Karate, Flöte, Englischkurs - bitte nicht überfordern

Karate, Flöte, Englischkurs - bitte nicht überfordern

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Montag geht Leo ins Karate und anschließend zur Flötenstunde. Dienstag und Donnerstag ist er im Fußballtraining. Mittwochnachmittag muss er zur Logopädie, Freitag in den Englischkurs.

Zeit mit seinen Freuden zu spielen hat der 6jährige so gut wie gar keine mehr. Immer häufiger kommt es vor, dass schon Kindergartenkinder und Grundschüler regelrechten Terminstress haben. Deshalb meine Bitte: überfördern Sie Ihr Kind nicht!

Der Grat zwischen Förderung und Überforderung ist schmal ...

Noch nie gab es so viele Möglichkeiten, ein Kind in seinen Interessen und Begabungen zu fördern. Sportvereine, Musikschulen und kreativ-gestalterische Angebote konkurrieren mit naturwissenschaftlichen oder sprachlichen Frühförderprogrammen. Seit Entwicklungspsychologen festgestellt haben, dass Kinder sich im Vorschulalter besonders leicht tun, Fremdsprachen oder komplexe körperliche Fertigkeiten zu erlernen, treibt der Ehrgeiz mancher Eltern bunte Blüten. Aber spätestens wenn Dreijährige öfter zum Geigenunterricht als auf den Spielplatz gehen oder sich mit "Chinesisch für Kleinkinder" abplagen, ist es wirklich zu viel des Guten.

Wie äußert sich Überforderung?

Ein Kind, das überfordert ist, reagiert mit Stresssignalen. So eine Reizüberflutung kann man manchmal schon bei Säuglingen beobachten, wenn sich Eltern zu sehr bemühen, ihr Baby ständig zu unterhalten. Weinen bedeutet manchmal eben einfach nur "ich will jetzt meine Ruhe!". Bei größeren Kindern äußert sich Stress mit verschiedensten Symptomen: Kopf-, Bauch- oder Ohrenschmerzen, Schlafstörungen und Verhaltensauffälligkeiten können auch Zeichen von Überforderung sein. Dann hilft es am besten, mal einen Gang zurückzuschalten und wieder ein bisschen Ruhe in den Alltag zu bringen.

Zeit zum Kindsein lassen

Natürlich wollen Mütter und Väter nur das Beste für ihr Kind. Sie reagieren damit auf den wachsenden Druck, in der Schule, im sozialen Umfeld und später im Beruf erfolgreich zu sein. Eltern wollen ihr Kind so gut es geht aufs Leben vorbereiten. Und vergessen dabei das Wichtigste: die Kindheit ist zum Kindsein da!

Bei aller Förderung sollte immer genug Zeit bleiben, sich nachmittags mit Freunden zu verabreden. Lassen Sie sich von anderen Eltern bitte kein schlechtes Gewissen einreden, wenn Ihr Kind an keinem Förderprogramm teilnimmt, sondern lieber draußen herumtobt. Ball spielen, Höhlen bauen und was Kinder sonst noch so alles treiben, wenn sie sich von Erwachsenen unbeobachtet fühlen, sind die optimale Förderung! Rollenspiele wie "Vater-Mutter-Kind" oder auch die natürliche Konkurrenz in einer Gruppe Gleichaltriger fördern die soziale Kompetenz. Radfahren, Fußballspielen, auf Bäume klettern oder Seilspringen sind gut für die Entwicklung des Bewegungsapparates, des Gleichgewichtssinns und der Geschicklichkeit. Frische Luft stärkt das Immunsystem.

Ein Hoch auf die Langweile!

Kinder brauchen nicht nur "Input", sondern auch Pausen. Nur wenn der Geist zur Ruhe kommt, können gelernte Inhalte - egal welcher Art - verarbeitet werden. Anders gesagt: das Gehirn benötigt Ruhephasen, um Gelerntes richtig einzuordnen und im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Darüber hinaus müssen Kinder sich auch mal so richtig ausgiebig langweilen, um eigene Ideen und Kreativität zu entwickeln. Eltern sollten nicht immer gleich mit dem nächsten Unterhaltungsprogramm zur Stelle sein, sondern erst mal abwarten und höchstens eine kleine Hilfestellungen geben. So lernt ein Kind, sich selbst zu beschäftigen. Gameboy und PC sind dabei eher hinderlich und sollten nur zu festgesetzten Zeiten zum Einsatz kommen.

Wie viel Förderung ist sinnvoll?

Die Frage, wie viel Förderung ein Kind braucht, kann man nicht pauschal beantworten. Das ist bei jedem Kind anders. Die einen brauchen viel Zeit zum Träumen, Faulenzen und Nichtstun. Die anderen fordern ständig Action und Aufmerksamkeit. Die Grenze zwischen Förderung und Überforderung zu erkennen, ist für Eltern da oft ganz schön schwer. Vertrauen Sie auf Ihr Gefühl und fragen Sie sich ehrlich: will mein Kind das wirklich? Am besten machen Sie erst mal eine Probestunde aus und fragen Ihr Kind, wie es ihm gefallen hat. Und scheuen Sie sich nicht, auch mal eine Stunde abzusagen, wenn es gerade mal zu viel wird. Grundsätzlich sollte ein Kurs natürlich den individuellen Vorlieben, Begabungen und Möglichkeiten Ihres Nachwuchses entsprechen. Es macht wenig Sinn, völlig unmusikalische Kinder zum Klavierunterricht zu zwingen oder unsportliche zum Kunstturnen.

Welche Förderung ist nötig?

Falls Ihr Kinderarzt ein echtes Entwicklungsdefizit bei Ihrem Kind festgestellt hat, sollten Sie die Fördermöglichkeiten selbstverständlich wahrnehmen: Logopädie beispielsweise, falls eine Sprachentwicklungsverzögerung vorliegt oder Physiotherapie bei motorischen Störungen. Es gibt heute vielfältige Ansätze, die Kindern bei Rückständen gegenüber Altersgenossen sehr gut helfen können! Ein bisschen Zeit für sich und für Freunde sollte dabei trotzdem bleiben.

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