Frage: Wieviel Emotionen darf man vor seinem Kind zeigen?

Hallo Hr. Dr. Posth, danke für Ihre letzten Antworten. Nun noch ein paar generelle, theoretische Fragen: Wieviel Emotionen darf man vor seinem Kind zeigen, wenn man z.B. traurig / wütend ist? Ich kann mir vorstellen, dass zu heftige solche das Kind verschrecken würden, wenn man es aber zu sehr unterdrückt, das Kind merkt, dass etwas nicht stimmt und nicht selbst lernt, damit umzugehen. Wie sieht es mit Streit mit dem Partner aus? Komplett verstecken oder in Maßen streiten und Wege aus dem Streit heraus vorleben? Ist es für ein Kind verwirrend / autoritätsuntergrabend wenn die Eltern in Erziehungsdingen nicht einer Meinung sind bzw. sich ( vor dem Kind) gar widersprechen - sei es, weil sie dazu unterschiedliche Haltungen haben, sei es, weil einer die Vorbedingungen nicht kennt (ein vorausgegangenes Versprechen)? Ist dem kl. Kind Entscheidungen zu überlassen gut oder schlecht f.s. Entwicklung? Ich bin sehr gespannt, denn dazu gibt es völlig unterschiedliche Meinungen. Danke!

von Kunderella am 28.11.2011, 11:53



Antwort auf: Wieviel Emotionen darf man vor seinem Kind zeigen?

Hallo, ja dazu gibt es "tausend Meinungen" und diese Meinungen sind dann auch mehr weltanschaulich bestimmt, als fachlich überdacht. Zu viele Emotionen bei den Eltern zu erleben kann für ein Kind belastend sein. Erstens kennt es nicht das ganze Spektrum der Emotionen und zweitens kann es seine differenzierte Bedeutung schwer einschätzen. Dann gibt es überschneidende Emotionen und widersprüchliche (d.h. keine Klarheit zwischen Emotion und Verhalten oder Emotion und Gesichtsausdruck usw.). Insofern ist es wichtig für das Kind, dass der körperliche Ausdruck der Emotion, also der Affekt, in seiner Ursache und Wirkung einigermaßen klar erkenntlich ist. Wie offenkundig oder gemäßig man dabei als Eltern vorgeht, hängt natürlich auch von seiner eigenen Affektlage ab. Sich völlig verstellen ist auch nicht gut. Denn die Kinder empfinden wie Seismographen. Sie spüren die Erschütterung bald besser als man selbst. Streit unter Partnern ist unvermeidlich. Auch hier wäre Mäßigung ganz allgemein wünschenswert, was aber nicht immer zu verwirklichen ist. Da ist es dann besonders wichtig, wenn die Kinder auch die Versöhnung nach dem Streit miterleben dürfen, vielleicht nicht gerade als "Zeuge", aber doch als Nutznießer der wieder guten Stimmung. Streitkultur erleben und lernen die Kinder aber nicht nur durch das elterliche Vorbild, sondern auch durch die Streitereien mit den Geschwistern und Kameraden. Und da reicht es dann in den Bereich der Pädagogik. Was die Einigkeit in Erziehungsfragen unter Eltern angeht, profitiert das Kind auch von gewissen Unterschiedlichkeiten zwischen den Eltern. Die sollten sich aber nicht im Grundsatz widersprechen, sondern nur quasi Variationen auf einen gemeinsamen Erziehungsstil darstellen. Dann suchen sich die Kinder aus, mit welchem Problem sie zu welchem Elternteil gehen. Zu der Entscheidungsfrage bitte im gezielten Suchlauf die Antwort zu "Machtverhältnissen zwischen Eltern und Kindern lesen". Ich hoffe, Ihre Fragen sind erst einmal im Wesentlichen beanwortet. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 03.12.2011