Frage: Trost statt Ablenkung

Hallo Dr. Posth, ich habe im Forum Ihrer "Kollegen" hier bei "rund-ums-baby" einen Artikel von einer so genannten Brigitte Hannig bekommen, in dem es um "Trost statt Ablenkung" geht und haette sehr gerne Ihre Meinung dazu. Es geht also hauptsaechlich darum,dass ein Baby,statt es zu wiegen, herumzutragen,vorsingen etc, fest im Arm gehalten wird,um ihm so Trost zu spenden ohne ihn durch all diese Reize noch weiter zu irritieren. Er hat ein Recht, seine Gefuehle herauszulassen und Ablenkungen waeren eine Art Konfliktvermeidung.Ich bin dieser "Theorie" generell nicht abgeneigt, da ich leider in meiner Kindheit meine Gefuehle nicht frei leben und erleben durfte, doch da ich Ihre Texte/Ansichten fuer aeusserst kompetent und stimmig halte, wuerde mich sehr interessieren, welchen Standpunkt Sie vertreten. Mein Sohn ist uebrigens 16 W. alt und hat es noch nie geschafft von allein einzuschlafen. Entweder er stillt oder weint sich in den Schlaf (nie ohne meinen Koerperkontakt). Herzlichen Dank

Mitglied inaktiv - 15.12.2008, 19:05



Antwort auf: Trost statt Ablenkung

Stichwort: emotionale Entwicklung/Selbstkonzept Hallo, es gibt inzwischen zu viele Stimmen im Chor derer, die sich darum bemühen, den emotionalen Zuständen des Säuglings und Kleinkindes Gehör zu verschaffen. Allen gestehe ich zu, das Sie genau wie ich selbst bemüht sind, das Richtige zu sagen und zu empfehlen. Aber "das Richtige" ist zunächst einmal relativ, weil jeder von ihnen für sich beansprucht, das Richtige zu meinen. Aber in puncto Gesundheit und psychischem Wohlbefinden gibt es bei den Grundlagen nichts Relatives. Das wäre ja sehr gefährlich. Nehmen wir das Beispiel Impfen. Es gibt Menschen, die sagen, Impfen sei gefährlich, weil es Nebenwirkungen hätte, das Immunsystem überanstrengte oder den Körper auf systemische Weise schädige. So einfach ist das aber nicht. Jede Krankheit, gegen die geimpft wird, ist ungleich gefährlicher, schädlicher, anstrenger für den Patienten, bis hin zu seiner nachhaltigen Schädigung, bis zu seinem Tod. Was nützt ihm dann sein Immunsystem? Besuchen Sie (ich meine nicht Sie persönlich) einmal Polio-kranke Kinder in Afrika, Masern-kranke Kinder in Ostasien oder Eltern in Russland, deren Kinder an Diphtherie verstroben sind. Für Masern brauchen Sie gar nicht so weit zu fahren. Kinder mit Masern-Encephalitis gibt es zahlreich auch hier in Deutschland noch in Behinderten-Heimen. Nun gibt es aber auch Impfungen, die völlig unnötig sind und hauptsächlich der Pharma-Indutrie viel Geld einbringen und die man besser nicht impft, weil man ein unnötiges Risiko einginge. So kompliziert ist das alles. Schreiende Säuglinge und auf die hebt die Hebamme Frau Hannig erst einmal ab, sind heutzutage eine willkommene Patientengruppe, um eigene weltanschauliche Ansichten loszuwerden. Die gute Absicht sei dabei nicht abgesprochen. Aber um zu wissen, was wirklich gut für eine Säugling ist der schreit, darf man sich nicht mit "Ansichten aus dem Bauch" begnügen. Das sit etwa so kompliziert wie die Ansicht zum Impfen. Ein Säugling ist z.B. kein kleiner Erwachsener und ein Säugling ist auch kein Wesen, das es schaffte, allein mit seine emotionalen Zuständen fertig zu werden, auf jeden Fall nicht mit den schlechten. Da hilft es auch nicht, ihm ein Recht darauf anzudichten. Vielmehr ist es die Pflicht seiner Bezugspersonen, richtig zu reagieren. Die Natur hat dieses Verhältnis von beschützendem Erwachsenen und schutzlosem Säugling -sagen wir durch evolutorische Erfahrung- gezielt so eingerichtet, damit die ersten Grundlagen zu einem funktionieren Sozialverhalten unter Menschen schon vom ersten Tag an angelegt werden. Der Säugling hat nichts davon, aus irgendeinem konstruierten menschlichen Rechtsemfinden heraus zu schreien, um damit irgendwelche nie nachweisbaren Gefühle zu verarbeiten. Auch ein Wille dazu existiert bei ihm nicht. Er ist von der Natur zu Willenlosigkeit angehalten, damit er sich den sozialen Zuwendungen seiner Bezugspersonen nicht aus falscher Selbsteinschätzung widersetzt. Den Willen entwickelt er ziemlich kompliziert aus den positiven Zuwendungen seiner Mitmenschen und seinen eigene dranghaften Handlungen. Der Wille ist ein unterdrücktes "ich muss oder lasse zu". Am Anfang als Säugling kann er nur zulassen. So ist es z.B. für den Säugling von überlebenswichtiger Bedeutung, dass er seine primäre Bezugsperson liebt, egal wie sie aussieht, wie sie riecht oder wie sie sich sonst verhält. Entscheidend ist, dass sie für ihn immer treusorgend und fürsörglich da ist, wenn er sie braucht. Gerät sie aus seinem Blickfeld und aus der Zone der Erreichbarkeit, überfällt ihn über kurz oder lang Angst (Urangst), dass sie ihn verloren oder vergessen hat, und er schreit nach ihr, notfalls sich auch die Kehle aus dem Leib. Dann aber braucht er kein starres Festhalten und schon gar keine Bezugsperson, die ihn schreien lässt, weil sie sich einredet, er können damit schlechte Gefühle abbauen. Der Säugling kennt wenigstens meiner Auffassung nach (das ist vielleicht etwas Neues in der Entwicklungspsychologie) keine Trauer, nicht einmal Traurigkeit, denn dafür müsste er kompliziert denken können. Angst und Wut reichen der Natur, um die ersten und wesentliche Bedürfnisse eines Menschen nach außen ausreichend zu signalisieren. Gelingt es dem Säugling nicht, darüber seine Bedürfnisse gestillt zu bekommen, verfällt er in einen Zustand der Stumpfheit und Gefühllosigkeit, den Rene Spitz richtig als anaklitische Depression bezeichnet hat und nicht in Trauer (die er dann per Weinen die Gefühle verarbeitend für sich nutzen könnte). Geschieht das über lange Zeiträume und fehlt die primäre Bezugsperson ganz, entstehen daraus Deprivation und Hospitalismus. Ich will an dieser Stelle abbrechen, obwohl noch viel mehr zu sagen wäre, um nur die wesentlichen Fakten in der psychoszialen Entwicklung des Menschen zu erwähnen. Ich wollte zeigen, dass sehr viel zu bedenken ist, bevor man etwas einigermaßen Zuverlässiges über die Empfindungswelt der Säuglinge aussagen kann. Das wollte ich mit dem Beispiel der Impfung im körperlichen Bereich zum Ausdruck bringen. Ob etwas in dieser Aussage stichhaltig ist oder nur ein Konstrukt der Vorstellungen aus der Erwachsenenwelt, lässt sich heutzutage ganz gut durch die bildgebenden Verfahren in der Hirnforschung nachprüfen. Ich meine, da mit meinen eigenen Ansichten auf einem sehr guten Kurs zu liegen. manch Andere können das, glaube ich, nicht von sich sagen. Ihre beiden letzten Sätze zeigen, dass Sie auf dem richtigen Wege sind. Viele Grüße und verzeihen Sie meine Ausschweifigkeit

von Dr. med. Rüdiger Posth am 19.12.2008



Ähnliche Fragen ähnliche Fragen

Trost + Meckern

Hallo Herr Dr. Posth ! Erst einmal vielen Dank für dieses tolle Forum ! Mein Sohn (3)hat mittlerweile wieder eine ganz gute Verbindung zu seinem Vater. Allerdings gehen einige Sachen wie z.B. Trösten immer noch nur bei Mama. Deswegen mache ich mir GEdanken wenn er mit Papa (oder Oma, Opa) alleine unterwegs ist und etwas "passiert" was ihn aus ...


Trost spenden

Liebe Dr Posth, mein Sohn hat am Freitag einem anderen Jungen versehentlich den Daumen im Gartentor eingeklemmt. Der Junge schrie wie am Spiess und Elio schaute nur... Elio sagte nur, er habe es nicht extra gemacht, aber er hat das Kind nicht getroestet. Er versuchte eher irgendwie abzulenken. Die Situation war ihm irgendwie unheimlich hatte ...