Frage: Mutter-Prägung

Unser Sohn (4.5 Monate) ist in seinen ersten 4 Lebensmonaten von mir und meinem Ehemann gleichen Teils betreut worden. Nun geht mein Mann wieder auswärts arbeiten und ich schaue allein für den Kleinen. Ich habe oftmals das Gefühl, dass er nicht richtig begreift, dass ich die Mutter und Hauptbezugsperson bin. Er geniesst zwar meine Nähe und schenkt mir auch oftmals ein Lachen, dennoch reagiert er intensiver, wenn mein Mann nach Hause kommt. Bei ihm lacht er lauter und freut sich mehr als bei mir. Kann es sein, dass er durch die gemeinsame Betreuung am Anfang nicht richtig auf mich als Mutter "geprägt" wurde? Vielen Dank und noch was: ist es jetzt noch möglich, dass er begreift, dass ich für ihn grösstenteils da bin und Hauptbezugsperson darstelle?

Mitglied inaktiv - 10.09.2002, 19:27



Antwort auf: Mutter-Prägung

Liebe Tamara, die zweite Frage kann man objektiv angehen und mit einem klaren Ja beantworten. Die erste Frage, ob die gemeinsame Elternpräsenz im Kind Verwirrung gestiftet hat, ist schwer zu beantworten. Dazu müßte man viele Details über Ihre "Arbeitsteilung" wissen, z.B. wer hat meistens gefüttert, oder wurde und wird er gestillt, wer hat ihn viel herumgetragen und beruhigt, etc. Aber keine Sorge, er wird sich an Sie als primäre Bezugsperson immer binden lassen, v.a., wenn Sie sich ganz auf seine Signalgebung einstellen. D.h. z.B. ganz viel Blickkontakt mit ihm und mimische Zuwendung, viel Körperkontakt und Herumtragen, viel freundlich ermunternde Ansprache, u.s.w. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 11.09.2002



Antwort auf: Mutter-Prägung

Hallo Tamara, da würde ich mir keine Gedanken machen. Meine Tochter (13 Wochen) reagiert auf alle männlichen Gestalten viel intensiver, als auf mich. Ist ja irgendwie auch kein Wunder: Männer wirken durch ihre Erscheinung/tiefere Stimme einfach intensiver. Hört sich jetzt daneben an, aber bei meinen Hunden kann ich das auch beobachten.

Mitglied inaktiv - 11.09.2002, 10:56



Antwort auf: Mutter-Prägung

Ich glaube, Dein Sohn weiß Dich sehr wohl zu schätzen. Es ist nur so, daß die Väter halt i.d.R. am Abend nach Hause kommen, und das ist dann etw. bes.. An uns als Mütter sind sie ja gewöhnt. Aber würden wir mal einen Tag nicht da sein und erst abends kommen, würdest Du sehen, WIE er Dich vermißt. Außerdem kann ich Dir aus Erfahrung sagen: die Kleinen sind zunehmend in der Lage, ihre Gefühle zu zeigen. Als unser Sohn 4,5 Monate alt war, dachte ich auch: "Den ganzen Tag kümmere ich mich, und der Vater bekommt abends die Lorbeeren..." Jetzt ist es so (er ist 11 Monate), daß er freudestrahlend auf mich zugekrabbelt kommt, sobald er mich sieht. Und wenn er Mama sagt und die Ärmchen umlegt, dann ist die Welt eh wieder in Ordnung *g*... LG Britta

Mitglied inaktiv - 11.09.2002, 19:20



Antwort auf: Mutter-Prägung

Hallo Britta, danke, Deine Worte haben auch mich ein bisschen getröstet. Mein Sohn ist jetzt sieben Monate alt und ist halbtags in der Krippe. Wenn ich ihn abhole freut er sich zwar, und schenkt mir ein müdes Lächeln, dreht aber dann den Kopf weg als wollte er sagen...äh, die schon wieder. Seinen Vater sieht er nur alle drei Tage und freut sich dann jedesmal wie ein Schneekönig, dass ich manchmal wirklich eifersüchtig werde und das Gefühl habe, mein Sohn kann mich nicht leiden, obwohl ich die Zeit nach der Krippe und am WE sehr intensiv mit ihm verbringe. Naja, vielleicht ist das auch so, weil er weiß, dass er mich nicht "umgarnen" braucht, sondern er sich sicher ist, dass ICH immer da bin wenn er mich braucht, er somit meine Zuneigung nicht "erlächeln" muss. Trotzdem, manchmal tuts weh...irgendwie. Gruß Jennyallein

Mitglied inaktiv - 11.09.2002, 20:14



Antwort auf: Mutter-Prägung

Liebe Jenny, das sollte gar nicht weh tun. Das Verhältnis des Säuglings zu seiner primären Bezugsperson ist viel komplizierter als man denkt. Ganz kurz: Es gibt kluge Gründe anzunehmen, daß der Säugling seine primäre Bezugsperson in einer gewissen personellen Einheit mit sich selbst wahrnimmt. Das bedeutet, daß er, sofern er sich seiner Bezugsperson ganz sicher ist, nicht permanent um sie werben muß und wird. Das macht aus der Sicht der Natur ja auch Sinn. Wer wirbt schon dauernd um sich selbst. Die Bezugsperson wird aber in jeder die eigene Person gefährdenden Situation oder in jeglicher Not sofort beansprucht, sprich der Säugling flüchtet sich sofort auf Mutters (so sie die pr. Bzp. ist) Arm und läßt sich trösten und nicht auf Vaters! Das ist der ganze große Vertrauensbeweis und nicht die zur Schau gestellte Freundlichkeit. Vertraut wird der Mutter, umworben wird der Vater, das ist die Devise. Nicht ganz leicht zu verstehen. Löst sich der Säugling dann von der Mutter, und hat er sich dann unter Zuhilfenahme aggressiver Elemente abgelöst (anders geht es eben schlecht)und zu sich selbst gefunden, geht auch das "Umwerben der Mutter los". Sie werden es erleben. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 11.09.2002