Sehr geehrte Frau Höfel,
ich würde gerne wie bei den vorangegangenen Schwangerschaften ambulant (in Minden) entbinden, leider wurde jetzt (28.SSW) B-Streptokokken im Abstrich gefunden, ich bekomme Amoxicillin.
Unter welchen Vorraussetzungen kann ich in Minden trotzdem wieder ambulant entbinden? Oder muß das Kind auf jeden Fall bleiben?
Stimmt es, das ich nach wenigen Tagen entlassen würde, auch wenn das Kind noch bleiben müßte?
Ich hoffe, Sie können mir da ein wenig weiterhelfen.
Vielen Dank
Nr. 3
Mitglied inaktiv - 18.07.2008, 12:07
Antwort auf:
B-Streptokokken - ambulante Entbindung möglich?
Liebe Nr.3,
ich bin ein Fan der ambulanten Geburt - allerdings nur, wenn die Mutter streptokokken-frei ist! Und zwar aus folgendem Grund:
Streptokokken finden sich auf der Haut, im Darm und - bei fünf bis 20 Prozent der Frauen - auch in der Scheide. Bei intaktem Immunsystem reicht die Abwehrkraft des Körpers aus, um die Erreger erfolgreich zu bekämpfen. Diese Bakterien gelten zwar nicht als "typische" Erreger einer Geschlechtskrankheit, sie können aber beim Sexualkontakt weitergegeben werden.
Bei sexuell aktiven Frauen sind in der Scheide häufig Keime festzustellen, die im Normalfall dort nicht anzutreffen sein sollten. Dazu zählt neben den Streptokokken etwa der typische Darmkeim Escherichia coli, aber auch zahlreiche andere Erreger, die ansonsten vor allem im Darm und auf der Haut zu finden sind. So lange der Selbstreinigungs-Mechanismus der Scheide funktioniert und die Vaginalflora intakt ist, müssen aufgrund dieser Keime keine Probleme entstehen.
Liegen jedoch Störungen des Scheidenmilieus vor, können sich auch Streptokokken ausbreiten und vermehren. Sie verursachen typische Beschwerden wie etwa verstärkten gelblichen Ausfluss und möglicherweise Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Je nach Beteiligung anderer Erreger kann dieser Ausfluss sehr übel riechen. Im Mikroskop findet sich in solchen Fällen oftmals eine Mischflora aus verschiedenen Keimen, die sich gegenseitig in ihrem Wachstum begünstigen können.
-Östrogenmangel
-falsche Intimhygiene, die zur Zerstörung der Scheidenbiologie führt
-Allgemeinerkrankungen wie z. B. Diabetes
-Fremdkörper in der Scheide (z. B. bei Kindern: Nüsse, Murmeln, Legosteine etc.) sind Ursachen.
-Erhaltung des natürlichen, sauren Scheidenmilieus
-Vermeiden von Scheidenspülungen, Intimsprays oder Intimpflegemittel
-Tägliche Reinigung des Scheidenbereichs mit klarem Wasser
-Regelmäßiges Wechseln von Unterwäsche und Handtüchern beugen vor.
In der Scheide nachgewiesene Streptokokken müssen nur bei ausgeprägten Symptomen mit Antibiotika behandelt werden. In vielen Fällen hilft es, die körpereigene Abwehr zu stärken und den Selbstreinigungs-Mechanismus der Scheide anzuregen. Auch können lokal desinfizierende Maßnahmen unterstützend wirken.
Streptokokken sind an zahlreichen Infektionen beteiligt. Schon im Altertum wurden mit diesen Bakterien in Verbindung stehende Infektionserkrankungen - z. B. Wundrose, Kindbettfieber und Phlegmone - beobachtet. 1903 wurde damit begonnen, die perlschnurartig aufgereihten Erreger nach ihrem Verhalten auf Kulturplatten zu unterteilen. Je nach Untergruppe zeigen Streptokokken ein unterschiedliches Wachstum auf den Nährmedien. Sie besitzen die Fähigkeit, Blut unterschiedlich zu zersetzen, weshalb ihre Unterteilung zunächst auch nach ihrem Hämolyse-Verhalten erfolgte: Alpha-, Beta- und Gamma-Hämolyse. Unter Hämolyse versteht man die Auflösung roter Blutkörperchen infolge der Zerstörung ihrer Zellmembran.
Weitere wichtige und klinisch relevante Unterteilungen gelangen der Ärztin Rebecca C. Lancefield 1928, indem sie die Wandstrukturen der Bakterien näher untersuchte. Auf Basis von Lancefields Erkenntnissen werden Streptokokken seitdem in die Gruppen A, B, C, D etc. eingeteilt.
Folgende Stämme sind für den Vaginalbereich relevant:
1. ) Betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pygenes)
Folgende Infektionen werden von diesem Erreger verursacht:
Rachen- und Mandelentzündungen, Scharlach
Erysipel (Rotlauf)
Phlegmone
Lokale Infektionen können bei schlechten Bedingungen zu einer Sepsis führen
Eine Puerperalsepsis (Kindbettfieber) geht von einer Infektion der Gebärmutterschleimhaut nach einer Entbindung aus. Deshalb empfiehlt sich bei Fieber während oder nach der Geburt und entsprechenden Auffälligkeiten eine großzügige Antibiotika-Prophylaxe.
Als Spätfolge einer Streptokokken-Infektion der Gruppe A kann - vor allem bei unzureichend oder nicht behandelten Infektionen des Rachenraumes - das "Rheumatische Fieber" mit einer Herz- und Nierenbeteiligung auftreten.
Kindbettfieber(Puerperalsepsis):
Bei nicht rechtzeitig behandelter Gebärmutterinfektion können sich die Erreger bei ungünstigen Bedingungen über die Blutbahn im gesamten Körper ausbreiten. Beim Versuch, die Infektion in den Griff zu bekommen, setzt der Organismus Abwehrmechanismen in Gang, die unter anderem mit einer Gerinnungsaktivierung einhergehen. Dadurch kommt es im weiteren Verlauf zu einem Verbrauch der Gerinnungsfaktoren, wodurch die Blutgerinnung nicht mehr möglich ist. Die Folge sind Einblutungen, Organversagen, Schock mit Kreislaufversagen und Tod. Diese geburtshilfliche Komplikation ist mittlerweile sehr selten geworden.
2.) Betahämolysierende Streptokokken der Gruppe B (Streptococcus agalacticae)
Von Bedeutung ist diese Gruppe bei folgenden Erkrankungen:
Wundinfektionen
Sepsis
Hirnhautentzündungen
Harnwegsinfektionen
Neugeborenensepsis
Besonders gefürchtet ist die Neugeborenensepsis. Man unterscheidet dabei eine rasche, unmittelbar nach der Geburt auftretende Form (early onset) und eine etwas später auftretende Form (late onset). Die early-onset-Form wird vor allem im Fall des vorzeitigen Blasensprungs bei nachgewiesener Scheidenbesiedelung durch Streptokokken begünstigt. Das Neugeborene zeigt eine lebensbedrohliche Allgemeininfektion, die durch Schock, Hirnhautentzündung und Atemnotsyndrom gekennzeichnet ist. Nur eine früh einsetzende, konsequente Therapie kann die Sterblichkeit senken, die mit 20 bis 50 % angegeben wird. Bei der late-onset-Form spielt auch die Umgebung des Neugeborenen als Infektionsquelle ein Rolle.
Nicht in jedem Fall wird eine vorgeburtliche Therapie bei Nachweis von B-Streptokokken als sinnvoll erachtet. Nur wenn zusätzliche Risiken, wie vorzeitige Wehen hinzukommen, ist eine Behandlung mit Antibiotika in der SS anzuraten.
Die Keime haben die Angewohnheit die Fruchtblase anzudauen und unter Umständen häßlichste Infektionen beim Kind zu machen.
Bei Nachweis von Streptokokken der Gruppe B wird eine vorbeugende Antibiotikagabe während der Geburt empfohlen, damit die Keimbelastung für das Kind niedrig gehalten wird.
Ein Kind einer Mutter mit Strepptokokken wird bei uns nicht verlegt, sondern nur gut überwacht. Dazu gehören Abstriche (Rachen, Ohren und Leiste) sowie Temperaturkontrollen.
Bei einer unbehandelten Infektion sollten Sie auf eine ambulante Geburt verzichten und in der Klinik bleiben, da die Symptome einer Infektion rasant schnell auftreten und für das Kind nicht ungefährlich sind. Die Kinderkrankenschwestern/Hebammen werden ein Auge drauf haben!
Lassen Sie kurz vorher nochmal einen Abstrich machen. Vielleicht sind gar keine Streptokokken vorhanden!
Liebe Grüße
Martina Höfel
PS: von daher fällt natürlich auch die Wanne aus!
von
Martina Höfel
am 18.07.2008
Antwort auf:
B-Streptokokken - ambulante Entbindung möglich?
Dürfte ich im Wasser entbinden (ich vermute mal eher nein ;-) ) oder wenn nicht, zur Entspannung in die Wanne? Ich weiß, das ist wahrlich nicht das wichtigste, aber da ich es bei den anderen im Wasser immer sehr angenehm fand, hoffe ich schon drauf...
Vielen Dank für ihre geduldige und so oft aufmunternde Arbeit hier im Forum!
Nr 3
Mitglied inaktiv - 18.07.2008, 13:52