Frage: Ess-Verhalten - was mache ich falsch?

Hallo liebe Frau Neumann, vllt können Sie mir ja wertvolle Verbesserungsvorschläge geben: Meine Tochter (20 Monate) ist sehr auf Essen fixiert und scheint immer hungrig zu sein. Das war schon immer so. Erst schien sie nie zufrieden nach der Pre-Flasche, dann waren die Breiportionen nie ausreichend und auch heute hat sie ein dauerhaftes Verlangen nach Essen. Sie ist ca. 80 cm groß und kratzt an der 12 kg-Marke. Das ist wohl so gerade noch in der Norm, aber die meisten Kinder ihres Alters sind deutlich schlanker. Da früh klar war, dass Essen bei meiner Tochter eine große Rolle spielt, hab ich mich von Anfang an daran gehalten, dass es vier Hauptmahlzeiten gibt, bei denen sie sich mit wirklich großzügigen Portionen satt essen kann - aber dafür Zwischensnacks im Wesentlichen wegfallen. Es gab also nie wirklich Kekse, Kringel, Quetschies und Co. Ich backe fast alles selber für die Kleine ohne Zucker, so dass ich auch beim Nachmittagssnack so gut wie nie auf Fertigprodukte zurückgreifen muss. Ich mache ihr auch selber Eis aus Joghurt und Fruchtmark. Es gibt zu den Hauptmahlzeiten keine Weißmehlorodukte, sie trinkt nur Wasser und selbst bei Bananen, Traube und Co achte ich auf die Menge. Sie mag das alles auch sehr gerne, aber sie hat wohl anscheinend nie genug. Es macht mich schon sehr traurig, dass so scheinbar "normale" Situationen wie mal ein Brötchen oder Keks in die Hand drücken oder die Wurstscheibe beim Metzger für uns immer wegfallen oder in mir ein schlechtes Gewissen auslösen. Ich möchte auch nicht, dass die Kleine immer verzichten soll. Aber sie kennt einfach kein Maß. Sie würde auch drei oder vier Mal Nachschlag nehmen und verliert auch vollgegessen nie das Intetesse am Essen, wenn sie jemanden essen sieht. Nahezu jedes Kind, das man trifft, hat eine Snackbox, einen Quetschie oder ähnliches in der Hand. Sobald sie das auf Spielplätzen oder Spielgruppen sieht, ist an Spielen nicht mehr zu denken. Natürlich bekommt sie auch mal ein paar Pommes oder darf am Kuchen probieren, wenn es mal besondere Situationen gibt. Wir möchten sie auch nicht ausschließen. Aber ich mache mir wirklich Sorgen. Was wäre, wenn ich nicht etwas auf die Mengen und die Ernährung achten würde? Die meisten Eltern kennen diese Situation nicht. Sie gestehen ihren Kindern viel mehr zu, weil die oft froh sind, dass überhaupt was gegessen wird. Mache ich etwas falsch? Haben Sie einen Tipp für mich?

von Iris_ am 29.01.2020, 12:52



Antwort auf: Ess-Verhalten - was mache ich falsch?

Hallo Iris_ du bemühst dich sehr, deiner Tochter eine den Ernährungsempfehlungen entsprechende Ernährung zu bieten und klammerst dich sehr daran. Aufrgund deiner Schilderung habe ich den Eindruck gewonnen, dass du dich zu sehr an die von extern an dich herangetragenen Empfehlungen und Vorgaben hältst, weil diese eine für dich höhere Relevanz zu haben scheinen als die echten Bedürfnisse deiner Tochter. Könnte das sein? Deine Tochter, so schreibst du, scheine immer hungrig zu sein. Die Portionen (von extern vorgegeben) seien ihr nie ausreichend. Die Portionen zu vergrößern oder Zwischenmahlzeiten, Snacks eizubauen traust du dich irgendwie nicht, weil du ein bisschen Angst hast und gleichzeitig ein schlechtes Gewissen. Du machst dir Sorgen und wünschst dir mehr Freiheit und Veränderung. Könnte man das in etwa so zusammenfassen? Im Rahmen meiner Arbeit hier im Forum Kochen für Kinder kann ich dir leider nur sehr allgemeine Tipps zur Ernährungserziehung für gesunde Kinder geben. Die erste Frage an dich ist: hast du mit dem KiA bereits darüber gesprochen? Wie schätzt er eure Situation ein? Eine Rücksprache mit ihm könnte dir vielleicht helfen, die Größen-und Gewichtsentwicklung deiner Tochter neu zu bewerten. Besteht also wirklich Handlungsbedarf, weil hier etwas (iorganisch z.b) nicht stimmt? Wenn dir der KiA grünes Licht gibt und dir versichert, dass deine Tochter völlig gesund und normal entwickelt ist und du deine Tochter weiterhin nach den gewöhnlichen Empfehlungen ernähren "darfst" und "sollst", dann kannst du dich wirklich entspannt zurücklehnen und die zukünftige Zeit mit deiner Tochter zusammen freudig angehen. Mit Spaß und Neugier statt mit Angst und Zweifeln und nicht nach exakten Vorgaben, die dir Portionsgrößen vorgeben. Bist du bereit? Kinder wissen ganz genau, wann sie satt sind. Bis zum Alter von 3 Jahren essen Kleinkinder normalerweise immer nur so viel, wie sie brauchen. Das Hunger-Sättigungs-Programm ist bei ihnen normalerweise* sehr gut ausgeprägt. Gleichzeitig kann der Appetit kann von einem Tag stark schwanken und einmal groß und einmal klein sein. Als Eltern sollte man dies respektieren. *Wenn du hier wirklich unsicher bist, ob das wirklich bei euch zutrifft dann sprich mit deinem KiA konkret darüber* Mein Vorschlag (es ist nur ein Vorschlag, bitte prüfe ob du das willst) ist, dass du deiner Tochter einfach mal die Möglichkeit gibst so viel zu essen, bis sie nicht mehr möchte. Und versuche gleichzeitig den Fokus von "allzu sehr gesund" auf "auch ein bisschen gewöhnlich" zu lenken. Es ist super dass du alles selbst macht und deiner Tochter ermöglichst, echtes und ehrliches Essen schätzen und mögen zu lernen. Du darfst aber auch und du solltest deiner Tochter auch ein normales Leben in der sozialen Gemeinschaft ermöglichen und sie nicht von anderen sozial akzeptierten LM künstlich fernhalten. Verbote oder allzu strikte Essregeln sind nicht sinnvoll. Ermögliche und erlaube deiner Tochtef vielfältige Geschmackserfahrungen wie bspw die Scheibe Wurst an der Theke oder die Snacks der anderen Kinder auf dem Spielplatz. Deine Tochter scheint sehr neugierig und wissbegierig zu sein. Sie möchte auf dem Spielplatz offensichtlich neben Schaukel, Rutschbahn und Karussell auch gustatorische Erfahrungen machen und die Snacks der anderen Kinder probieren. SIe will und muss die Welt durch Geschmack erleben. Mein Vorschlag (und wieder prüfe ob es dir gefällt): packe eure eigene Snackbox für unterwegs mit Allerlei: Obstmix, Kekse und Co. Kinder lernen vielschichtig und ganzheitlich. Ein solches Esspsiel könnt ihr auch zu Hause veranstalten. Macht doch ein richtiges Essfest. Gestalte einen Abenteuerspielplatz am Küchentisch. Befülle ein Muffinblech mit verschiedenen Speisen, so dass deine Tochter ein sog. "Ess-Spiel" veranstalten kann. Die Zunge, der Mundraum sind mit ganz vielen Tastrezeptoren ausgestattet. Deine Tochter wird ihr wahre Freude daran haben, die verschiedenen Geschmackseindrücke, die Konsistenzen zu erspüren. Auf diese Weise könntest du vielleicht deine Furcht verlieren und deine Tochter zunächst einfach wieder angstfrei handelnd essen zu sehen. Hier kannst du ein Potpurri bieten aus verschiedensten Lebensmitteln und Speisen - eine Olive, ein Stück Zitrone, ein Stück Schokolade, saure Gurke, .... Der Sinn ist auch, dass deine Tochter ihren Wissensdurst stillen kann und ihren Erlebnishunger befriedigen kann. Es geht dabei vorrangig gar nicht um den sättigenden Aspekt, sondern um das Erlebnis der verschiedenen sensorischen Eindrücke. Und weißt du, Portionsgrößen sagen übrigens auch nicht immer etwas über den Kaloriengehalt der Speise aus. Essmengen werden häufig subjektiv beurteilt. Was auf dem Teller als "viel", d.h. als große Portion erscheint, kann aufgrund eines niedrigen Nährwertes (=wenig Kalorien) wenig sättigen. Und umgekehrt, kann eine kleine Menge Essen (= kleine Portion) mit hohem Energiewert (=viel Kalorien) schnell und lange sättigen. Fazit: verschiedene LM sättigen unterschiedlich. Fett hat eine hohe Kaloriendichte, d.h. eine Mahlzeit kann zwar klein erscheinen aber trotzdem gut sättigen. Ein kleines Stück Pizza (mit Öl, Salami und Käse) ist länger sättigend als ein dünn mit Butter bestrichenes und mit Putenwurst belegtes Brotscheibchen. Auch wenn beide Mahlzeiten optisch gleich groß erscheinen. Und mit Zucker ist das ganz ähnlich: je süßer, desto mehr Kalorien, desto weniger braucht man um satt zu werden. hier gebe ich dir noch einen Überblick über Essmengen, wie sie für viele 1-jährige Kinder in Etwa passen: täglich etwa 80g Getreide/Brot bzw Nudeln, Reis u. a. Getreidebeilagen 120g Kartoffeln 120g Gemüse 120g Obst 300ml Milch, Milchprodukte 30g Fleisch/Wurst 1-2 Eier pro Woche 25g Fisch pro Woche 15g zusätzliches Streichfett/Öl geduldet sind ca 10% Süßigkeiten am Gesamtanteil der zugeführten Energiemenge* (*tägl Energiemenge ca 850 kcal) - - 100 ml Milch entsprechen ca 15 g Schnittkäse/30 g Weichkäse - je 100 kcal = 1 Kugel Eiscreme / 45 g Obstkuchen /4 Butterkekse /4 EL Flakes /4 TL Zucker /2 EL Marmelade / 30 g Fruchtgummi oder 20 g Schokolade/ 10 Stck. Chips / 1 Glas (200 ml) Limonade, Fruchsaftgetränk Es ist gut, wenn du dich an den üblichen Empfehlungen orientierst, aber es ist nicht notwendig, Mengen bei gesunden Kindern täglich zu kontrollieren. Die Mengenangaben können auf eine Woche hochgerechnet werden. Denn häufig ist es so, dass auf scheinbare Fastentage, Tage an denen ein Kind nur lustlos im Essen stochert, sog. Freßtage folgen, also Tage an denen ein Kind schier unersättlich scheint - und umgekehrt. Im Mittelmaß bleiben die Mengen in etwa gleich. Auch Wachstumsschübe gehen mit größerem Appetit und entsprechend größeren Essmengen über einen bestimmten Zeitraum einher. Jetzt schau dir einmal euren Plan an. Stellst du größere Abweichungen fest? Manche Kinder haben einfach einen größeren Appetit und Hunger. Oder fällt dir auf, dass bspw eine Lebensmittelgruppe zu übermäßig oder eine Gruppe bspw zu gering verzehrt wird? Ist genügend Fleisch, Öl, Milch dabei?* Der Bedarf ist von mehreren Faktoren abhängig, auch genetisch bedingt und kann nicht pauschal errechnet werden. Kennst du den Ernährungskreis oder die Ernährungspyramide? Sieh dir diese einmal an. Du hast als Mutter bei deinem gesunden Kind nur die Aufgabe ausreichend (gesundes) Essen regelmäßig zur Verfügung zu stellen. Dein iInd darf bestimmen wie viel es jeweils davon isst. Hift dir das weiter? Alles andere müsstest du mit dem KiA besprechen. Hier im Forum ist das immer nur sehr verallgemeinernd möglich. Alsoo dann ich wünsch euch was Viel Spaß Grüße Birgit Neumann

von Birgit Neumann am 30.01.2020