Frage: Sollte man den Wünschen eines Kindes immer nachkommen?

Lieber Herr Posth Unser Sohn ist 1 Jahr alt, kann frei sitzen, aber beginnt gerade erst zu robben, geht auch in Vierfüsslerstand. Bisher wollte er viel getragen werden. Nun ist es oft so, dass er auf den Boden möchte, dann kurz danach auf den Arm,usw. Sollen wir seinen Wünschen immer nachkommen? 2. Frage: Wenn er sich wehtun, nehmen wir ihn auf den Arm und trösten ihn. Im ersten Moment, stösst er sich aber manchmal ab von uns - wenn wir ihn auf den Boden legen, schreit er noch mehr. Danach entspannt er sich meist und schmiegt sich dann an. Warum zuerst das abstossen? Unsichere Bindung? Zuviel Schmerzen? 3. Frage: Was halten sie von dem Artikel "Tränenreiche Babyzeit" welche die Hebammen verteilen. Darin geht es ums festhalten beim weinen nach Solter. 4 Frage: Reagiert man beim 1 jährigen schon immer mit "nein" wenn er Essen vom Tisch wirft? Denn das kommt oft vor... Vielen vielen Dank, dass Sie sich Zeit für alle Fragen nehmen. Liebe Grüsse

von Sunneschyn am 04.07.2011, 10:05



Antwort auf: Sollte man den Wünschen eines Kindes immer nachkommen?

Hallo, die 1-jährigen Kinder erleben jetzt schon stark ihren Willen, den sie brauchen, um zu ihrem Selbst zu gelangen. Ich und Wille werden im Gehirn fest mit einander "verschraubt". Aber dieser Wille unterliegt noch stark der Entscheidungsschwierigkeit. Die Kinder wollen alles gleichzeitig, was ihnen einfällt und geraten schnell in einen Ambivalenzkonflikt. Je nach impulsiver Veranlagung geraten sie dann in einen Wutanfall und wissen gar nicht, was sie tun sollen. Daher das widersprüchliche Verhalten. Das Wegstoßen der Eltern ist der aufkommenden Wut geschuldet und hat mit Bindungsunsicherheit nichts zu tun. von tärnenreicher Babyzeit halte ich gar nichts. A. Solter erliegt meiner Auffassung nach einem schwerwiegenden Fehler. Säuglinge kennen keine Trauer. Ich habe diese Ansicht und die zugehörigen Fehlansichten noch einmal explizit in die Neuauflagen meiner Bücher aufgenommen. Die Fehlansicht stammt aus der Emotionspsychologie selbst, die davon ausging, dass ein bestimmter Gesichtsausdruck des Säuglings mit dem Gefühl der Trauer zu assoziieren sei. Aber aus der Hirnfoschung weiß man inzwischen, dass bei der Trauer Limbisches System, Selbst repräsentierende Areale, Schläfenhirn (Gedächtnis) und das Frontalhirn zusammen geschaltet sein müssen. Ein derart kompluziertes Netzwerk gibt es bei Säuglngen noch nicht. Es bleibt dabei, schreiende Säugling erleben Angst und hochgradigen Stress und müssen so schnell und so gut wie möglich getröstet werden. Das ist die Grundlage dessen, was in meinem Forum vertreten wird. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 06.07.2011