erste Schritt, da es viele Kinder erstmal (wenn auch vielleicht nur kurz) sofort beruhigt. Alleine um zu checken, ob das Kind vielleicht eine frische Windel braucht, nimmst du es ja schon hoch. Wenn es vor Hunger schreit, wird es das auf dem Arm häufig weniger tun, während z.B. das Fläschchen zubereitet wird, zum Stillen nimmt man es dann eh hoch. Viele "Kontrollgriffe" sind automatisch mit Körperkontakt verbunden (z.B. der kurze Griff in den Nacken, ob das Kind zu warm/kalt ist). Bedenke auch, dass "Sichtweite" bei Neugeborenen... extrem kurz ist. Wir sprechen da in den ersten Wochen von Entfernungen im Bereich von 20/30 cm. Auch was du als "Entspannungsmusik" empfindest, muss dein Kind bei weitem nicht so wahrnehmen (white noise ist da wesentlich besser geeignet - die meisten Kinder beruhigen sich bei "Föhn" besser als bei Mozart). "Hören" und "Sehen" sind bei Säuglingen oft nicht ausreichend, "Fühlen", "Riechen" und "Schmecken" sind da in den ersten Lebenswochen (und -monaten) viel wichtiger (und kindgerechter). Das Kind spürt und schmeckt dich die ganze Schwangerschaft über. Da geht es um "Nähe" - das ist mehr als im gleichen Raum sein und Musik anmachen. Es gibt tatsächlich Kinder, die ebenfalls wenig Körperkontakt brauchen. Meine Mutter ist glaub ich bis heute entäuscht, dass ich kein Kuschel-/Tragebaby war. Ich war in meiner Babywippe oder im Kinderwagen sehr zufrieden. Andere Kinder brauchen das und fordern das ein. Natürlich kann man das ignorieren, am Ende geben die Kinder dann auch auf und beruhigen sich. Das kann aber eigentlich für niemanden das Ziel sein, dann kann man sich das Kinderkriegen besser sparen. Es gibt neben den objektiv zu erfüllenden Grundbedürfnissen (sauber, satt, trocken) eben noch weitere Grundbedürfnisse und da gehört bei den meisten Kindern körperliche (und emotionale) Nähe durchaus dazu. [Wenn man es ganz auf die Spitze treiben will, wirft man sonst einmal einen Blick auf die "Kinderheime" im Osten (Rumänien/Russland/China) - überleben tun Kinder auch durch die reine Deckung ihrer primitivsten Befürfnisse, mehr ist das aber in schlecht geführten Heimen nicht gewesen] Am Ende muss man schauen, wie es sich entwickelt. Im Nachhinein habe ich die Kuschelzeit (überraschenderweise) sehr genossen. Hätte das Kind das nicht so ganz deutlich gefordert, hätte ich das vermutlich nicht in dem Maße angefangen, aber ich habe inwzischen durchaus Sorge, dass #2 nach mir kommt und das vielleicht so nicht möchte/braucht. Ich glaube gar nicht, dass es da so eine Faustformel gibt a la "Das Kind braucht jeden Tag x Minuten Körperkontakt, aufgeteilt auf y Kontakte a Zeitdauer z". Ich glaube eher, dass das ein "soviel wie möglich" ist und zu "möglich" gehört eben auch, wieviel man geben kann, nicht nur zwingend wieviel gefordert wird. Wenn deine Batterien leer sind, sind sie leer. Dann musst du sie aufladen. Wenn das nicht geht, während das Kind auf dir klebt, dann geht es eben nicht. Dann musst du einen Schritt (oder zwei oder drei) zurücktreten. In dem Zeitraum erfüllst du dann eben die Grundbedürfnisse oder gibst auch das ab (Partner, Großeltern, Babysitter). Es bringt nichts, wenn du dich voll verausgabst. Zu "Bedürfnisorientierung" gehören eben immer die Bedürfnisse aller Seiten, nicht nur die des Kindes. Eltern können da nur in soweit erfüllen, wie ihre Bedürfnisse erfüllt sind. Wenn da Bedürnisse diametral entgegengesetzt laufen, muss man eben schauen, wie man das hinbekommt. Und vielleicht ist es am Ende auch gar nicht so "schlimm", wie du dir das jetzt vorstellst. Die eigenen Instinkte können einen da durchaus überraschen. Und selbst wenn sie das nicht tun, ist das auch in Ordnung.