Frage: Phantasiegeschichten

Lieber Dr.Posth, meine Tochter,4,75 J, erzählt zur Zeit ständig Geschichten, die nicht wahr sind. Manche erkennt man sofort, bei anderen weiss man oft nicht, ob es stimmt oder nicht. Wenn sie aus der Kita erzählt, was sie so erlebt hat, was sie kann... Sie ist sprachlich und kognitiv sehr weit und fit, so dass es oft schwer ist Phantasie oder Realität zu erkennen.. Wie geht man damit um? Sie lügt ja bestimmt nicht mit Absicht. Toleriert man das? Weisst man sie darauf hin, dass das so ja nicht gewesen sein kann? Dann hat sie seit neuestem Wutanfälle, wenn was nicht so läuft wie sie möchte. Da sie sprachlich sehr fit ist, schimpft sie wie ein Rohrspatz. Das dann über Minuten, manchmal wird sie dabei auch beleidigend. Wir versuchen, sie schimpfen zu lassen, bis sie sich beruhigt hat. Es ist nur oft schwer, wenn sie z.B. ihre Freundin beschimpf ( du bist nicht mehr meine Freundin...) Sie ist forumsgerecht erzogen, eher zurückhaltend und schüchtern. Danke und viele Grüße, May

von May_2000 am 08.07.2013, 09:48



Antwort auf: Phantasiegeschichten

Liebe May, Ihre Tochter entdeckt die Macht der Worte und sie erfährt, dass man mit der Spache die Wirklichkeit manipulieren kann. Das alles macht sie natürlich nicht bewusst, sondern sie nutzt die von ihr entdeckten Möglichkeiten. Und offenbar ist sie fantasie- und sprachbegabt genug, diese Fähigkeit genussvoll auszuleben. Im Grunde macht es doch jeder Geschichtenerzähler so und jeder Schriftsteller erfindet ganze Welten. Das alles hat mit Lügen nichts zu tun. allerdings merken die Kinder schnell, dass sie sich auch Geschichten ausdenken können, die ihnen aus der Patsche helfen. Nur solche Flunkereien sollte man hinterfragen und nicht einfach für bare Münze nehmen. Also was zu unwahrscheinlich klingt oder sich zu sehr vorteilhaft für das Kind ausnimmt, dass könnte eine Flunkerei sein. Da muss man dann Zweifel anmelden. Die Kinder kommen damit gut zurecht, wenn man sie "entlarvt". Aber mit moralischen Vorhaltungen muss man einstweilen noch vorsichtig sein. Das Gewissen bildet sich ja in diesem Alter gerade erst aus und es benötigt zu seiner Ausrichtung einstweilen noch sehr konkrete Anlässe. Also nur klar erkennbare Fehler oder Vergehen werden vom Kind erkannt und bereut (das schlechte Gewissen). Die Aufforderung zur Wiedergutmachung leitet dann das gute Gewissen ein. die Schimpftiraden könnten man als eine solchen Fehler bei Ihrer Tochter bezeichnen und ihr dahingehend ein Gewissen machen, dass auch Worte verletzen können. Die Wiedergutmachung bestünde dann darin, etwas Gutes über die beschimpfte Freundin zu finden, die die Wertigkeit der Freundin wiederherstellt und den Fortbestand der Freundschaft rechtfertigt. viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 11.07.2013