Frage: Nachfrage

Lieber Herr Dr. Posth, durch ihre Antwort auf mein Posting "Nicht verlieren können" vom 16.10. haben sich für mich weitere Fragen ergeben. Ich bitte Sie, auch meine Rückfrage zu beantworten. Vielen Dank. Meine Rückfrage hänge ich untenstehend noch einmal an: Lieber Herr Dr. Posth, so interessant ich Ihre Antwort auch fand, so wenig hilfreich ist sie mir bei meinem konkreten Problem. Sie empfehlen, keine Wettspiele mit kleinen Kindern zu machen und anfangs auf Spiele ohne Gewinner und Verlierer auszuweichen. Nun, wir spielen aber schon bereits circa zwei Jahre mit unserem Sohn (jetzt viereinhalb) und bisher ging es ihm auch immer nur um das Spielen an sich. Probleme, wenn er mal nicht gewonnen hatte, gab es bisher nie, zumindest nicht bis auf die vergangene Woche, im Gegenteil, ich hatte bisher den Eindruck, er freute sich mit dem jeweiligen Sieger mit. Woher kommt diese Wandlung also so plötzlich? Ein anderer Gesichtspunkt ist aber doch auch folgender, dass Kinder in dem Alter sich doch häufig mit anderen messen wollen und auch ohne Animation von außen Wettrennen, etc. veranstalten. Wäre dies nicht altersentsprechend kämen sie doch gar nícht auf diese Idee? Was meinen Sie? Ich glaube auch nicht, dass in unserer Familie je das Bewertungsschema, wie sie schreiben: gewinnen=gut, verlieren=schlecht betont wurde. Um nochmal auf das Thema Schach zurückzukommen: Mir ist auch klar, dass dieses Spiel eigentlich für vierjährige noch nicht geeignet ist, aber nachdem er es mal einige ältere Herren in einem Park spielen sah, wollte er es gerne lernen und letzte Woche stand er halt mit dem Brett vor mir und wollte mal wieder spielen. Da kann ich doch nicht "Nein" sagen. Oder sollte ich das besser? Ihm etwas verbieten, was sein eigener Wunsch ist, weil er dafür noch nicht reif genug sein könnte. Denn im Nachhinein, so mit ein paar Tagen Abstand, habe ich den Eindruck, dass es ihm in dem Moment eigentlich weniger um das Verlieren (für ihn) ging als um die Angriffsdrohung auf seinen König. Kann das sein, dass er sich selber so mit einer Spielfigur identifiziert, als wäre es er selbst? Das er zwar geistig reif genug dafür ist, aber seelisch nicht? Meine wichtigste Frage an Sie lautet aber nun, wie man in solchen Situationen konkret reagieren kann. Denn selbst, wenn wir nun auf sämtliche Gewinnspiele verzichten würden, ganz aus seinem Leben entfernen kann man sie ja nun nicht (Freunde, Kindergarten, etc.) Ich bedanke mich bei Ihnen für die ausführliche Antwort auf mein erstes Posting und freue mich auf die jetzige. Viele Grüße Anda

Mitglied inaktiv - 23.10.2003, 10:26



Antwort auf: Nachfrage

Liebe Anda, zunächst einmal habe ich, so meine ich, nicht gesagt, daß man in diesem Alter komplett auf Wettspiele verzichten sollte oder könnte. Es ist richtig, daß sich die Kinder untereinander mit solchen Wettspielen messen und ihre Leistungsgrenzen im Vergleich austesten. Ein Kind mit bisher gutem Selbstbewußtsein kommt auch damit klar, daß es nicht in jedem Fall zu den Gewinnern zählt. Bei den anderen gibt es auch da schon echte Schwierigkeiten. Schach halte ich nach wie vor für kein günstiges Spiel in diesem Zusammenhang. Hier geht es um strategische Dinge und nicht um sinnliche Erfahrung des eigenen Körpers. Die Kombinationsfähigkeit des Kindes ist (bis auf einzelne Ausnahmen vielleicht) überfordert und das Gewinnen und Verlieren kann nicht im Selbst so richtig erfahrbar gemacht werden wie bei den "Draußenspielen" der Kinder oder bei "Mensch ärgere dich nicht". Vielleicht ist es so wie Sie sagen, daß mangels er eigenen Erfahrbarkeit im Spielgeschehen eine Spielfigur mit dem Selbst symbolisiert auftritt und das Verlieren dann im Erleben des Kindes geradezu gefährlich wird. Aber ich gebe zu, daß wir in der Entw.psychologie uns da auf noch ziemlich unbekanntem Gebiet bewegen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 24.10.2003