Schädelprellung - Verunsicherung nach lesen Ihres Artikels

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Frage an Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Kinderarzt und Neonatologe

Frage: Schädelprellung - Verunsicherung nach lesen Ihres Artikels

Lieber Prof. Dr. Jorch, gestern habe ich durch Zufall einen (zwar älteren) Artikel von Ihnen über Stürze bei Babys gelesen, in dem steht, dass man mit jeder Schädelprellung zum Arzt sollte. Mein 1,5 jähriger Sohn ist leider vor einigen Wochen mit Schwung von unserem Boxspringbett (Höhe ca. 65 cm) gerollt und ist zuerst mit der Stirn gegen einen Rattanstuhl, der neben dem Nachtschrank steht und dann auf den Parkettboden gefallen. Er schrie sofort los, aber nur etwa 1 Minute. An der Stirn hatte er vom Stuhl eine rote leicht schürfige Wunde. Eine Beule am Kopf konnte ich nicht feststellen. Er verhielt sich in den folgenden 48 Std. wie immer, die Pupillen reagierten und er musste sich auch nicht übergeben. Von daher habe ich auch keinen Arzt aufgesucht. Nun mache ich mir nach dem Lesen Ihres Artikels doch einige Sorgen und Vorwürfe. Hätte ich eine ernsthafte Verletzung wie einen Schädelbruch tatsächlich übersehen können? Meinen Sie, ich sollte ihn auch im Nachhinein untersuchen lassen? (Er ist zwar mein erstes Kind, aber ich gehöre nicht zu den überängstlichen Müttern, die ständig bei Ärzten auf der Matte steht.) Herzlichen Dank und beste Grüße!

von excellence2 am 30.10.2019, 19:46



Antwort auf: Schädelprellung - Verunsicherung nach lesen Ihres Artikels

Es gibt ein paar Hinweise, die eine einfache Schädelprellung (ohne Hirnverletzung) ziemlich zuverlässig von einem Schädel-Hirn-Trauma unterscheiden. Dazu gehören 1. Nach Abklingen der Schreiphase unverändertes Verhalten 2. Sofern das Kind nach dem Stress einschläft, gute Weckbarkeit 3. Kein wiederholtes Erbrechen 4. Harmloser Ablauf des Sturzes Hinweise auf einen harmlosen Sturz sind: 1. Sturz auf die Stirn 2. Sturzhöhe < 1 m 3. Sturz auf glatten Untergrund ohne Kanten und Ecken 3. Äußere Verletzung begrenzt auf Beule In Ihrem Falle war es wahrscheinlich gerechtfertigt, zunächst abzuwarten und nicht sofort zum Arzt zugehen. Auch im Nachhinein ist eine Untersuchung wahrscheinlich nicht notwendig. Der Rat zum Arztbesuch hat meistens den Hintergrund, sicher zu stellen, dass die geschilderten Befunde korrekt erhoben werden. Wenn Sie möchten, können sie mir die entsprechenden Textpassagen meines älteren Artikels zusenden. Dann kann ich gezielt dazu Stellung nehmen. Zur Beruhigung: Ich habe mit meinen 9 Kindern sicher 10 solcher und schwerwiegenderer Stürze erlebt und bin nicht zum Arzt gegangen. Ist aber schwierig zu vergleichen, weil ich ja selbst einer bin.

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 31.10.2019



Antwort auf: Schädelprellung - Verunsicherung nach lesen Ihres Artikels

Es gibt noch einen Grund zum Arzt zugehen: In den letzten Jahren hat man (um Kindesmißhandlungen früher zu entdecken) vielerorts sogenannte Kinderschutzgruppen eingeführt. Es kann Ihnen also heute passieren, dass man sie vom Kindergarten aus oder von anderswo dort meldet und Sie sich verteidigen müssen, warum sie nichts unternommen haben.

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 31.10.2019



Antwort auf: Schädelprellung - Verunsicherung nach lesen Ihres Artikels

Ganz herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Jetzt bin ich wieder beruhigt. Fremdbetreut wird unser Sohn erst mit etwa 3 Jahren, ich habe 3 Jahre Elternzeit. Von daher konnte ich ihn wirklich die vollen 48 Std. beobachten. LG

von excellence2 am 31.10.2019, 09:09